Mit einer mehrmonatigen Kampagne wollen die Mitglieder von Terre des femmes in Deutschland einen unbefristeten Aufenthaltstitel für Opfer von Zwangsprostitution erreichen.

Foto: Terre des femmes/Anna Hellman

Die Frauenrechtsorganisation Terre des femmes in Deutschland begeht den heutigen Europäischen Tag gegen Menschenhandel mit dem Start ihrer Kampagne "Aufenthaltsrecht für Opfer von Zwangsprostitution, jetzt!" auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor. Erstmalig wurde dort auch ihr Straßentheaterstück für Opfer von Zwangsprostitution aufgeführt.

Illegal eingereist

Opfer von Zwangsprostitution aus Nicht-EU-Staaten werden in Deutschland derzeit rechtlich als illegal eingereiste Ausländerinnen behandelt. Nur wenn sie bereit sind, vor Gericht gegen die TäterInnen auszusagen, können sie unter Umständen bis Ende des Strafverfahrens in Deutschland bleiben. Anschließend werden die Frauen in ihr Herkunftsland abgeschoben. 10.000 bis 30.000 Mädchen und Frauen werden jährlich zur sexuellen Ausbeutung nach Deutschland verschleppt.

"Frauen, die es geschafft haben, sich aus ihrer Zwangslage zu befreien, sind schwer traumatisiert und benötigen dringend Hilfe", sagt Vereinsvorsitzende Irmingard Schewe-Gerigk. "Ihnen muss aus humanitären Gründen ein unbefristeter Aufenthaltstitel in Deutschland erteilt werden, ohne den Zwang vor Gericht aussagen zu müssen." Zudem müsse den Betroffenen geeignete Betreuung und Entschädigung garantiert werden.

Unbefristeter Aufenthaltstitel gefordert

"Opfern von Zwangsprostitution muss ein unbefristeter Aufenthaltstitel erteilt und damit ihr Martyrium beendet werden", fordert auch Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin der Frauenrechtsorganisation. "Deutschland will vor allem die Täter verurteilen und benötigt dafür die Aussage der Betroffenen vor Gericht. Geboten wird den Frauen, die sich dadurch in Lebensgefahr begeben, nur eine vage Chance während des Prozesses in Deutschland zu bleiben."

Diese katastrophale Situation für Frauen aus Nicht-EU-Ländern sei eines Rechtsstaates, der den Menschenrechten verpflichtet ist, unwürdig und gehöre schnellstmöglich geändert. "Bei Frauenhandel handelt es um eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen. Die Betroffenen werden systematisch gedemütigt, vergewaltigt und erleiden massive Gewalt. Nur jedes 100. Opfer wird aus den Zwängen des Menschenhandels befreit", so Stolle. "Diese Frauen müssen unterstützt werden - ein sicheres Bleiberecht ist dafür die Grundvorraussetzung!"

16 Millionen Betroffene

Laut Schätzungen der UNO werden jährlich 16 Millionen Frauen Opfer von Menschenhandel. Deutschland stellt eines der Hauptzielländer dar. Um den prekären Lebenssituationen in ihren Heimatländern zu entfliehen, lassen sich tausende Frauen auf attraktiv erscheinende Arbeitsangebote in Deutschland ein. Der Handel mit der Ware Frau, beschere dem organisierten Verbrechen weltweite Gewinne von ca. 12 Milliarden Euro jährlich, so Terre des femmes. Diese Summen würden nicht zuletzt durch deutsche Freier erwirtschaftet, die den Markt durch ihre Nachfrage bestimmen.

"Es ist schockierend zu sehen wie diese Frauen zu einer Ware reduziert werden. Sie sind die Opfer während die Menschenhändler verdienen und die Freier sich über billige Angebote freuen. Ich bin entsetzt, dass sie bei einer Befreiung keine Unterstützung erfahren, sondern meist in ihr Heimatland abgeschoben werden", sagte eine Passantin, die das Straßenstück vor dem Brandenburger Tor mitverfolgte.

Unterschriftensammlung

Mit der Kampagne möchte Terre des femmes das Bewusstsein für die Lage der Betroffenen stärken und fordert zudem in einer Unterschriftensammlung eine Gesetzesänderung beim deutschen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ein.

Das Straßentheater zur Kampagne wird in den nächsten zwei Wochen durch 12 deutsche Städte touren, PassantInnen über Zwangsprostitution informieren und Unterschriften für das Kampagnenziel sammeln. Im März 2013 werden die Listen an den Bundesinnenminister übergeben werden. (red, dieStandard.at, 18.10.2012)