Apokalypse Baby

Nichts für schwache Nerven: Der aktuelle, 2012 auf Deutsch erschienene Roman der Französin Virginie Despentes ist schnell, aggressiv, scharfsichtig und unglaublich deprimierend.

"Apokalypse Baby" erzählt die Geschichte des pummeligen Teenagers Valentine. Von ihrem wohlhabenden Elternhaus vernachlässigt, verschwindet sie eines Tages. Die Familie setzt ein ungleiches Detektivinnen-Paar auf ihre Fährte und muss am Schluss erleben, mit welcher Brutalität sich der Schmerz ihrer Tochter über die Falschheit der Welt auf sie überträgt.

Für ihren nunmehr siebten Roman hat Despentes, das einstige Enfant Terrible der französischen Literaturszene, den begehrten Prix Renaudot erhalten. Die Autorin drückt sich darin weit weniger derb aus als beispielsweise in ihrem Debut "Baise moi", dafür seziert sie umso schärfer die sozialen und psychologischen Abgründe der französischen Mittelschicht. Ein Lesegenuss für FreundInnen des gepflegten Nihilismus! (freu)

Virginie Despentes: Apokalypse Baby
Berlin Verlag 2012
ISBN: 978-3827010216

Foto: Berlin Verlag

Super-Wanda!

Wanda ist rund wie eine Christbaumkugel und hasst schwimmen. Wenn sie ins Wasser springt, macht sie riesige Fontänen und die dünnen Mädchen spotten: "Wanda Walfisch dick und rund, Wanda Walfisch hundert Pfund!" Der Schwimmlehrer zeigt der kleinen Außenseiterin einen Trick - es lebe die Kraft der Gedanken! - und schon bald meistert Wanda die kniffligsten Situationen. Doch eine Herausforderung wartet noch auf die kleine Heldin: der Sprungturm im Schwimmbad ... 

Ein kluges und witziges Kinderbuch vom Schweizer Autor Davide Cali und der russischen Illustratorin Sonja Bougaeva - empfohlen für Wandas und Nicht-Wandas ab fünf Jahren. (viyu)

Davide Cali, Sonja Bougaeva: Wanda Walfisch
Atlantis im Orell Füssli 2010
ISBN: 3-7152-0605-5

Foto: Atlantis Verlag

Pink doesn't stink

Die beiden 6-jährigen Erstklässler Ida und Paul sind beste Freunde. Ida hat nervige Eltern, Paul dafür Angst im Dunkeln. Als Pauls links-alternative Eltern ihm rosa Turnschuhe kaufen (Papas Worte: "Rosa Schuhe für Jungs sind überhaupt kein Problem. Gleiche Rechte für alle"), gibt es mächtigen Ärger. Denn schon bald machen King und Kong, zwei Jungs aus der dritten Klasse, Jagd auf Paul - bis sich das Blatt überraschend wendet.

Mikael Engström, populärer Kinder- Jugendbuchautor aus Schweden, und die erfolgreiche Illustratorin Helena Willis haben ein überaus amüsantes Kinderlesebuch kreiert, das nicht nur mit Gender-Stereotypen jongliert, sondern auch von Solidarität und Freundschaft erzählt. (viyu)

Mikael Engström, Helena Willis: Ida, Paul und die fiesen Riesen aus der Dritten
Hanser Verlag 2012
ISBN: 3-446-23890-5

Foto: Hanser Verlag

Frauen, die denken, sind gefährlich und stark

In dem großformatigen Fotoband werden 30 bekannte und weniger bekannte Frauen aus aller Welt vorgestellt, die als Vordenkerinnen, Frauenrechtlerinnen oder Rebellinnen mutig und allen Widerständen zum Trotz die Welt verändert haben. Und manchmal für ihre Ziele und Ideale ihr Leben lassen mussten.

Autor Stefan Bollmann porträtiert nonkonforme Frauen wie Bertha von Suttner und Hannah Arendt, begibt sich auf die Spuren der ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja und Simone de Beauvoirs und zeichnet die aufstrebenden Polit-Karrieren von Margaret Thatcher oder Aung San Suu Kyi nach. Alice Schwarzer und Lise Meitner werden ebenso in Wort und Bild präsentiert wie Schimpansenforscherin Jane Goodall oder Pionierin Marie Curie. (isa)

Stefan Bollmann: Frauen, die denken, sind gefährlich und stark
Elisabeth Sandmann Verlag 2012
ISBN:
978-3-938045-70-1

Cover: Elisabeth Sandmann Verlag

Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste

Claudia Lanfranconi hat 19 prominente Gastgeberinnen des 19. und 20. Jahrhunderts und deren Dinnergesellschaften in einem Bildband porträtiert. Von blauen Spaghetti und Kalbfleisch in Goldfolie ist darin genauso zu lesen wie von edlen Roben und Haute Couture und dem außergewöhnlichen Talent dieser Frauen, großartig zu feiern.

