Gebetskongress-Programm von Human Life International am Donnerstag, 6.9.2012 um 13.20 Uhr. Michael Spindelegger und Erwin Pröll werden angekündigt.

Foto: HLI/Gebetskongress

Gebetskongress-Programm von Human Life International am Donnerstag, 6.9.2012 um 13.25 Uhr. Michael Spindelegger und Erwin Pröll werden nicht mehr angekündigt.

Foto: HLI/Gebetskongress

Von Beschuldigungen wie "Abtreibung ist Mord" und "Du tötest Kinder" über anschauliche Plastikembryos bis hin zu Krankheitszuschreibungen an Frauen, die abgetrieben haben: Die Parolen und Mittel radikaler AbtreibungsgegnerInnen sind nicht neu. Nachgelegt wird nun Anfang Oktober in Wien im Rahmen des "6. Welt-Gebets-Kongresses für das Leben"  - den TeilnehmerInnen wird "täglich heilige Messe als Sühne für Abtreibung" versprochen.

Die finanziell starke Gruppe der AbtreibungsgegnerInnen, angeführt von Human Life International (HLI), organisiert für den Kongress Gebetseinheiten, Vorträge, Workshops, Seminare und ein Galadinner, bei dem "gerettete Kinder 'Danke' sagen". Bis Donnerstag standen neben einschlägig bekannten AbtreibungsgegnerInnen wie Weihbischof Andreas Laun, Bischof Klaus Küng, Traumatherapeutin Angelika Pokropp-Hippen und Philip Reilly, einem Urgestein der Szene, auch Vizekanzler Michael Spindelegger und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (beide ÖVP) auf dem Programm. Das hat sich inzwischen geändert (siehe Fotos): Die Namen von Spindelegger und Pröll sind "Repräsentanten aus Kirche und Politik" gewichen.

Keine klare Absage

Auf Nachfrage von dieStandard.at, ob ihr Auftritt beim Gebetskongress als Statement gegen die Fristenregelung zu werten sei, hieß es aus den jeweiligen Büros, dass weder Spindelegger noch Pröll gewusst hätten, im Palais Niederösterreich als Redner auf dem TeilnehmerInnen-Programm zu stehen.

Im Büro des Vizekanzlers erklärte man, dass die Einladung erst am Donnerstag eingelangt sei: "Diese wird Michael Spindelegger vorgelegt und er wird erst entscheiden, ob er beim Gebetskongress teilnehmen wird."

Ähnlich äußerte sich Bernhard Heinl, Sprecher von Erwin Pröll, gegenüber dieStandard.at: "Herr Pröll hat weder eine Einladung erhalten, noch wurde eine Anfrage an ihn gerichtet." Würde eine Anfrage an Pröll gerichtet, würde er dort sprechen? "Das geht sich aus terminlichen Gründen nicht aus", so Heinl.  Das Organisationsbüro des Gebetskongresses unter der Leitung von Dietmar Fischer (HLI) war nach mehrfachem Nachfragen von dieStandard.at nicht bereit, eine Stellungnahme abzugeben.

"Natürlich ist schwer festzustellen, wer in dem Fall lügt: HLI oder die beiden Politiker", sagt eine vehemente Kritikerin des Gebetskongresses, Sonja Grusch. Das sei für sie aber zweitrangig: "Aus der ÖVP kommen immer wieder Vorstöße, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu beschränken", so die Bundessprecherin der Sozialistischen Linkspartei (SLP). "Wenn sich die ÖVP aufgrund des öffentlichen Drucks bedeckt hält, ändert das wenig an ihrer Politik, zeigt aber, wie wichtig es ist, diesen Druck aufzubauen. Würden es Spindelegger und Co. mit Frauenrechten ernst meinen, sollten sie kostenlose Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Spitälern anbieten sowie Aufklärung ab der ersten Schulstufe umsetzen", so die Aktivistin.

Trennung von Kirche und Staat "eine Illusion"

Würden Pröll und Spindelegger bei diesem Kongress erscheinen, wäre das ein Skandal, so Grusch. "Aber die Trennung von Staat und Kirche hat es in Österreich nie wirklich gegeben. Man bedenke nur die Steuerprivilegien, die die katholische Kirche in Österreich hat."

Als alles andere als harmlos schätzt die Aktivistin die Kräfte der AbtreibungsgegnerInnen ein. Zu ihnen gehören "eben Organisationen wie HLI, die nachweislich zu Methoden wie Terror und Psychoterror greifen". Das Wort Psychoterror war auch der Grund einer Klage der AbtreibungsgegnerInnen gegen ihre KritikerInnen. Eine SLP-Aktivistin wurde 2002 vom HLI-Geschäftsführer Dietmar Fischer geklagt. Claudia Sorger, damalige Frauensprecherin der SLP, hatte die Methoden der AbteibungsgegnerInnen in einem Zeitungsartikel "Psychoterror" genannt. Fischer bestritt dies und klagte. Sorger bekam Recht.

Verhütungsmittel "Massenvernichtungswaffen"

Das 1981 in den USA vom Benediktinerpater Paul Marx gegründete Abtreibungsnetzwerk Human Life International ist mit mehr als 25.000 Mitgliedern das größte seiner Art. Die Gruppe hält etwa Verhütungsmittel für die gefährlichste "Massenvernichtungswaffe" der Welt, mehrmals wurden gegen Abtreibungskliniken Bombendrohungen ausgesprochen. Deren österreichischer Geschäftsführer wurde zuletzt mit anderen AbtreibungsgegnerInnen in Graz verurteilt.

Die Angeklagten hatten monatelang vor der Praxis eines Grazer Gynäkologen demonstriert und sich Räumlichkeiten im Haus des Mediziners gemietet. "Politische Aktionen sind zulässig, aber nicht eine Hexenjagd auf Einzelne", erklärte Richterin Carolin List bei der Urteilsverkündung im Oktober 2011. Mit einer ähnlichen Strategie hatte Fischer bereits 2004 in Wien Erfolg. Im Gebäude der Lucina-Abtreibungsklinik im 2. Wiener Gemeindebezirk kaufte er ebenso Räumlichkeiten. Er wurde zum Vermieter und die Privatklinik musste schließlich schließen. Diese Einmietungspolitik wurde auch in Salzburg praktiziert.

Feministische Szene macht mobil

Weiters planen die Veranstalter des Gebetskongresses im Oktober eine "Gebetsvigil vor Österreichs größter Abtreibungsstätte" unter der Leitung von Andreas Laun. Sonja Grusch vermutet, dass diese Vigil vor dem Ambulatorium am Fleischmarkt in der Wiener Innenstadt stattfinden wird. Die SLP organisiert dagegen eine Demonstration.

Feministischen Widerstand gegen den Gebetskongress und "Betrügen und Gräuelpropaganda, Denunziationen, durch Hasspropaganda gegen Feministinnen und Homosexuelle" organisieren auch die Aktivistinnen des Autonomen Frauen Lesben Mädchen Zentrums (FZ). "Non Possum" ("Wir können nicht"), schreiben die FZ-Aktivistinnen in ihrem Aufruf und meinen damit die Weigerungsformel der römischen Kurie gegenüber der weltlichen Macht, gegen die es sich zu wehren gelte. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 9.9.2012)