Wer dachte, über Mütter sei bereits alles in allen möglichen ideologischen Schattierungen gesagt, die oder der irrt. Auf dem Buchmarkt erscheinen periodisch zahlreiche Bücher, die sich ausschließlich mit dem Mutter-Dasein und seinen gesellschaftlichen Implikationen beschäftigen. Wir haben ein paar aktuelle Erscheinungen für Sie ausgewählt und unter die Lupe genommen:

Tillmann Bendikowski: Allein unter Müttern

Allein unter Müttern: Dass man nicht unbedingt eine Frau sein muss, um Mutter zu sein, beweist Tillmann Bendikowski mit seiner Anekdoten-Sammlung "Allein unter Müttern. Erfahrungen eines furchtlosen Vaters" (C.Bertelsmann, 2012). Der Hamburger Historiker verwendet den Kniff der Ethnographie, um seinen Alltag als hauptberuflicher Vater von drei Söhnen zu beschreiben. Diesen bewältigte er klarerweise - und ein Blick auf die Karenz- und Teilzeitstudien bestätigt dies - mehrheitlich unter Müttern.

In der kurzweiligen Darstellung seiner Erlebnisse spricht Bendikowski beherzt von sich als Mutter unter Müttern, wenngleich er auch immer wieder anmerkt, dass ihm die völlige Integration in die Mütterwelt schwer gemacht wurde. Der Vater unterliege bis heute einem „grundsätzlichen Unfähigkeitsverdacht", den sowohl Mütter wie auch die Gesellschaft verbreiten würden, meint Bendikowski.

Doch auch der Autor selbst verbreitet gerne Klischees - bevorzugt über Mütter: Diese würden sich mit Vorliebe über Esoterik, gute Ernährung und Etikette bei Kindergeburtstagen unterhalten und moralisch über ihresgleichen erheben ("ich koche meinen Babybrei immer selber").

An anderer Stelle verteidigt er aber auch seine Mütter-Schar gegen feindliche Angriffe der "Latte-Macchiato-Mütter"-Basher und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie enttarnt er als "Lebenslüge". Diese wurde laut Bendikowski von listigen Männern erfunden, damit sich Frauen fortan für Familie UND Beruf zuständig fühlen und das Wort Doppelbelastung seinen Schrecken verliert.

"Allein unter Müttern" ist ein streckenweise sehr amüsantes Lesebuch, das mit seinen ausgeklügelten Kategorienbildungen wie etwa der "spätgebärenden Akademikerin" und zu Ende gedachten Erziehungsphrasen ("Also, ICH fahre jetzt in den Kindergarten") für schallendes Gelächter sorgen kann. Leider gelingt dem Autor diese feine archäologische Arbeit nicht über das ganze Buch hinweg, weshalb sich auch ein paar derbe Klischees in den Alltagsbeschreibungen des furchtlosen Vaters wiederfinden.

Ildiko von Kürthy: Unter dem Herzen

Um einiges persönlicher, aber dennoch selbst-ironisch legt es da die deutsche Bestseller-Autorin Ildikó von Kürthy an. Mit "Unter dem Herzen. Ansichten einer neugeborenen Mutter" (Wunderlich, 2012) hat die Hamburgerin erstmals ein Sachbuch verfasst, das sich mit den Hochs und Tiefs einer offiziell Spätgebärenden auseinandersetzt.

Das Buch ist formal wie ein Schwangerschaftstagebuch gehalten, was die LeserIn zeitnah mit auf die spannende Reise des biologischen Wunders "Schwangerschaft" nimmt. Zwischen positivem Schwangerschaftstest und erstem Geburtstag von Sohn Schlomo erfährt mensch nebenbei noch einiges über Kürthys Ansichten zu Familie, Partnerschaft und selbstbestimmtes Leben.

Sympathisch macht das Buch, dass auch die Schattenseiten des Mutterseins nicht zu kurz kommen: Fremdbestimmung, Verantwortung, Schlafmangel, körperliche Veränderungen. Mama kennt das ja. Wer sich also an der frauenmagazinigen Gutelaune-Erzählweise nicht allzu stört, ja sie vielleicht sogar genießen kann, wird mit "Unter dem Herzen" viel Freude haben.

Bester Satz: "Und das Geräusch - es ist eine Kriegserklärung an meinen inneren Frieden - eines auf dem Boden landenden Schnullers werde ich mein Lebtag nicht mehr vergessen."

Jessica Valenti: Why have children?

Bleibt noch das neue Buch der US-amerikanischen Feministin Jessica Valenti. Auch sie hat mit "Why have kids" (New Harvest, 2012) ihre Mutterwerdung prosaisch verarbeitet, doch im Gegensatz zu den Vorgängern dieser Reihe beschäftigt sich das Buch hauptsächlich mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Eltern-Daseins.

Valentis These lautet, dass moderne Elternschaft und vor allem Mutterschaft mit "verführerischen Lügen", das heißt unerfüllbaren Erwartungen verbunden werde, die bei Realisierung des Kinderwunsches schlichtweg in Gefühlen von Unzufriedenheit, Unzulänglichkeit und Schuld münden müssen.

So hat sie je sechs "Lügen" und "Wahrheiten" über das Elterndasein formuliert, mit dem Ziel, Mütter und Väter von den vielen schädlichen Projektionen zu befreien. "Kinder machen dich glücklich" und "Mama weiß es am besten" ordnet die Autorin - Sie erraten es vielleicht schon - bei den Lügen ein.

"Why have children", bisher nur in den USA erschienen, ermuntert Eltern, sich von dem Kontroll-Zwang zu befreien, der verantwortungsvolle Eltern heute so sehr quäle (und den die Gesellschaft ihnen vorher durch diverse Angst-Diskurse eingeimpft hat) - in Sachen Bildung, Gesundheit und Persönlichkeit des Sprösslings.
Laut der feministischen Mutter müsse die Realität unserer Leben genügen, um Kinder großzuziehen. Der Versuch, einem medial produzierten Ideal hinterherzuhecheln, führe hingegen zu Unzufriedenheit, Scham und Schuld.

Das Buch hat den Anspruch, Elternschaft zu politisieren und bietet dabei zahlreiche Querverweise auf aktuelle sozialwissenschaftliche und pädagogische Erkenntnisse. Bei der Analyse der elterlichen Rolle fokussiert es allerdings auf den US-amerikanischen Raum, weshalb sich nicht alle Aspekte und Forderungen in unsere Gefilde übertragen lassen - etwa die Diskussion über bezahlten Mütterurlaub, der in den USA nicht gesetzlich geregelt ist. Fazit zu "Why have kids?": wenig Unterhaltung, dafür aber viel Geistesfutter zur Behirnung der alltäglichen Strapaze, Mutter bzw. Vater zu sein. (freu, dieStandard.at, 11.10.2012)