Die schillernden Frauenpersönlichkeiten wussten, wie man sich einen glanzvollen Auftritt verschafft: Bei den intellektuellen Salonièren wie Journalistin  Berta Zuckerkandl und Designerin Elise de Wolfe gingen geistige Eliten, SchauspielerInnen und SchriftstellerInnen aus und ein. Die "oberen Zehntausend" scharten sich um einflussreiche Frauen wie Jackie Kennedy oder die Fürstin zu Sayn-Wittgenstein.

Ein eigenes Kapitel ist kreativen Frauen wie der Malerin Frida Kahlo oder der Fotografin Lee Miller gewidmet, die nicht nur bei ihrer Arbeit, sondern auch bei Blumendekor und Tischschmuck Wert auf künstlerische Extravaganz und Design legten. (isa)

Claudia Lanfranconi: Legendäre Gastgeberinnen und ihre Feste
Elisabeth Sandmann Verlag 2012
ISBN: 978-3-938045-69-5

Cover: Elisabeth Sandmann Verlag

Frauen an der Macht in Faguas

Gioconda Belli lässt in "Die Republik der Frauen" Unerhörtes geschehen: Mithilfe eines Vulkanausbruchs, der bei Männern einen starken Testosteron-Rückgang auslöst, entreißen die Frauen der "Partei der Erotischen Linken" den rückständigen Machos die Macht.

"Aus all den schlechten Männern, die wir gehabt haben, kann man nicht einen guten machen. Deshalb sagen wir Frauen: SCHLUSS DAMIT!", erfährt die Leserin im Manifest der Partei. Schließlich ziehen die Frauen alle Bereiche des öffentlichen Lebens an sich. Nur mit drastischen Methoden sei Gleichberechtigung erreichbar, ist sich Präsidentin Viviana Sansón sicher. Das Land blüht auf, auch Männer sind überzeugt, aber nicht alle: Durch ein Attentat wird die Präsidentin niedergestreckt. Doch selbst das Koma kann die Revolutionärin Viviana nicht aufhalten.

Es ist schnell enträtselt, dass das utopische Faguas, ein Land mit "hohen feuerspeienden Bergen", Nicaragua nachempfunden ist - Gioconda Bellis Heimat. Auch in ihrem Debütroman "Bewohnte Frau" tarnt sie Nicaragua durch Fargas. Belli gehörte während der Revolution in den 1980er-Jahren der geheimen "Partei der Erotischen Linken" an, und weckt mit ihrem jüngsten Experiment den Wunsch nach realer feministischer Politik. (eks)

Gioconda Belli: Die Republik der Frauen
Droemer Verlag 2012
ISBN: 978-3-426-19915-2

Foto: Droemer Verlag

Tyrannei des Mannes

Die sexuelle Revolution ist gescheitert, resümierte die US-amerikanische Feministin Kate Millett bereits in den 1960ern. Daraus ergaben sich für die feministische Denkerin zwei Fragen, die sie in "Sexus und Herrschaft - die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft" niederschrieb: Die Frage nach der Funktion der Sexualpolitik, und die Frage nach den inneren Fesseln.

Millett zufolge sind die natürlichen Geschlechtsunterschiede zum Ausgangspunkt einer "inneren Kolonisation" des einen Geschlechts durch das andere geworden, wobei dem untergeordneten Teil jene Aufgabe und Eigenschaften attribuiert werden, die in der Werte- und Leistungswelt der dominierenden Gruppe keinen Platz haben. Das Patriarchat deutet sie als politische Institution, die sich durch die Geschichte hindurchzieht. Konsequent ist dann, dass Millett die Kategorien Herrschaft und Unterwerfung auch im scheinbar Privatesten als den "Prototyp aller institutionellen Ungleichheiten" beschreibt: Der "Koitus als Mikrokosmos der Kultur" und Sex als "Rangkategorie mit politischem Unterton".

Belegmaterial für ihre These, die die angelsächsische Frauenbewegung enorm radikalisierte, holte sich Millett zum einen bei sympathisierenden Theoretikern wie John Stuart Mill und Friedrich Engels, oder deren historischen Gegenspielern John Ruskin und Sigmund Freud. Nach der Erstveröffentlichung (1969) der philosophischen Streitschrift war "Sexus und Herrschaft" monatelang auf der Bestsellerliste, inzwischen ist es ein Standardwerk feministischer Literatur und immer wieder wert, gelesen zu werden. (eks)

Kate Millett: Sexus und Herrschaft - Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft
Deutscher Taschenbuch Verlag, 1971
ISBN: 3-423-00973-x

Foto: Deutscher Taschenbuch Verlag