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Berufsheere sind nicht friedlicher, sondern gerade für interventionistische Einsätze optimiert, so Forscherin Gitti Hentschel.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Mehr als 120 Jahre ist es her, dass Bertha von Suttner in ihrem Hauptwerk "Die Waffen nieder!" den "Kriegsgeist als die Verneinung aller Gerechtigkeit" bezeichnete. In der Zwischenzeit sind schon viele Schützengräben von österreichischen Männern - und seit einigen Jahren auch von Frauen - gebaut worden. Die Rolle, die Frauen im Hinblick auf das Militär zukommt, wird in den Frauenbewegungen jedoch seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Vor allem in den 1980er- und 90er Jahren positionierten sich Frauenrechtlerinnen im deutschsprachigen Raum entweder als Pazifistinnen, um sich in Friedensbewegungen für Abrüstung und zivile Konfliktbearbeitung stark zu machen. Oder aber sie lehnten eine Reduzierung auf das Stereotyp der friedfertigen Frau bewusst ab und setzten sich für eine geschlechtergerechte Teilhabe innerhalb des Heeresapparates ein.

Dilemma

Für Frieden eintreten und das - ohnehin nicht reformierbare - Heer abschaffen? Oder sich in eines der wichtigsten Schaltzentren von Staat und Nation hineinbegeben und es geschlechtergerecht gestalten? Diese beiden Sichtweisen galten lange Zeit als unvereinbares feministisches Dilemma, fasst Gitti Hentschel, Leiterin des deutschen Gunda-Werner-Instituts für Frieden und Geschlechterdemokratie, zusammen. Heute allerdings gehe es in der Frauenpolitik verstärkt um einen sinnvollen Kompromiss zwischen der Forderung nach Entmilitarisierung bei gleichzeitiger Integration von Frauen in den Militärapparat: "Für manche Konflikte - etwa bei drohendem Völkermord - sind zivile Lösungen nicht ausreichend. Und zugleich sollen Frauen die Chance haben, genauso im Heer zu partizipieren - wenn sie das denn wollen."

Personalmangel

Die Möglichkeit, eine militärische Laufbahn einzuschlagen, gibt es für Frauen in Österreich seit 1998. Nur etwa 360 Soldatinnen zählt das Heer im Augenblick. Die Nachfrage nach Frauen wächst allerdings, weil Personalmangel herrscht. Schon in einer 2003 erschienenen Studie wies die Wirtschaftsforscherin Gudrun Biffl darauf hin, dass sich aufgrund demografischer Einbrüche spätestens mit dem Jahr 2012 die Zahl der männlichen Grundwehrdiener drastisch dezimieren würde. Eine verstärkte Rekrutierung von Frauen für den Heereseinsatz zeichnet sich also in jedem Fall ab - egal ob Wehrpflicht- oder Freiwilligenheer. Das bedeutet aber noch nicht, dass Frauen dieselben Karrierechancen im Heer vorfinden wie Männer.

Fehlende Gleichberechtigung

Österreichische Soldatinnen sind selten in hohen oder prestigereichen Positionen zu finden. Sie arbeiten beim Heeressport, im Sanitätsdienst oder den Akademien und Ämtern des Bundesheeres. Und sie sind - so eine Studie der Technischen Universität Wien - drei Mal so häufig wie ihre männlichen Kollegen von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen. Würde sich die Situation von Soldatinnen durch die Umstellung auf ein Berufsheer verbessern? Gitti Hentschel sieht darin keinen unmittelbaren Zusammenhang: "Gleichstellungspolitiken hängen nicht von der Form des Heeres ab. Das könnte man genauso im Wehrpflichtheer vorantreiben." Die Militärforscherin Saskia Stachowitsch sieht in dieser Frage vor allem die militärische Führungsebene gefordert: "Das Militär ist ja sehr hierarchisch organisiert. Es muss daher vor allem von oben deutlich gemacht werden, dass Diskriminierung nicht akzeptiert wird und Frauen ein gleichberechtigter Teil der Organisation sind." Insgesamt könnten mehr Frauen im Heer dazu führen, dass der Beruf der Soldatin "normal" werde, und damit zu höherer gesellschaftlicher Akzeptanz führen.

Frauen als Peacemakerinnen?

Personalmangel ist aber nicht der einzige Grund für die verstärkte Rekrutierungen von Frauen: Letztere sollen zukünftig noch stärker zu Friedenseinsätzen im Ausland herangezogen werden. Nationale wie auch UN-Missionen heften sich Gender Mainstreaming auf ihre Fahnen: "Da geht es einerseits um die Integration von Frauen in Friedenstruppen. Und andererseits um das Wirken auf die Geschlechterverhältnisse in den Gesellschaften, in die militärisch interveniert wird. Frauen werden im Hinblick auf solche Friedenseinsätze besondere Qualitäten zugeschrieben. Und das ist nicht unbedingt eine wünschenswerte Entwicklung", so Saskia Stachowitsch.

