Die Mexikanerin Ali Gua Gua (in der Mitte) und ihre argentinischen Kolleginnen Pila Zombie, Inesphektor,  Pat Combat Rocker, Juana Chang und Flor Linyera sind gemeinsam "Kumbia Queers".

Foto: Kumbia Queers

"Pecados Tropicales" ist im September auf comfortzone erschienen.

Cover: Kumbia Queers

Die Club-DJs der europäischen Metropole haben sie bereits seit einiger Zeit auf dem Köchen: die Beats der lateinamerikanischen "Cumbia" und ihre zig digitalen Spielarten. Ein möglicher Grund für den Hype auf den Dancefloors: zu den gemächlichen Rhythmen und den mit Fernweh aufgeladenen karibischen Percussion-Instrumenten finden auch die vehementesten TanzverweigerInnen Moves, die sie halten können.

Seit 2007 mischt eine mexikanisch-argentinische Band in der neuen Szene mit: "Kumbia Queers" nennt sich die Gruppe, die ihre Wurzeln im Punkrock hat und den zahlreichen Spielarten der traditionellen Cumbia eine ganz spezielle hinzufügt.

"Unsere Waffe ist das Vergnügen"

In feministischer Tradition verwenden sie die typischen Herzschmerz- und Macho-Posen der Cumbia-Interpreten und deuten sie für die eigene queere Community mit einem Schuß Ironie um. "Unsre Waffe ist das Vergnügen", lautet das Credo der schrillen Truppe, denen die strengen Regeln des Punksrocks auf die Dauer zu eng wurden.

Quelle: www.youtube.com 

In ihren Anfängen coverten die Kumbia Queers vor allem Hits aus der Rock- Pop und Punk-Historie. Es war eine spielerische Aneignung von Cumbia, die den Punk-Musikerinnen zu Beginn ihrer Zusammenarbeit ebenso fremd war. Frontfrau Ali Gua Gua dazu: "Ich dachte, dass die Cumbia so etwas wie ein Herrschaftsinstrument sei, um uns alle in unserer Dummheit gefangen zu halten."

Cumbia Villera

Seit den 1990ern hat sich die lateinamerikanische Volksmusik in viele Subgenres verästelt. Eine Spielart, die "Cumbia Villera", hat es Ali Gua Gua und Co besonders angetan. Der Stil, der manchmal auch als argentinische Antwort auf Gangsta Rap bezeichnet wird, kommt aus den Armenvierteln der argentinischen Städte, wo die Jugend die Musik mit Texten aus ihrer Lebensrealität unterlegen: Armut, Gewalt, Drogen und Sex.

Ali Gua Gua und ihre Mitstreiterinnen haben nun erstmals ein Album mit ausschließlich Eigenkompositionen zusammengestellt. Auf dem österreichischen Elektronik-Label "comfortzone" erscheint "Pecados Tropicales" ("Tropische Sünden") dieser Tage. Auch die dazugehörende Europa-Tournee ist bereits im vollen Gange.

Alles ist möglich

Auf dem neuen Album finden sich musikalisch höchst unterschiedliche Nummern - vom klassischen Opener "Kumbia Punk", der die grundsätzliche Ausrichtung von "Kumbia Queers" klarstellt, über "Patricia", eine von einem House-Groove getragene effektive Rocknummer, bis hin zu gnadenloser Punk-Rock-Cumbia bei "Gaballo Viejo".

Intromix von "Pecados Trpicales", Quelle: www.youtube.com

In ihren Texten behandeln sie typische Popthemen wie Liebe und Sex, aber auch ihre politischen Statements kommen nicht zu kurz. Als alteingesessene Aktivistinnen für Frauen- und LGBT-Rechte geht es ihnen immer auch um die Veränderung der sozialen Verhältnisse: "Besonders wichtig sind für mich die Frauenthemen - also häusliche Gewalt, Vergewaltigungen, das Recht auf Abtreibung und auf selbstbestimmte Mutterschaft", erläutert Gitarristin Pila.

Als "Kumbia Queers" oder auch in anderen Formationen spielen die Musikerinnen hunderte Auftritte pro Jahr. In Mexiko, Argentinien und Chile haben sie sich mit ihrer queer-punkigen Interpretation bereits ein große Fangemeinde erspielt. Auch in Europa touren sie bereits zum dritten Mal. Nicht schlecht für eine Band, die sich ursprünglich in einer Bierlaune zusammengetan hat. (Andererseits: welche Band hat das nicht?) Wer sich "1000prozentigem Tropipunk" hingibt, hat eben zwangsläufig viel Energie im Gepäck. (freu, dieStandard.at, 6.9.2012)