Im Kampf für die Rechte von Sexarbeiterinnen vernetzen sich AktivistInnen über Nationalgrenzen hinweg.

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Ende der 1990er Jahre schlossen sich in Deutschland Sexarbeiterinnen und Beratungsstellen für Prostituierte zusammen, um sich gemeinsam über die rechtliche Situation in der Sexarbeit auszutauschen. Aus diesen regelmäßig stattfindenden "Hurenkongressen" ist vor drei Jahren die Organisation Bufas (Bündnis der Fachberatungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter) hervorgegangen.

Thematische Kontinuitäten

Jedes Jahr organisiert Bufas eine mehrtägige Konferenz, die sich an SexarbeiterInnen, Fachberatungsstellen und die interessierte Öffentlichkeit richtet. Ziel von Bufas ist die nachhaltige Verbesserung der Arbeits-und Lebensbedingungen von SexarbeiterInnen, neben ihrer rechtlichen und sozialen Gleichstellung mit anderen Erwerbstätigen sowie der Entkriminalisierung bzw. Entstigmatierung von Sexarbeit.

Damals wie heute ähneln die diskutierten Themen einander: "Arbeitserschwerende Sperrgebietsverordnungen, Krankenversicherungsschutz für Prostituierte, Migrantinnen in der Sexarbeit, Besteuerung, die Einordnung von Prostitution als selbständige Tätigkeit oder Gewerbe, die Möglichkeit der abhängigen Beschäftigung in der Prostitution etc.", wie etwa Mimikry, eine Beratungsstelle für anschaffende Frauen in München, feststellt.

Die Entwicklung von den Hurenkongressen hin zur Bufas-Fachtagung ging jedoch nicht ohne Widersprüche vonstatten: "Der Fokus hat sich verschoben. Es waren immer mehr Beratungsstellen und immer weniger Sexarbeiterinnen präsent", erzählt Gergana Mineva, "Sexarbeiterinnen wurden zunehmend aus der Tagung ausgelagert." Mit der Organisierung eines vorlaufenden "Sexworker Only Day", deren Ergebnisse in die anschließende Tagung einfließen, wurde dieses Dilemma zumindest teilweise aufgelöst.

Sex & Work

In diesem Jahr stand die Bufas-Tagung, die Mitte November in Bochum stattfand, unter dem Motto "SexarbeiterInnen willkommen in Europa?!". Mehrere Tage lang erörterten ExpertInnen die Lage von SexarbeiterInnen in Europa, darunter auch Gergana Mineva, Mitarbeiterin beim Migrantinnen-Verein maiz in Linz.

Sexarbeit stellt bei maiz einen zentralen Arbeitsbereich dar - denn rund neunzig Prozent der Frauen, die in Oberösterreich in der Sexarbeit tätig sind, sind Migrantinnen. Trotz der teils unterschiedlichen Rechtslagen in den jeweiligen Ländern sei die Teilnahme an der Bufas-Tagung auch für österreichische VertreterInnen nützlich: "Für den Kampf für die Rechte von Sexarbeiterinnen ist Vernetzung wichtig, und die Tagung bietet hierzu gute Möglichkeiten innerhalb des deutschsprachigen Raums", erklärt Mineva. Und: Aus den Erfahrungen im Nachbarland ließe sich auch einiges lernen. 

Im April 2012 entschied der hiesige Oberste Gerichtshof, dass Verträge über sexuelle Dienstleistungen nicht mehr nicht per se sittenwidrig sind. Die konkreten Rechtsfolgen des OGH-Urteils sind allerdings noch ungeklärt. "Deutschland ist in dem Zusammenhang liberaler. Dort wurde die Sittenwidrigkeit bereits 2002 de facto aufgehoben. Aber: Es gibt viele Landeskompetenzen, die das wieder einschränken. Klar ist, dass hier die Erfahrungen von Sexarbeiterinnen einbezogen werden müssen, man kann nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden."

"Sexualdienstleistung" statt "Prostitution"

In Oberösterreich, von wo aus der Verein maiz agiert, ist mit Ende September das neue sogenannte Sexualdienstleistungsgesetz in Kraft getreten. Dem Gesetz ging eine mehrjährige Diskussionsphase voraus, in der sich zahlreiche NGOs wie auch maiz mit Stellungnahmen eingebracht hatten. Bislang war Sexarbeit im Bundesland im Polizeistrafgesetz geregelt - dass es nunmehr ein eigenes Gesetz gibt, das zudem den stigmatisierenden Begriff "Prostitution" durch "Sexualdienstleistung" ersetzt, sei vorerst begrüßenswert, so maiz. Die vorgebliche Intention des Gesetzes, nämlich die Verbesserung der Arbeits- und Lebenssituation von Sexarbeiterinnen, hat sich jedoch noch nicht bewiesen, wie Mineva sagt: "Es hält nicht das, was es verspricht. Für die Sexarbeiterinnen gibt es viele Pflichten. Die Ausübung der Tätigkeit in Wohnungen bleibt verwehrt, dabei ist es eine der selbstbestimmtesten Arten von Sexarbeit, weil die Frauen ihre Einnahmen nicht teilen müssen, wie etwa in Laufhäusern."

Europäische Perspektiven

Bezüglich der Situation in Deutschland ging es bei der Tagung insbesondere um die Auswirkungen des "Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten" - oder kurz: ProstG -, das am 1. Jänner 2002 in Kraft trat. Bereits 2007 stellte eine Studie der deutschen Bundesregierung, die das ProstG einer Evaluierung unterzog, nüchtern fest: "Hinsichtlich der Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Prostitution konnten kaum messbare positive Wirkungen in der Praxis festgestellt werden." Die Zielsetzungen es Gesetzgebers - unter anderem Sexarbeiterinnen die Einklagbarkeit ihres Lohns zu sichern oder den Zugang zur Sozialversicherung zu erleichtern - wurden demnach nur zu einem begrenzten Teil erreicht. 

Stark beeinflusst wurde die Situation hingegen von der EU-Osterweiterung seit 2007: Viele Frauen (und Männer) aus den Beitrittsländern hätten in der Prostitution in den reicheren Staaten Westeuropas legale Möglichkeiten gefunden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, so die Meinung der ExpertInnen. Vor allem Deutschland oder die Niederlande seien wegen ihrer liberalen Politik attraktiv, zumal es hier eine entwickelte Infrastruktur in der Sexindustrie sowie unterstützende Organisationen gibt. Zugleich zeige sich das Mehr an Anbieterinnen vor allem in der (illegalisierten) Straßenprostitution, gegen die einige Städte - wie auch Wien - jedoch massive Verdrängungskampagnen führen. Auch unter diesem Gesichtspunkt wird deutlich, dass der Kampf für die Rechte von Sexarbeiterinnen über die Ländergrenzen hinweg geführt werden muss. (viyu, dieStandard.at, 26.11.2012)