Das Bild der friedfertigen, de-eskalierenden Frau hält die Politikwissenschaftlerin, wie viele andere feministische Militärforscherinnen auch, für ein im Kern militaristisches Stereotyp, das den Gegenpol des männlichen Kämpfers stütze und zu einer klaren Arbeitsteilung zwischen Soldatin und Soldat führe. Auch Gitti Hentschel ist nicht davon überzeugt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen einer höheren Präsenz von Frauen am Einsatzort und dem Aufbau einer geschlechtergerechten Gesellschaft geben könnte: "Soldatinnen haben vielleicht oftmals die Chance, besseren Kontakt zu anderen Frauen in anderen Kulturen zu bekommen. Aber im Hinblick auf die Qualität dieses Kontaktes steht weniger das Geschlecht, sondern eine gendersensible und interkulturelle Ausbildung im Vordergrund."

Feministischer Sicherheitsbegriff

Neben Genderkompetenzen sei im Militär aber auch ein neuer Sicherheitsbegriff gefordert. Militärische Sicherheit meine in den meisten Fällen die Sicherheit des territorialen Nationalstaates, erläutert Stachowitsch: "Die feministische Forschung hat aber gezeigt, dass militarisierte Definitionen von Sicherheit eigentlich der tatsächlichen persönlichen Sicherheit der Zivilbevölkerung oft sogar widersprechen können."

Friedensforscherinnen wie Judith Ann Tickner fordern daher, die Sicherheit des Individuums in den Mittelpunkt zu rücken - definiert als die Abwesenheit von ökonomischer Ungerechtigkeit, Armut und Krankheit. Mit einem Sicherheitsbegriff wie diesem würden sich militärpolitische Fragen dann auch anders formulieren lassen, vermutet Stachowitsch: "Sind militärische Institutionen tatsächlich jene Instanzen, welche die besten Voraussetzungen für Peacekeeping mitbringen? Oder braucht es nicht mehr zivile Konfliktlösungsstrategien?"

Militarisierung von Konfliktlösungen

Das Ziel ziviler Konfliktpräventions- und Lösungsstrategien scheint durch ein Berufsheer nicht gerade näher zu rücken. Namhafte Wehrpflicht-Gegner wie Hannes Androsch sprechen offen aus, dass sie das Freiwilligenheer gerne auch in Nato-Einsätzen sehen würden. Auch Gitti Hentschel verweist das gerne bediente Bild vom Militär als schützende Instanz bei Katastropheneinsätzen oder in Friedensmissionen ins Reich der Wunschvorstellungen: "Wir sehen in Deutschland ja gerade wieder am Beispiel Afghanistan, dass die Realität eine andere ist: ein Geschäft des Militärs ist nunmal das Töten - mit allen traumatisierenden Folgen, die das auch für die SoldatInnen selbst haben kann." Die Wehrpflicht sei 2012 in Deutschland auch deshalb gefallen, weil man sich noch stärker und einsatzfähiger auf internationale Einsätze vorbereiten wolle, erläutert Hentschel: "Das Berufsheer soll schlagkräftiger und interventionistischer in Bezug auf andere Staaten sein - aber auch effektiver und kostengünstiger. Beide Behauptungen sind aber eher Fiktionen. Militärische Interventionen allein kosten Unsummen."

Gesellschaftliche Militarisierung

Trotz der Probleme, die sich durch ein Berufsheer auftun, halten aber weder Saskia Stachowitsch noch Gitti Hentschel eine Beibehaltung der Wehrpflicht für vertretbar: "Die Wehrpflicht hat - noch stärker als ein Freiwilligenheer - einen militarisierenden Effekt auf die Gesellschaft: es werden zwangsweise alle jungen Männer einer militärischen Logik und Ausbildung unterzogen", kritisiert Stachowitsch. Der jüngst wieder lauter gewordene Ruf nach Ausweitung des verpflichtenden Grundwehrdienstes auf Frauen würde diese Tendenz nur verstärken. "Es darf keine Beschränkungen für Frauen geben. Ich bin aber gegen jegliche Form der militärischen Verpflichtung - weder von Frauen noch von Männern", betont Hentschel. Dass Frauen auch in einem Freiwilligenheer um Anerkennung kämpfen müssten, steht für Saskia Stachowitsch außer Zweifel: "Das Militär wird sich durch eine Professionalisierung kaum in ein geschlechteregalitäres Paradies verwandeln." (Augusta Dachs, dieStandard.at, 24.10.2012)