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Sprachliche oder auch symbolische Anerkennung von Frauen lässt sich vielseitig und kreativ umsetzen. Das berühmte Berliner "Ampelmännchen" bekam 2004 sein Pendant, das "Ampelfrauchen".

Foto: APA/dpa/Jens Wolf

"Rose is a rose is a rose is a rose", schrieb Gertrude Stein in "Sacred Emily" 1913. Eine Rose ist und bleibt eine Rose, niemand würde auf die Idee kommen, sie Primel zu nennen, oder Nelke oder sonst einen Namen für sie erfinden. Oder sie als DER Rose titulieren. Das wäre nicht nur grammatikalisch falsch, sondern auch lächerlich. Nicht so in der menschlichen Gattung: Hier gilt das Absurdum als Norm, dass Weibliches durch die Sprache männlich wird. Gesagt wird das aber nicht, sondern so getan als sei die rein männliche Sprachform "neutral" und geschlechtslos. Normal und ganz "natürlich" und absolut nichts Frauen Diskriminierendes. Sie seien doch "mitgemeint", die Frauen, argumentieren jene, die in der gendergerechten Sprache eine Verstümmelung des Deutschen, Binnen-I-Wortgetüme und Sprachmonster orten, die einfach nur dumm, nutz- und sinnlos seien.

"Doppeltgemoppelt - eine Verhöhnung"

Eine dieser GegnerInnen ist Karin Fleischanderl. In ihrem Kommentar "Warum muss ich ständig mit der Schnauze darauf gestoßen werden, dass ich eine Frau bin?" (in der STANDARD-Album-Reihe "Ich frage mich" vom 17. November) macht sie ihrer Aversion gegen die weibliche Sprachform in einer Art und Weise Luft, als sei die Bezeichnung "Frau" eine Zumutung, Beschimpfung und Degradierung. Und tatsächlich würde Frau Fleischanderl - oder sollten wir sie besser mit Herr Fleischanderl ansprechen - ihre Geschlechtsidentität am liebsten abstreifen, wie sie schreibt, die aber "klebt an mir wie ein nasses Hemd". "Frau Doktorin" sei eine "sprachliche Monstrosität ... alleine das Doppelgemoppelte" klinge wie eine "Verhöhnung", dadurch mutiere sie zu einer "Frau hoch zwei, eine Frau zur Potenz". Während ihr Ehemann mittels Binnen-I - zumindest akustisch - eine Frau werde, müsse sie selbst sich ebenso dauernd sagen lassen, eine Frau zu sein, klagt sie: "Eine Frau, eine Frau, eine Frau, wo mich doch niemand ... und schon gar nicht das Binnen-I ... von den offenkundigen Nachteilen des Frauseins befreien kann...".

Herrschaftsimmanente Unsichtbarkeit

Das zu erwarten, Frau Fleischanderl, ist nicht nur vollkommen absurd, es entbehrt auch der Kenntnis herrschaftsrelevanter Zusammenhänge und historischer Fakten. Natürlich kann "gendergerechte" Sprache allein Geschlechterherrschaft nicht tilgen. Sie ist lediglich ein Instrument unter vielen, um auf die Dominanz des männlichen Prinzips und dessen Unrecht zu verweisen. Jedoch ein wesentliches, wie die Geschichte zeigt. Bis sich nämlich die erste Frauenbewegung im 19. Jahrhundert den Rechten von Frauen angenommen hat, waren sie tatsächlich "unsichtbar" (gemacht worden) und durften am öffentlich-politischen Leben nicht teilnehmen. Bürger waren ausschließlich Männer, das heißt, Frauen wurden nicht einmal in der männlichen Form "mitgedacht".

Gemeinsam mit Kindern und Schwachsinnigen wurden sie als eine Kategorie der Unmündigen jenseits der Bürger determiniert. Sie beziehungsweise wir wären wahrscheinlich bis heute rechtlos, keine Bürgerinnen, nicht einmal Bürger, ohne Wahlrecht und auch "privat" der männlichen "Obhut" ausgeliefert wie Dinge oder Tiere, hätten sich Feministinnen von damals bis heute nicht gescheut, die Herrschaft über Frauen sichtbar zu machen, sie zu benennen. Dass dazu auch die symbolischen Ordnungen wie Sprache gehören, sollte sich eigentlich von selbst verstehen.

Als 1988 vom damaligen Arbeitsministerium die "Linguistischen Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Mann und Frau im öffentlichen Bereich" herausgegeben wurden, war das ein - wenn auch kleiner - Erfolg auf dem langen Weg zur Anerkennung von Frauen. Ein Zeichen des Ernstgenommenwerdens, eine Annäherung zur Gleichwertigkeit. Wie viel mühselige Arbeit von den Anfängen der Frauenbewegung (die es genau genommen in der Geschichte bereits vor der Bürgerlichen Revolution schon öfter gegeben hat) nötig war und wie viel an Verhöhnung und Häme Feministinnen von damals bis heute hinnehmen mussten, teilweise mit Anzeigen und Kerkerstrafen, manchmal sogar unter Opferung ihres Lebens, kann in unendlichen Publikationen nachgelesen werden.

Spiel mit der Umkehrung

Und so frage ich mich, warum Frauen wie Karin Fleischanderl als Männer tituliert werden wollen. Wieso es noch immer nur wenige erzürnt, nicht als das DIE bezeichnet zu werden, die sie sind: Ja, eine Frau ist eine Frau ist eine Frau. Oder umgekehrt gefragt: Welcher Mann würde es so einfach hinnehmen, zumindest sprachlich eine Frau zu sein?

Außerdem beschwert sich kein Mann darüber, als "Herr Doktor" ein "Mann hoch zwei, ein Mann zur Potenz" zu sein. Wenn also Karin Fleischanderl den Titel "Frau Doktorin" als "doppeltgemoppelte Monstrosität" ablehnt, könnte nach dieser Logik ihr Mann genauso gut als "Frau Doktor" oder "Herr Doktorin" benannt werden. Denn sprachlich bleibt sein Mannsein dabei in jeder Form vorhanden, einmal als Doktor und einmal als Herr. Wenn das nicht logisch ist! (Dagmar Buchta, dieStandard.at, 27.11.2012)