Es ist ein alter Hut und den Tirolerinnen reicht es nun: Sie wollen Schwangerschaftsabbrüche auch in öffentlichen Krankenhäusern gesichert wissen. Denn auch 37 Jahre nach der Fristenregelung gibt es für Frauen in Tirol keine Möglichkeit, in öffentlichen Spitälern einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Für Frauen in Schwangerschaftskonflikten heißt das: Sie müssen entweder nach Deutschland oder in das benachbarte Bundesland Salzburg reisen. Jene, die sich den Schwangerschaftsabbruch-Tourismus ersparen wollen, haben in Tirol in drei gynäkologischen Privatpraxen die Möglichkeit, einen Abbruch durchführen zu lassen. Dies ist allerdings mit hohen Kosten verbunden. Auch hier gilt: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.

Der Widerstand gegen die weibliche Selbstbestimmung ist Tirolerinnen jedoch durchaus vertraut: So erscheint auch der jüngste Anlauf wie ein Kampf gegen Windmühlen. Denn schon in den 1980er-Jahren griffen AbtreibungsgegnerInnen in Westösterreich ohne Zögern zum Film "Der stumme Schrei". In allen Schulen wurde dieser Film, in dem propagiert wird, dass der Fötus während einer Abtreibung schreit, gezeigt. Auch "Aktion Leben" spielt diesbezüglich in Tirol eine entscheidende Rolle. Mit der Ausstellung "Laß mich Leben" feierte die katholisch geprägte Organisation 1972, als die Abtreibung noch durch den Paragrafen 144 geregelt war, ihren Auftakt in Innsbruck, um schließlich durch alle Bezirke zu touren.

Ein Jahr später rief "Aktion Leben" zum Schweigemarsch auf, an dem sich 10.000 TirolerInnen beteiligten, darunter auch der damalige Landeshauptmann, schreibt die Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss im Buch "Johanna Dohnal - Innensichten österreichischer Frauenpolitik". Vor diesem Hintergrund findet sich die neu gegründete Plattform "Aktionskomitee Schwangerschaftsabbruch" in einem "verhärteten Klima" wieder, so die Plattform-Sprecherin Beate Keszleri.

Festgefahrene Widerstände

"Von Seiten der Politik, im Speziellen von Seiten der ÖVP, inklusive dem katholischen Einfluss in Tirol, ist das Thema Schwangerschaftsabbruch nach wie vor sehr schwierig", erklärt Keszleri gegenüber dieStandard.at. Gerade diese Stimmung und die festgefahrenen Widerstände seien jedoch ausschlaggebend für die Initiative. Nun bringt das Aktionskomitee in Form von Veranstaltungen seine Forderungen an die Öffentlichkeit. Allerdings, so Keszleri, sei es nach wie vor unmöglich, vor diesem historischen Hintergrund eine sachliche Diskussion zu führen. Dennoch: 17 Frauen- und Sozialeinrichtungen haben sich zu dieser Aktionsplattform zusammengeschlossen.

Ansichten des Politikers

Fundierte Aufklärung zu den Themen Sexualität, Verhütung und Schwangerschaft an Schulen und Erwachsenenbildungseinrichtungen, Verhütung auf Krankenschein und das Angebot des Schwangerschaftsabbruchs an öffentlichen Krankenhäusern, sind jene Grundforderungen, die sie umgesetzt wissen wollen. Bisher sei man von Seiten der Politik jedoch nur auf Widerstand gestoßen. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) meinte etwa, dass Abtreibungen keine Aufgabe der öffentlichen Krankenanstalt seien. Frauen müsse in schwieriger Situation zwar mit Verständnis und Unterstützung begegnet werden, jedoch müsse dafür der niedergelassene Bereich an GynäkologInnen ausreichen, so die Ansichten des Politikers.

"Das Geforderte ist ja das Mindeste"

Konträr die Sicht des Aktionskomitees Schwangerschaftsabbruch: "Schwangerschaftsabbruch ist eine Aufgabe der Gesundheitspolitik. Der Westen Österreichs ist mit Angeboten massiv unterversorgt", ist in großen Lettern am Flyer der Plattform zu lesen. Dass sich in Österreich seit der Fristenregelung nichts getan habe, empfindet das Aktionskomitee als skandalös, so die Innsbruckerin Keszleri. Mit einer Unterschriftenaktion, die bis zum 8. März 2013 laufen wird, wollen sie aufzeigen, wie dringend ihr Anliegen und wie breit die Unterstützung der Bevölkerung inzwischen sei, so Keszleri.

"Das Geforderte ist ja das Mindeste", schreibt etwa eine der UnterzeichnerInnen der Online-Petition. Selbst die Fristenregelung, verankert im Strafgesetzbuch (StGB), war 1975 das "Mindeste" das Autonome und SPÖ-Frauen erreichten. Bis heute ist der Abbruch in Österreich unter bestimmten Bedingungen straffrei. Diese Straflosigkeit, so wird es im Paragraf 97 StGB festgehalten, ist gegeben, wenn der Abbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beratung einer Ärztin/eines Arztes erfolgt.

Das Krankenhaus verlassen

Zudem wird in Absatz 3 festgehalten, dass der Abbruch nicht in allen Bundesländern öffentlich ermöglicht werden muss. Krankenhäuser oder auch MitarbeiterInnen eines Krankenhauses können sich auf jenen Absatz berufen; MitarbeiterInnen können das Krankenhaus verlassen, wenn sie keinen Abbruch durchführen wollen. Und auf dieses Recht beruft sich nicht nur Tirol. Auch das Burgenland und Vorarlberg bietet bisher keine öffentliche Versorgung für Frauen in Sachen Schwangerschaftsabbruch. (eks, dieStandard.at, 30.11.2012)