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Für die meisten Schwangeren und Mütter in Not bleibt es ein täglicher emotionaler Kampf, wieder auf die eigenen Beine zu kommen und dabei auf Hilfe von außen angewiesen zu sein. Die Wohnungsnot verstärkt den psychischen Druck.

Foto: APA/Gindl

Das Schlimmste sei das Gefühl, ihrer Tochter kein Zuhause schaffen zu können, sagt Jana M.* Einen kinderfreundlichen Ort, an den sie sich zurückziehen können, und vor allem: den sie sich leisten kann. Die junge Mutter lebt seit einem Jahr von ihrem Ex-Freund getrennt, aber mangels Geld und Alternativen noch immer in derselben Wohnung mit ihm.

"Als ich im fünften Monat schwanger war, ist die Beziehung zerbrochen", schildert sie. Jana M. verließ ihren Freund, hatte Hoffnung, dass sie doch noch eine Familie werden und ging wieder zurück. "Mein größter Fehler", sagt sie im Nachhinein, denn: "Seit das Baby da ist, bin ich von ihm und seinen Launen abhängig. Er ist unzuverlässig und einmal schlug er auch zu." Ihre FreundInnen und Verwandten wohnen weit weg, außer dem Kindesvater hat sie niemanden für die Kinderbetreuung. Anspruch auf eine Sozialwohnung hat sie nicht und alleine kann sie sich keine Wohnung auf dem freien Markt leisten. Derzeit arbeitet sie geringfügig im Gastgewerbe, wo sie auch vor der Schwangerschaft tätig war. "Solange ich in Karenz bin, kann ich nicht genug dazuverdienen. Und das Karenzmodell wechseln, das geht ja im Nachhinein nicht mehr."

Prekäre Gruppe

Frauen wie Jana M. stellen für Beratungseinrichtungen für alleinstehende Schwangere und Mütter eine besondere Gruppe dar: Frauen, die gut alleine für sich und ihr(e) Kind(er) sorgen könnten, aber durch Trennung oder andere Probleme während oder kurz nach der Schwangerschaft in eine finanzielle und wohnliche Notsituation geraten. Mütter, die nach der Geburt kurzfristig Unterstützung brauchen, bis sie wieder arbeiten und sich selbst erhalten können. Eine Gemeindewohnung bekommen sie nicht, weil sie kein Bezugskriterium erfüllen, wie zum Beispiel zweijähriger Hauptwohnsitz in Wien. Für einen betreuten Wohnplatz sind sie zu wenig bedürftig. Mutter-Kind-Heime sind überfüllt und haben lange Wartelisten.

Wohnungsnot als "unlösbares Problem"

"Bei der Wohnungsnot stehen wir vor einem unlösbaren Problem", bestätigt Martina Kronthaler vom Verein "Aktion Leben", der Schwangere und Familien in Not betreut. Mindestens jede zweite Frau, die sich an den Verein wendet, hat auch ein Wohnungsproblem: "Geht die Beziehung in die Brüche, steht die schwangere Frau oft auf der Straße oder muss die gemeinsame Wohnung plötzlich alleine bezahlen. Eltern verweisen schwangere Töchter des Hauses, schwangere Studentinnen müssen Wohnheime verlassen." Für viele ihrer Klientinnen sind die Mieten am freien Wohnungsmarkt aber nicht mehr leistbar.

Der überteuerte Wohnungsmarkt führe auch zu verdeckter Wohnungslosigkeit, die viele Betroffene zwingt, vorübergehend bei Bekannten, Freunden oder Verwandten unterzukommen oder in Gewaltbeziehungen zu bleiben, um ein Dach über dem Kopf zu haben.

Mietvertrag als Hürde

Schon die Hürden, einen Mietvertrag für eine eigene Wohnung zu bekommen, sind enorm, da vorab meist drei Monatsmieten Kaution und die Maklerprovision aufgebracht werden müssen. "Immer wieder zögern Vermieter auch bei der Vergabe des Wohnraums an schwangere Frauen, weil sie fürchten, andere Mieter könnten sich vom Kinderlärm später gestört fühlen oder dass die Frau ihre Miete nicht aufbringen wird können", schildert Kronthaler.

