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Mit der Einführung eines Berufsheers solle die österreichische Armee auf internationale EU-Kampfeinsätze vorbereitet werden. Ein Bewusstsein dafür fehle in der Bevölkerung, kritisiert Blaha.

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Barbara Blaha bloggt auf berufsheer.diefakten.at zur Heeresreform-Debatte.

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Dass Barbara Blaha in der Wehrpflichtdebatte kräftig mitmischt, ist jenen ein Dorn im Auge, die die Heeres-Volksbefragung zur reinen Männersache erklären wollen. Blaha, frühere ÖH-Vorsitzende und bis 2007 auch SPÖ-Mitglied, bloggte und kommentierte in den vergangenen Monaten nicht nur gegen das Berufsheer, sondern steht auch dem Wehrpflichtheer in seiner derzeitigen Form kritisch gegenüber. Im Gespräch mit dieStandard.at erklärt sie, warum eine Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen an Bedingungen geknüpft sein müsste und ein Berufsheer keine Garantie für Soldatinnen-Karrieren bietet.

dieStandard.at: Wenn es nach der Meinung mancher Poster in Ihrem Bundesheer-Blog geht, dürften Frauen gar nicht öffentlich zum Thema Heeresreform Stellung nehmen, weil sie "nicht vom Heer betroffen" seien. Was sagen Sie zu solchen Äußerungen?

Blaha: Ja, das ist eine recht absurde Wendung in der Debatte: als wäre die direkte Betroffenheit eine Grundvoraussetzung für demokratische Mitsprache. Als könnte man sich beispielsweise nur gegen Armut engagieren, wenn man selbst darunter leidet, oder nur für Vermögenssteuern eintreten, wenn man auch ein Vermögen umzuverteilen hätte.

Außerdem: Frauen sind in der Frage des Bundesheeres sogar direkt betroffen: Sie finanzieren im gleichen Ausmaß wie Männer mit ihrem Steuergeld das jährliche Budget des Verteidigungsministeriums in Höhe von 2.000 Millionen Euro. Wieso sollen Frauen sich also über die Verwendung ihres Geldes keine Gedanken machen? Die Frage von Wehrpflicht und Berufsheer ist darüber hinaus eine ganz wesentliche Weichenstellung in außen-, sicherheits- und demokratiepolitischer Hinsicht. Männer wie Frauen dieses Landes tun also gut daran, sich dafür zu interessieren.

dieStandard.at: Sie sind bekennende Berufsheer-Gegnerin. Wenn die Wehrpflicht bleibt, könnte es unter dem Aspekt der Gleichstellung zu einer Ausweitung des Grundwehrdienstes auf Frauen kommen ...

Blaha: Ich bin Gegnerin eines Berufsheeres und in Anbetracht der Abstimmungsmöglichkeiten daher wohl oder übel für die Wehrpflicht. Allerdings fühle ich mich wie viele andere um die dritte Abstimmungsoption gebracht: die Abschaffung des Bundesheeres in seiner heutigen Form.

Was die Wehrpflicht für Frauen betrifft: Ich möchte, dass die gesellschaftlichen Lasten gerecht verteilt werden auf Männer wie Frauen, das umfasst auch die Wehrpflicht. Allerdings sind die Lasten eben nicht gleich verteilt: Frauen leisten 80 Prozent der unbezahlten Pflegearbeit, sie erhalten für die gleiche Arbeit weniger Lohn. Drei Viertel aller Frauen mit Kindern sehen in einer Teilzeitbeschäftigung die einzige Möglichkeit, Kinder und Beruf zu vereinbaren, mit allen Konsequenzen, die das für die Pension mit sich bringt - Stichwort Altersarmut.

dieStandard.at: Die Wehrpflicht steht für KritikerInnen als Teil einer "gesellschaftlichen Zwangsmilitarisierung". Wie sinnvoll ist es, sie noch weiter auszubauen?

Blaha: Es ist ein großer Irrtum, zu meinen, mit der Einführung eines Berufsheeres würde die Gesellschaft entmilitarisiert. Berufsarmeen müssen einen unglaublichen Werbeaufwand betreiben, um an ausreichend RekrutInnen zu kommen. Dazu versucht das Militär, in so vielen Lebensbereichen wie möglich präsent zu sein. Unlängst wurde etwa die deutsche Bundeswehr für ihre aggressiven Werbemethoden unter Kindern und Jugendlichen massiv kritisiert, unter anderem von Kinderschutzorganisationen und der UNO.

dieStandard.at: Viele warnen vor einem Berufsheer, weil sie darin die Vorbereitung des österreichischen Heeres auf internationale Kampfeinsätze der Europäischen Union sehen. Denken Sie, dass es ein breiteres Bewusstsein für die Konsequenzen daraus gibt?

