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Dorothea Schittenhelms Argumente werden auch in der Wiederholung nicht richtiger

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Beim Thema Gleichbehandlung reagiert manche/r konservative österreichische PolitikerIn wie auf ein Hühnerauge: Der neue Schuh wird anprobiert, für passend befunden - erst kurz vor dem Zuschnüren wird laut gejammert.

Auf diese Art verhinderte die ÖVP schon vor zwei Jahren mehr Gerechtigkeit bei den Bestimmungen gegen Diskriminierung, in letzter Minute, vor der Abstimmung im Nationalrat. Und, wie sich dieser Tage herauskristallisiert, ist die Gefahr groß, dass es ihr auch heuer wieder so sein wird. Präziser: dass taktisch agierende ÖVP-interne GegnerInnen fairer Gleichbehandlungsregelungen die aktuelle Gleichbehandlungsgesetznovelle zuletzt doch noch kippen. Mit vorurteilsbeladenen und rückwärtsgewandten Argumenten, die völlig aus der Luft gegriffen sind - so, wie in diesem Blog schon im September stand.

Worum geht's? Derzeit riskiert zum Beispiel ein/e VermieterIn oder TürsteherIn eine Geldstrafe, wenn er/sie einem/r AusländerIn einen Mietvertrag oder Eintritt in die Disko verweigert, weil er/sie AusländerInnen als unerwünscht betrachtet:zu Diskriminierung aufgrund der "ethnischen Zugehörigkeit" bei Dienstleistungen ist untersagt.

Zu schwul, zu alt, zu christlich...

Hingegen kann ein/e VermieterIn Wohnungssuchenden in Österreich problemlos entgegenhalten: "Ich will keine Schwule in meinem Haus, denn immerhin leben hier ja auch kleine Kinder" - oder ähnlich Vorurteilsbeladenes. Denn damit bewegt er/sie sich voll auf dem Boden des Gesetzes. Ebenso ist es legal, wenn dem/der VermieterIn der potenzielle Mieter "zu alt" oder "zu jung" ist, politisch „zu links" oder "zu rechts", "zu christlich", "zu unchristlich" oder auch "zu muslimisch". Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, des Alters, der Weltanschauung und der Religion bei Dienstleistungen ist erlaubt - und die Dienstleistungspalette insgesamt ist bekanntlich breit.

Dieser Ungleichbehandlung bei der Gleichbehandlung soll durch das so genannten levelling up ein Ende gemacht werden: der Angleichung der Antidiskriminierungsregeln für sämtliche soziale Gruppen. So wie es in der EU bereits in Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Irland, Großbritannien, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien und Ungarn der Fall ist. So wie es der UNO-Menschenrechtsrat von Österreich bei der periodischen universellen Menschenrechtsüberprüfung im Jänner 2011 verlangt hat.

Letzteres war ein Jahr vor dem Kippen des ersten Verbesserungsanlaufs. Dafür hatte der Sozialrechtler Theodor Tomandl 2010 den Anstoß gegeben. Wirtsleute, die sich auf SeniorInnen als Kundschaft spezialisiert hätten, würden durch das levelling up gezwungen, Kinderjausen und Familientafeln auszurichten - und katholische AnwältInnen müssten AtheistInnen verteidigen, behauptete er. Er wurde breit zitiert, wenige Woche später war die Gleichheit bei der Antidiskriminierung tot.

Geschäfte unter Zwang?

Heuer nun, beim zweiten levelling-up-Anlauf, mischte sich am letzten Oktobertag plötzlich ÖVP-Frauenvorsitzende Dorothea Schittenhelm in die Diskussion ein: UnternehmerInnen könnten nach der Novelle zu Geschäften mit bestimmten Menschengruppen gezwungen werden, meinte sie: "Etwa wenn ein Anwalt aus Glaubensgründen nicht jemanden vertreten möchte, der gegen eine Kirche prozessiert. Oder auch eine Hotelbesitzerin keine jungen Gäste haben möchte, weil sie sich auf Seniorinnen und Senioren spezialisiert hat, könnte Probleme bekommen". 

Woher sie das wohl hat? Und so spät im Entscheidungsprozess noch dazu! Ein Schelm, er Böses dabei denkt - denn in der Begutachtung hatten alle Involvierten seit Sommer genug Zeit, um sich ein Bild zu machen. Und am Ende hatten die Sozialpartner der Gleichbehandlungsgesetznovelle zugestimmt, Wirtschaftskammer inklusive.

Zudem werden Schittenhelms Argumente auch in der Wiederholung nicht richtiger. Denn Fakt ist, dass besagte Gleichbehandlungsnovelle, neben dem levelling up, auch einen langen Abschnitt mit "Ausnahmebestimmungen" beinhaltet. Auf dass SeniorInnenjausen SeniorInnenjausen bleiben dürfen. Und besagte/r AtheistIn wäre unter keinem Gesetz gut beraten, wenn er/sie sich im Verfahren gegen eine Kirche just eine/n kirchennahe/n VerteidigerIn aussucht... 

Laut Plan sollte die Gleichbehandlungsnovelle samt levelling up eigentlich am kommenden Dienstag, den 6. November, den Ministerrat passieren. Schittenhelms Wortspende und das Wissen, was vor zwei Jahren geschah, lassen eine Verschiebung nicht ganz unwahrscheinlich erscheinen. Doch wenn die ÖVP das Ende der Diskriminierung bei der Antidiskriminierung auch diesmal wieder zu verhindern wüsste: Es wäre eine österreichische Menschenrechtsblamage der gröberen Sorte. (Irene Brickner, derStandard.at, 3.11.2012)