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Polnische Punkerinnen mit den bereits ikonografisierten Masken von "Pussy Riot", die schon prägendes Symbol bei der Demo zur Erinnerung an den Putsch im Jahr 1991 war, wodurch Boris Jelzin an die Macht kam.

Foto: AP/dapd/Alik Keplicz

Moskau - Nach dem international heftig kritisierten Schuldspruch gegen drei Musikerinnen von Pussy Riot sucht die russische Polizei weitere Mitglieder der regierungskritischen Punkband. Diesen droht nun ebenfalls Haftstrafen wegen "Rowdytums aus religiösem Hass".

Die russische Justiz habe weitere Aktivistinnen der kremlkritischen feministischen Punkband zur Fahndung ausgeschrieben, sagte eine Polizeisprecherin in Moskau. Diese seien wegen des Auftritts in der Christ-Erlöser-Kathedrale der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau im Visier der Behörden. Die Verdächtigen seien aber noch nicht identifiziert. Die Polizei gab weder an, wie viele Personen sie suche, noch, ob ihnen eine Festnahme oder Anklage drohe. Insgesamt waren fünf Frauen auf Videoaufnahmen von der Protestaktion zu sehen.

"Pussy Riot" wird zur Marke

Der Anwalt Mark Fejgin ging indes mit einer Neuigkeit abseits des Prozesses an die Öffentlichkeit: "Pussy Riot" lässt ihren Namen als Markenzeichen schützen, weil es leider Menschen gebe, die den Namen für ihre dubiosen Projekte nutzen oder der Gruppe schaden wollten, so Fejgin am Dienstag.

"Hysterie" um Urteil

Nach der enormen internationalen Empörung über das harte Urteil gegen die drei Musikerinnen hat Russland selbige als "Hysterie" zurückgewiesen. Zugleich verbat sich die russische Führung Kritik am Prozess. "Man sollte vor dem Ende der Berufungsverhandlung keine Schlussfolgerungen ziehen", sagte Außenminister Sergej Lawrow am Montag nach Angaben der Agentur Interfax.

Zum Teufel mit der Gnade

Die drei bereits verurteilten Frauen wollen kein Gnadengesuch bei Präsident Wladimir Putin einreichen, ließ einer der VerteidigerInnen der Verurteilten, Nikolai Polosow, ebenfalls am Montag wissen. "Mit dieser Gnade sollen sie zum Teufel fahren", hätten die Frauen auf eine entsprechende Nachfrage ihrer Anwälte geantwortet, so Polosow. Er bekräftigte jedoch, gegen die Urteile in Berufung gehen zu wollen.

Strafreduzierung möglich

Eine Abmilderung der Strafe steht so oder so in Aussicht. Russische Medien und BeobachterInnen äußerten am Samstag die Erwartung, dass die Strafe von jeweils zwei Jahren Lagerhaft für die drei Frauen in einem Berufungsverfahren reduziert werden dürfte. Nach der Berufung durch die VerteidigerInnen werde das zuständige Moskauer Gericht vermutlich die zwei Jahre Lagerhaft in ein Jahr verwandeln und "diese Idiotinnen freilassen, damit sie ihre Kinder und Angehörigen wiedersehen können", schrieb die Zeitung "Komsomolskaja Prawda" am Samstag.

Auch Denis Dwornikow von der zivilen Kammer, in der BürgerInnen und Nichtregierungsorganisationen russische Behörden beraten, sagte eine Abmilderung der Strafen voraus. Vermutlich würden die Verurteilten schon einen Monat nach dem Berufungsprozess in die Freiheit entlassen, sagte Dwornikow der Nachrichtenagentur Interfax.

Kein Kommentar von Putin

Präsident Wladimir Putin hat sich bisher nicht zu der Gerichtsentscheidung geäußert. Putin habe nicht das Recht, dem Gericht seine Meinung aufzuzwingen, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow der Webseite PublicPost.ru.

Im Ausland war die Verurteilung der drei Frauen scharf kritisiert worden. Das Gericht hatte die 22-jährige Nadeschda Tolokonnikowa, die 24-jährige Maria Alechina und die 30-jährige Jekaterina Samuzewitsch am Freitag wegen "Rowdytums" aus religiösem Hass schuldig erklärt und zu jeweils zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Sie hatten in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale im Februar ein "Punkgebet" gegen Putin aufgeführt.

RussInnen laut Umfrage mit Urteil nicht einverstanden

Auch bei vielen RussInnen stieß das Urteil auf Unverständnis: 77 Prozent zeigten sich "nicht einverstanden" mit der Strafe, wie aus einer Telefonumfrage für Moskauer Echo hervorging. Die mit Putin verbundene russisch-orthodoxe Kirche forderte nach dem Urteil "Milde" für die drei Frauen.

Festgenommene Protestierende wieder frei

Der bei einer Protestkundgebung für Pussy Riot in Moskau am Freitag festgenommene frühere Schachweltmeister und Oppositionspolitiker Garri Kasparow kam am Samstag zusammen mit etwa 50 weiteren DemonstrantInnen frei. Bisher sei keine Anklage gegen ihn erhoben worden, sagte einer seiner Mitstreiter, Alexander Riklin.

Bei einem Polizeiverhör widersprach Kasparow unterdessen Vorwürfen, er habe bei seiner Festnahme einen Polizisten gebissen. "Das ist doch Wahnsinn! Ich stelle gerne mein Zahnbild zur Verfügung", sagte der Putin-Kritiker. Kasparow drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Nawalny fordert internationale Sanktionen

Der Regierungskritiker Alexej Nawalny forderte im Magazin "Der Spiegel" internationale Sanktionen "gegen das korrupte Umfeld" Putins. Der Präsident könne nicht über Wahlen bekämpft werden, weil Putin diese kontrolliere. (APA/Reuters, 21.8.2012)