Enttäuschte Hoffnungen

Diese Erfahrung hat auch Barbara K.* gemacht: Die gelernte Grafikerin wohnt mit ihrer eineinhalbjährigen Tochter in einer dunklen, nur teilweise beheizbaren 36-Quadratmeter-Wohnung um 310 Euro. Ihr Einkommen besteht derzeit aus Familienbeihilfe, Kindergeld und Mindestsicherung. Ihr Vater hätte ihr den Finanzierungsbeitrag für eine Genossenschaftswohnung geliehen, damit sie mit ihrer Tochter aus der zu kleinen, kalten Wohnung ausziehen kann. "Fast hätte es auch geklappt. Aber dann verlangte die Genossenschaft den Nachweis eines monatlichen Mindesteinkommens von rund 1.200 Euro, das ich nicht habe. Das war ihnen zu unsicher und wir haben die neue Wohnung, in die ich so viel Hoffnung setzte, doch nicht bekommen." Dabei würde sie schon in ein paar Monaten, wenn ihre Tochter im Kindergartenalter ist, wieder Arbeit suchen und das Geld aufbringen können, sagt sie. "Aber ich habe das Gefühl, ich bekomme keine Chance."

Lange Wartelisten – und keine Wohnungen

Während ihrer Schwangerschaft half Barbara K. der gemeinnützige Verein "Immo humana" bei der Wohnungssuche. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, schwangeren alleinstehenden und alleinerziehenden Frauen zu helfen, indem er mit Haus- oder Wohnungsbesitzern zusammenarbeitet, die Wohnräume zu günstigen Mietpreisen zur Verfügung stellen. Aber auch hier ist die Warteliste bereits endlos lang, sagt Vereinsgründer und -obmann Georg Slawik: "Wir haben derzeit viel mehr Mütter, die suchen, als wir Wohnungen anbieten können, sodass wir manche auch wieder wegschicken müssen. Für viele sind wir die letzte Anlaufstelle, aber es gibt zur Zeit einfach kaum erschwingliche Wohnungen am Markt."

Dem Jugendamt sind in solchen Fällen ebenso die Hände gebunden. "Wohnungen haben wir keine. Wir können nur beraten, Ansprüche und finanzielle Möglichkeiten abklopfen oder, bei Frauen, die selbstständig wohnen können, eine Wohnungsbefürwortung für die soziale Wohnungsvergabe ausstellen", sagt Eveline Holzmüller, diplomierte Sozialarbeiterin beim Amt für Jugend und Familie (MA 11) der Stadt Wien. Aber auch sie weiß: "Die Wartezeiten in der Wohnungsvergabe sind lang."

Leistbare Übergangslösungen erwünscht

Auch Anna Millauer, Beraterin im Hilfsfonds für Schwangere der St.-Elisabeth-Stiftung der Erzdiözese Wien, bezeichnet den aktuellen Wohnungsmarkt in Wien als "Albtraum": "Es bräuchte eigens geschaffene Häuser mit kleinen Wohnungen, in denen betroffene, eigenständige Frauen ein bis zwei Jahre zu günstigen Mietpreisen mit ihren Kindern leben können." Aber: "Schnell verfügbare, leistbare Übergangswohnmöglichkeiten in geschütztem Raum, bis die Situation wieder besser ist, die gibt es nicht", sagt Brigitte Schiansky, diplomierte Sozialarbeiterin und Leiterin des Mutter-Kind-Hauses der St.-Elisabeth-Stiftung in der Wiener Arbeitergasse. Hilfestellung sei derzeit stark an den Betreuungsbedarf gekoppelt. "Wie tief muss ich erst auf der sozialen Leiter hinabsteigen, um Anspruch auf Hilfe zu haben?", hinterfragt Schiansky. "Wenn man Kriterien nicht erfüllt, fällt man dann durch das soziale Netz?"

"Die Stadt Wien und der Bund sind gefragt, Wohnen wieder erschwinglich zu machen. Die privaten Vereine können dieses Problem nicht lösen", appelliert Martina Kronthaler an die Politik. Der Verein fordere schon seit langem einen Hilfsfonds für genau diese Gruppe Frauen. Mit einem eigenen Fonds hätten die Frauen zumindest einen Rechtsanspruch auf Überbrückungshilfe für ein bis zwei Jahre.

Täglicher emotionaler Kampf

Für Jana M. und Barbara K. bleibt es ein täglicher emotionaler Kampf, wieder auf die eigenen Beine zu kommen und dabei auf Hilfe von außen angewiesen zu sein: "Ich will keine Bittstellerin mehr sein, sondern ein normales Mitglied der Gesellschaft und etwas einbringen", sagt Barbara K. Das Ansuchen um Mindestsicherung war für sie "der bisher schlimmste Schritt".

Auch Jana M. ist froh, wenn sie nach der Karenz wieder arbeiten kann und nicht mehr die privaten Vereine um Hilfe abklappern muss. "Ich möchte meiner Tochter doch nur einen Ort der Kontinuität und Sicherheit bieten. Ich hätte nicht gedacht, dass das bei uns in Österreich so schwierig ist." (Isabella Lechner, dieStandard.at, 3. Dezember 2012)

*Namen von der Redaktion geändert