Die Wehrpflichtdebatte hat bemerkenswerte Züge angenommen. Langsam hat man das Gefühl, dass es nur um ein Kräftemessen von Rot und Schwarz in Vorwahlzeiten geht. Hinzu kommen die Einmengungen verschiedener Interessengruppen wie Soldaten, Rotkreuzlern und anderen Experten. Was sie alle verbindet? Das Geschlecht. Ärger als beim Thema Fußball wird das Für und Wider bis zum Erbrechen durchgekaut. Die immer selben Männer geben die immer selben Argumente von sich.

Kurzum: Die Wehrpflichtdebatte ist zu einer reinen Männersache verkommen. Schade. Denn immerhin wird am 20. Jänner 2013 eine Grundfrage der Verfasstheit dieses Landes gestellt. Werden junge Männer verpflichtet, das Kriegshandwerk zu lernen, oder nicht? Und diese Frage geht uns alle an. Nicht zuletzt auch die Frauen, insbesondere auch dann, wenn der Zivildienst auf diesem Wege abgeschafft und die Pflegesituation dadurch möglicherweise weiter verschärft wird. Aber der Reihe nach.

Die Wurzel der Wehrpflichtarmee liegt in der Entwicklung des Massenkrieges, der in den Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts ein Völkerschlachten von bis dahin unbekanntem Ausmaß ausgelöst hat. ZivilistInnen wurden zu den Hauptbetroffenen des Krieges. Im Vietnamkrieg fand diese Entwicklung einen merkwürdigen ersten Höhepunkt. Die über die (vorübergehend eingeführte) Wehrpflicht mobilisierte US-Interventionsarmee bekämpfte die vietnamesische Volksarmee mit dem Ergebnis, dass auf einen Soldaten neun Ziviltote kamen.

Das heißt, alle Männer und Frauen sind in gleicher Weise von der Frage Krieg oder Frieden betroffen. Das heißt auch, dass die Frage des Wehrsystems natürlich eine Frage ist, die alle Staatsbürgerinnen und Staatsbürger betrifft. Und in diesem Sinne ist die Volksbefragung ein Akt ungeheurer Ermächtigung des Souveräns, wie er vor zwanzig Jahren noch vollkommen ausgeschlossen gewesen wäre. Die Vorgeplänkel sind allerdings geeignet, diesen Ausschluss des Souveräns nun mit parteitaktischen Mitteln fortzusetzen.

Warum ist das möglich? Die Kriegsdrohung ist praktisch weggefallen, darin stimmen inzwischen fast alle überein. Es geht also um nicht mehr so viel. Insofern können wir alle ein Stück weit mitbestimmen, wie die Zukunft der Armee aussehen soll. Das ist schön.

Weniger schön ist, dass wir vor Alternativen gestellt werden, die streng partei- und somit machtpolitisch besetzt werden. Die Regierung hat die Chance vergeben, den Bürgern sachliche Informationen zukommen zu lassen, um auf der Grundlage dieses Wissens eine rationale Entscheidung treffen zu können. Insbesondere die ÖVP spielt da jetzt Wahlkampf, während die SPÖ mangels Einigkeit nicht einmal dazu imstande ist.

Die große Bedrohung, insbesondere aus dem Osten, war in der Zweiten Republik das zentrale Argument für die Wehrpflicht. Ohne diese scheint es nur schwer nachvollziehbar, wenn ein Staat alle seine jungen Männer diesem außerordentlichen Gewaltverhältnis in einer Wehrpflichtarmee unterwirft. Es geht nämlich nicht darum, ob dieses Gewaltsystem der Mehrheit der Einberufenen schadet. Es reicht schon, wenn dieses Ausbildungssystem, das auf Befehl und Gehorsam beruht, auch nur einen Einzigen traumatisiert.

Bleibt der Zivildienst, der plötzlich sozusagen als Ersatzargument für die Pflicht zum Wehrdienst von der ÖVP entdeckt wurde. Aber da gibt es Alternativen. Und gerade in der herrschenden Beschäftigungskrise ist jede freiwillige Versorgung aller Zivildienstorganisationen wesentlich sinnvoller als die Zwangsverpflichtung aller jungen Männer. Das kann die Qualität der Sozialdiener/-innen wesentlich verbessern, den lohndrückerischen Effekt des Zivildienstes zurückdrängen und ein Angebot für all jene sein, die auf Beschäftigungssuche sind. Insofern scheint der Zivildienst gerade in der Rezession das verkehrteste Argument für die Wehrpflicht. Die Aufwertung und Freiwilligkeit dieses Dienstes ein Gebot der Stunde.

Verweigerung wäre fahrlässig

Und noch eine letzte Anmerkung zu den bei der Volksbefragung zur Wahl stehenden Alternativen: Eigentlich stellt sich die von Wolfgang Koch unlängst an dieser Stelle zu Recht aufgeworfene Grundsatzfrage, ob wir als neutraler Staat überhaupt ein Heer brauchen und ob nicht für etwaige Grenzverletzungen Polizei und Gendarmerie völlig reichen. Aber das steht leider nicht zur Debatte. Sich deswegen dieser großen Chance am 20. Jänner bei der Volksbefragung zu verweigern, das Wehrpflichtsystem zu überwinden, wäre fahrlässig. Denn was sollen die jungen Leute denn dann noch im Heer lernen außer Trinkfestigkeit, angesichts der bemerkenswerten Wege, die ein Volksentscheid in Österreich nehmen kann?

Und übrigens würde ich mich freuen, wenn meine Tochter die Möglichkeit bekommen würde, ein Freiwilliges Soziales Jahr mit fairem Lohn zu absolvieren. (Renate Partei, DER STANDARD, 6.12.2012)