Anfang Dezember wurde Ursula Kubes-Hofmann von Bildungsministerin Claudia Schmied mit dem Staatspreis für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.

Foto: Erwachsenenbildung.at/Oreste Schaller

Kubes-Hofmann bekrittelte stets die österreichische Verdrängung des Nationalsozialismus: "Auch in Teilen der Zweiten Frauenbewegung ging man vom historischen Mythos aus, Frauen hätten damit wenig zu tun."

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Vergangenes Wochenende wurden die Abschlussarbeiten des Master-Lehrgangs am "Rosa-Mayreder-College" präsentiert. Es sind die letzten, denn die feministische Bildungseinrichtung in der Wiener Türkenstraße wird ihre Pforten schließen - für immer. Über zehn Jahre wurden dort zweijährige Lehrgänge (feminstisches Grundstudium und Masterlehrgang Internationale Genderforschung) abgehalten, die eine sehr spezfische, ambitionierte Form der politischen Bildung für Frauen boten.

Mit der Gründerin und jahrelangen Direktorin der Einrichtung, der Philosophin Ursula Kubes-Hofmann, sprach dieStandard.at darüber, was in Österreich politische Bildung leisten sollte und wie es mit der feministischen Bildung in den Wiener Volkshochschulen weitergehen wird.

dieStandard.at: Sie haben Ihre Bildungseinrichtung nach der bürgerlichen Frauenrechtlerin Rosa Mayreder benannt. Was machte sie für Sie zur Namenspatin?

Kubes-Hofmann: Zum einen ist Mayreder eine beeindruckende historische Figur: Sie hat sich für Frauenbildung eingesetzt, gründete etwa 1910 eine Kunstschule für Mädchen. Ausgangspunkt für ihr Engagement war ihre Mädchenzeit, die von häuslicher Gewalt des Vaters geprägt war. Sie war aber auch eine Friedensverfechterin, setzte sich bereits damals gegen Kriegsspielzeug ein. Mit ihrem Fokus auf die Geschlechterrollen hat sie viel von dem antizipiert, was Simone de Beauvoir 1949 in "Das andere Geschlecht" festgemacht hat.

Es gab aber auch einen pragmatischen Grund: Mitte der 1990er war sie auf der 500-Schilling-Note abgebildet, der Wiedererkennungseffekt war gegeben.

dieStandard.at: Hat Sie die "Frauenbildung" von Mayreder für ihr eigenes College inspiriert?

Kubes-Hofmann: Nein, denn meine Curricula beschäftigen sich mit der Gegenwart. Mit beiden Lehrgängen ging es mir darum, eine andere Form der politischen Bildung in europäischer Entwicklungsdimension zu etablieren. Zudem sollten die Folgewirkungen ökonomischer und gesellschaftlicher Umbrüche auf das öffentliche und private Leben von Frauen unterschiedlicher Herkunft thematisierbar werden.

Hintergrund war folgender: In den 1990ern war ein starkes Auseinanderdriften zwischen akademischem Feminismus und Aktivistinnen festzustellen. Ich wollte diese beiden Stränge mit einer neuen Form der politischen Bildung wieder zusammenbringen. Ich wollte auch einen Unterschied zur klassischen feministischen Frauenbildung setzen, weil diese kaum theoretisch fundiert war und sich hauptsächlich aus dem Alltagserfahrungswissen von Frauen speiste.

dieStandard.at: In welcher Lehrtradition begreifen Sie sich mit Ihrer Einrichtung?

Kubes-Hofmann: In Österreich gibt es natürlich eine Geschichte der Erwachsenenbildung, die vom herrschenden Bildungssystem und dem Bewusstsein ihrer Entscheidungsträger nicht entkoppelbar ist. Mit dem RMC habe ich auf angelsächsische Traditionen sozialer Durchlässigkeit zurückgegriffen und zudem indirekt auf das Konzept der "re-education". Das wurde bekanntlich ja in der unmittelbaren Nachkriegszeit vor allem von den Briten betrieben.

