Isabella Lechner
Wienerinnen, die lesen, sind gefährlich
Elisabeth Sandmann Verlag 2012
160 Seiten, 12,95 Euro

Foto: Elisabeth Sandmann Verlag

Berta Zuckerkandl war eine der bekanntesten Saloniéren in Wien: In den Salon-Veranstaltungen der Journalistin verkehrten sämtliche Intellektuelle und KünstlerInnen, die zu Anfang des letzten Jahrhunderts einiges und wenig später im austrofaschistischen Österreich nichts mehr zu sagen hatten. 

200 Jahre Kulturgeschichte

Es sind Frauen wie Zuckerkandl, die die Journalistin und dieStandard.at-Autorin Isabella Lechner für ihr Buch "Wienerinnen, die lesen, sind gefährlich" (erschienen im Elisabeth Sandmann-Verlag) ausgewählt und porträtiert hat. Insgesamt 17 Persönlichkeiten stellt sie in dem Band vor, unter ihnen Weltberühmtheiten wie Kaiserin Elisabeth, Bertha von Suttner, Margarete Schütte-Lihotzky und Alma Mahler-Werfel. Als jüngste im Band ist zudem die erste Österreichische Frauenministerin, Johanna Dohnal, vertreten.

Der Bogen der Porträtreihe umspannt 200 Jahre Wiener Kulturgeschichte, den Lechner in vier Teilbereiche gegliedert hat: Vertreterinnen der ersten und zweiten Frauenbewegung,  Künstlerinnen (und Salonièren), Schriftstellerinnen und schließlich Pionierinnen in verschiedenen Geschäftsbereichen. 

Emanzipationsgeschichten im Fluss der Zeit

Die Emanzipationsgeschichte all dieser unterschiedlichen Frauen steht für die Autorin dabei im Vordergrund. Und diese lautete Ende des 19. Jahrhunderts natürlich anders, als nach dem zweiten Weltkrieg. Während sich Frauen der gehobenen Gesellschaft zur Jahrhundertwende maximal in Salons amüsieren durften und andernorts für das elementare Recht auf Bildung und Lohnarbeit gekämpft werden musste, stellte die verheiratete junge Dohnal einige Jahrzehnte später keck fest: "Was gehen mich seine Knöpfe an?"

"Wienerinnen, die lesen ..." kontextualisiert diese bewegenden Frauengeschichten in die politischen und gesellschaftlichen Begebenheiten der Zeit. Im 20. Jahrhundert wütet der Faschismus in Europa, was natürlich auch für die lesenden Wienerinnen Konsequenzen hat. In den Porträts über die später wieder nach Wien zurückgekehrte Essayistin Hilde Spiel und der nach dem zweiten Weltkrieg nach Wien übersiedelten Kinderbuchautorin Mira Lobe wird deren gespaltenes Verhältnis zum Täterland und den WienerInnen generell spürbar.

Anregungen für Stadt-Spaziergänge

Wien-kundigen LeserInnen bietet das Buch zudem wertvolle Aha-Erlebnisse, weil die Autorin in ihren kurzweiligen Porträts auch immer wieder Verweise auf Straßen und Orte macht. Wer hat schon gewusst, dass sich in dem herrschaftlichen Haus an der Mariahilferstraße/Ecke Rahlgasse einst der edle Modesalon der Schwestern Flöge verbarg? Der Modeschöpferin der Wiener Moderne und Erfinderin des Reformkleides widmet Lechner einen eigenen Text.

Mit "Wienerinnen, die lesen ..." ist Lechner ein kurzweiliges Lesebuch über die Wiener Frauengeschichte geglückt, das auch als Nachschlagewerk verwendet werden kann. Auf dass sich die "gefährlichen Frauen" in Wien immer weiter vermehren. (freu, dieStandard.at, 21.8.2012)