Blaha: Nein, dieses Bewusstsein fehlt völlig, obwohl es schon seit Jahren in einschlägigen Analysen des Bundesheeres steht. Die Schuld dafür trifft zu guten Teilen die österreichische Politik, die zu Hause die Neutralität beschwört, auf europäischer Ebene aber den Ausbau der EU zum Militärpakt mitbetreibt. Im Unterschied zu anderen neutralen Staaten wie Irland hat Österreich nicht einmal den Grundsatz verankert, sich nur an Militäreinsätzen mit UN-Mandat zu beteiligen.

dieStandard.at: Wie sieht es mit den Zivildienst-Ersatzmodellen aus? Die SPÖ will im Falle eines Endes der Wehrpflicht anstelle des Zivildienstes einen bezahlten Freiwilligendienst für Frauen und Männer ab 18 Jahren schaffen. Wie ist dieser Vorschlag aus frauenpolitischer Sicht einzuschätzen?

Blaha: Frauen haben momentan nur die Möglichkeit, zu völlig inakzeptablen Konditionen ein freiwilliges soziales Jahr abzuleisten - insofern ist das Reformmodell durchaus eine Verbesserung. Wie der Zivildienst wird aber wohl auch der neue Freiwilligendienst in der Praxis vor allem dazu dienen, sich vor längst überfälligen sozialpolitischen Verbesserungen zu drücken, Stichwort Pflegemilliarde.

dieStandard.at: Die meisten österreichischen Soldatinnen sind in der Verwaltung oder im Heeressportzentrum beschäftigt, kaum eine arbeitet in einer höheren militärischen Position. Würden sich ihre Karrierechancen nicht durch eine Umstellung auf ein Berufsheer verbessern?

Blaha: Warum sollte es für die Karriere einen Unterschied machen, ob man in einem Berufsmilitär oder einer Wehrpflichtigen-Armee Berufssoldatin ist? Die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass auch in diesem Bereich ohne konkrete Fördermaßnahmen nichts besser wird - und aktive Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit lassen sich im Bundesheer ganz unabhängig von der Organisationsform setzen.

dieStandard.at: Egal ob Berufsheer oder Wehrpflichtheer: Durch den zunehmenden Personalmangel werden Frauen aller Wahrscheinlichkeit nach verstärkt ins Heer eingebunden werden. Wie sollte diese Einbindung dann aussehen?

Blaha: Grundsätzlich könnte man den Personalmangel ja zum Anlass nehmen, die ganze Struktur rückzubauen, statt um jeden Preis an einer überflüssigen Armee festzuhalten. Es ist auch nicht so, dass ein Berufsheer die Frauen in Massen anlockt: International ist der Frauenanteil in Berufsheeren weit unter der kritischen Masse von 30 Prozent, die es bräuchte, um Frauen aus ihrer Position der Minderheit herauszuheben. Deutschland etwa hat sich 15 Prozent Frauenanteil vorgenommen, geschafft wurden - trotz massiver Werbeanstrengungen - gerade einmal neun Prozent.

dieStandard.at: Was wäre denn aus Ihrer Sicht eine wirklich zeitgemäße Variante des Heeres sowie einer Friedens- und Sicherheitspolitik, die auch aus frauenpolitischer Perspektive vertretbar wäre?

Blaha: Die Bundesregierung hat 2011 eine Sicherheitsstrategie verabschiedet, in der steht, dass längerfristig mit einer militärischen Bedrohung Österreichs nicht zu rechnen ist. Dort steht auch, dass Sicherheit mehrere Dimensionen hat, nicht nur eine militärische. Sicherheit, das ist auch die Gewissheit, vor Armut geschützt zu sein, seinen Kindern eine Zukunft bieten zu können und sich vor dem Alter nicht fürchten zu müssen. Dieser Erkenntnis müssen Taten folgen.

Europapolitisch wäre es wichtig, sich darüber klar zu werden, was wir mit unserer Neutralität machen wollen. Zum einen ist die im Grunde nicht vereinbar mit der jetzigen Form der Teilhabe an der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. Zum anderen besteht aktive Neutralitätspolitik aber nicht nur darin, keinem Militärbündnis beizutreten, sondern darin, eine aktive Vermittlerrolle in Konflikten einzunehmen. Auf diese Weise könnte Österreich viel mehr zum Frieden in der Welt beitragen, als sich mit fünf Pandur-Panzern an irgendwelchen Interventionskriegen zu beteiligen. (Augusta Dachs, dieStandard.at, 12.12.2012)