NS-Verdrängung und ihre gesellschaftlichen und politischen Folgen sind ein österreichisches Spezifikum. Auch in Teilen der Zweiten Frauenbewegung ging man vom historischen Mythos aus, Frauen hätten damit wenig zu tun. Ich wollte unter anderem in der Bildungsarbeit Zugänge eröffnen, die es den Teilnehmerinnen ermöglichen, die eigene Familienbiografie als Teil dieses Prozesses zu verstehen.

Außerdem haben wir hier schon immer einen stärkeren Drive zur Differenz und nicht zur Gleichheit aus historischen und mentalitätsgeschichtlichen Gründen.

Mein Anliegen mit dem College war, als Staatsbürgerin, als Wissenschaftlerin und als Erwachsenenbildnerin einen Bildungsbeitrag zu leisten, den ich als hier Lebende vertreten kann. Und darauf bin ich auch stolz.

dieStandard.at: Künftig hätte das College ohne Lehrgänge universitären Charakters auskommen müssen. Hören Sie deshalb auf?

Kubes-Hofmann: Ich höre auf, weil ich in Pension gehe. Aber die rechtliche Veränderung hat mich auch beeinflusst. Mit der Töchterle-Novelle des Universitätsgesetzes von 2011 wurden die "Lehrgänge universitären Charakters" für außeruniversitäre Bildungseinrichtungen abgeschafft. Ich hatte die wissenschaftliche Leitung dieser Lehrgänge, und die waren nach den Kriterien des Universitätsorganisationsgesetzes gestaltet.

dieStandard.at: Wenn Sie aufhören, warum wird dann gleich das ganze Institut geschlossen?

Kubes-Hofmann: So ist das nicht richtig. Ein Teil der Ressourcen bleibt auf jeden Fall erhalten, das heißt, meine beiden Mitarbeiterinnen werden weiterhin im Rahmen der Wiener Volkshochschulen tätig sein. Es wird laut Geschäftsführung an einem neuen Konzept für feministische Bildungsarbeit ab 2013 gearbeitet. Seit Sommer 2012 ist allerdings klar, dass dieses neue Projekt nicht mehr unter dem Namen "Rosa-Mayreder-College" laufen wird, weil dieser Name mit meiner Person verbunden ist.

dieStandard.at: Zwischenzeitlich wurde aber eine Nachfolge für Ihre Position gesucht. Stand da bereits fest, dass Sie den Namen mit in die Pension nehmen würden?

Kubes-Hofmann: Nein. Erst danach haben der gleichnamige Förderverein und ich das beschlossen. Der Einfluss von DirektorInnen auf ihre Nachfolge ist vor allem seit der Strukturreform der Wiener Volkshochschulen nicht möglich. Ich habe also nichts mit dem Scheitern der Verhandlungen der Geschäftsführung zu tun.

dieStandard.at: Sie haben für ihr College einen "demokratisch-feministischen Bildungsbegriff" etabliert und auch geprägt. Worin unterscheidet er sich von dem, was wir heute unter Bildung verstehen?

Kubes-Hofmann: Zum einen beziehe ich mich auf die Bildung im Sinne der Aufklärung: den Mut, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Es geht aber auch um die Frage: Was ist der Mensch? Lange Zeit waren Frauen von seiner Definition ausgeschlossen.
Bildung hat für mich sehr viel mit Welt- und Menschenbildern zu tun. Eine schlichte "Ausbildung" kann die Aspekte der Persönlichkeitsbildung in Verbindung mit allgemeiner Menschenrechtsbildung nicht abdecken.

Das Problem des klassischen humanistischen Bildungsbegriffes ist, dass er eigentlich nur für Männer reserviert war und die heutigen gesellschaftlichen Kulturen ausgeprägt hat. Und er lässt sich auch schwer transformieren in eine Zeit der technologischen Revolutionen, die wir aktuell erleben.
Ich vertrete einen integrativen Bildungsansatz, bei dem die Frage von Welt- und Menschenbildern zentral ist. Es geht um Rechte für alle und darum, so zu leben, wie man möchte. Wir brauchen daher die Fähigkeit zur Utopie und Aufklärung. Seit 30 Jahren leben wir in einem menschenfeindlichen Pragmatismus, das ist Vor-Krieg, das ist Faschismus. Das kann ich nur so pauschal sagen.

dieStandard.at: In den letzten zehn Jahren haben sich die Gender Studies an den Universitäten ein Stück weit etabliert. Was halten Sie davon?

Kubes-Hofmann: Grundsätzlich finde ich Gender Studies an den Unis gut. Es kommt aber in allen Bildungszusammenhängen darauf an, wer etwas unter welchen Rahmenbedingungen macht. Vorlesungen und Seminare zu besuchen ist etwas anderes, als sich in einer definierten Gruppe über zwei Jahre mit dem Politischen der Inhalte auseinanderzusetzen. Das sind bessere Bedingungen als an den Universitäten, um Arbeits- und Lebenswelten menschlicher mitgestalten zu können.

dieStandard.at: Bildung ist kein leicht zu fassendes Gut. Wo sehen Sie, dass ihre Saat aufgegangen ist?

Kubes-Hofmann: Die Feedbacks der Absolventinnen sind sehr gut, das hat gerade auch die Untersuchung einer Studentin gezeigt, die bei allen Absolventinnen eine Online-Umfrage durchgeführt hat. Persönlich habe ich wahrgenommen, dass sich bei vielen Studierenden die Lebensperspektive verändert hat. Es wurden auch breite thematische Netzwerke gegründet und neue Plattformen wie z.B. die "20.000 Frauen" sind aus dem Umfeld des RMC entstanden.

dieStandard.at: Sie sind seit den 1970ern in der österreichischen autonomen Frauenbewegung aktiv. Wäre für Sie jemals eine Karriere an der Universität möglich gewesen?

Kubes-Hofmann: Es war eine Lebensentscheidung von mir, an der Universität keine Karriere anzustreben. Tatsächlich bin ich aber leidenschaftliche Wissenschaftlerin geblieben. Mich hat auch Politik immer als Option von Freiheit begeistert und nicht als Freiheit unter sehr eingeschränkten Bedingungen. Ich beginne auch gern etwas Neues, wenn ich in einer Sache alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe.

dieStandard.at: Fehlt Ihnen dann die Herausforderung?

Kubes-Hofmann: Möglicherweise. Ich wollte bereits in den 70er-Jahren konkret etwas verändern und trotzdem nicht in der Sozialarbeit landen. Ich habe mich stattdessen für öffentliche Frauenräume eingesetzt, zum Beispiel das Frauencafé und den Wiener Frauenverlag mitgegründet. Bis heute ist alles unerträglich geblieben für mich, aber ich habe immer versucht, mich öffentlich einzumischen. Das können Sie ohne innere Souveränität nicht so lange machen. Mein Lebenslauf ist kein Beispiel.

dieStandard.at: Er ist ein Beispiel für Feministinnen aus der Zweiten Frauenbewegung und ihren Umgang mit Institutionen.

Kubes-Hofmann: Hm, das sehe ich etwas anders: eher zwischen allen Stühlen aus demokratiepolitischer Überzeugung.

dieStandard.at: Sie werden nächstes Jahr 60 und gehen zumindest mit Ihrer VHS-Tätigkeit in Pension. Was kommt als nächstes?

Kubes-Hofmann: Ich werde von meinen vielen positiven Erfahrungen zehren und mich wieder stärker der Musik und dem satirischen Schreiben widmen. Und danach fällt mir sicher wieder etwas Neues ein. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 16.12.2012)