"Revolutionäre Frauen. Biografien und Stencils"
Queen of the Neighbourhood Collective
Aus dem Englischen übersetzt von Sebastian Kalicha
edition assemblage 2011
ISBN 978-3-942885-05-8
€ 12,80

Foto: edition assemblage

Che Guevara, Bob Marley, Mahatma Gandhi, Nelson Mandela, Malcolm X, Martin Luther King ... Alle geläufigen revolutionären Ikonen sind Männer. Doch wo sind die Frauen, die es sicher gegeben hat und gibt? Ja, okay, da sind Rosa Luxemburg und Emma Goldman. Doch wer kennt schon Qiu Jin, Lolita Lebrón oder Vera Zasulich?

Vom Zine zum Buch

Genau dieses Fehlen weiblicher Revolutionärinnen im kollektiven Gedächtnis trieb eine Gruppe von Freundinnen an, als sie 2005 im neuseeländischen Auckland ein Zine-Projekt ins Leben riefen. Die Idee nach der Suche dieser Frauen verbreitete sich wie ein Virus, Beiträge aus der ganzen Welt trudelten ein, Workshops wurden abgehalten. Das Zine war so erfolgreich, dass es nur logisch schien, daraus ein Buch zu machen. So gründeten Tui Gordon, Melissa Steiner, Anna Kelliher, Rachel Bell ein Autorinnenkollektiv, das "Queen of the Neighbourhood Collective", und übertrugen ihre Arbeit in ein handfestes Werk, in dem sie die üblicherweise männlich dominierten revolutionären "Pin-Ups" durch die weniger bekannten weiblichen ersetzten.

Rückholung ins kollektive Gedächtnis

Als Stencil verkörpert Che Guevaras Gesicht mittlerweile seit Jahrzehnten glamourösen politischen Style. Um diesen verkitschten "Che-Glamour" zu entlarven, wurde im Buch die ikonisierende Darstellung auf dreißig der bekanntesten Fotos von Revolutionärinnen der vergangenen dreißig Jahre übertragen. Das Ziel sei, "starke, idealistische und furchtlose Frauen, die Impulsgeberinnen für revolutionäre Veränderungen waren, zurück ins kollektive Gedächtnis zu holen", heißt es in der Einleitung des Buches. Es sei an der Zeit, diese außerordentlich mutigen Frauen zu feiern, die ihr Leben damit verbrachten, für Dinge zu kämpfen, an die sie glaubten - und das in einem Umfeld, in dem die weibliche Autorität nie so ernst genommen wurde wie die männliche.

Probleme der Rezeption

Obwohl alle im Buch präsentierten Frauen nonkonformistische Freidenkerinnen bzw. so genannte "Outlaws" sind, denen gemeinsam ist, Fehler und Ungerechtigkeiten der Paradigmen ihrer Zeit aufzuzeigen, unterscheiden sie sich doch deutlich. Durch ihre Hintergründe, sozialen Verhältnisse und Schwerpunkte ihrer Arbeit ebenso wie durch die Art ihres Engagements. Denn während einige der Porträtierten Pazifistinnen waren und ihre Weltanschauungen friedlich vortrugen oder niederschrieben, versuchten andere ihre Ideale mit Gewalt, manchmal im bewaffneten Kampf, umzusetzen.

Diese differenten Handlungsmuster in einen Topf zu werfen, ist nicht ganz unproblematisch. Die Feier von gewalttätigen Heldinnen berge die Gefahr, eine Art kriegerischen Sexappeal zu vermitteln, so Herausgeberin Tui Gordon. Im Gegenteil sollte in dem Band Gewalt nicht als inspirierend propagiert, sondern lediglich darauf verwiesen werden, dass manche Frauen Gewalt gebrauchten, um gegen Verfolgung Widerstand zu leisten. An Ani Pachen (1933-2002) beispielsweise wird deutlich, dass gewaltfreies Denken an der Gewalt anderer scheitern kann: Die buddhistische Nonne rückte von ihrem ausgeprägten Pazifismus ab, als chinesische Truppen in ihrer Gemeinde einmarschierten.

Reflektierte Analyse

Auf der anderen Seite stelle sich die Frage, wie es die Porträtierten selbst aufnehmen würden, in einen Kanon von Revolutionärinnen gestellt zu werden, von denen einige völlig differente Meinungen vertraten: Feministinnen, Anarchistinnen, Freiheitskämpferinnen, Visionärinnen, Nihilistinnen... Wären all die verschiedenen Frauen damit einverstanden gewesen, an sie auf diese Art zu erinnern? Und ist es, insbesondere bei „People of Color", vertretbar, eine einzelne Frau hochleben zu lassen, "während ihr Lebenswerk in einer Pop-Kultur-Romantisierung" untergeht?

Als ebenso vermessen könne der Fokus auf weißen Feminismus gesehen werden. Jenen Feminismus, der allgemein als „der Feminismus" in den westlichen Medien rezipiert wird, als ob es keinen anderen gäbe. Diese und andere wesentliche Fragen zeigen den reflektierten und einfühlsamen Umgang der Herausgeberin mit der Thematik, der sich auch in der Begründung für die Publikation des Buches widerspiegelt.

Anstoß für eine Neuorientierung

Die im Buch betriebene Wertschätzung der Revolutionärinnen diene nicht nur dazu, sie öffentlich bekannt zu machen und an sie zu erinnern, sondern sei auch als Herausforderung für das gegenwärtige Klima in der Gender-Politik zu verstehen. Denn viele der porträtierten Frauen gehen in ihren Vorstellungen weit über eine simple Gleichstellung von Frauen und Männern hinaus. Sie wünschen sich eine völlige Befreiung vom patriarchal-hegemonialen System und fordern eine allumfassende Neuorientierung, die hier und heute Anstoß für Veränderungen sein könnte.

"Im Grunde bleiben", so Tui Gordon abschließend, "zwei zentrale Punkte: Erstens der tief verankerten patriarchalen Geschichte einen Tritt in die Eier zu verpassen, und zweitens die Freude über starke Frauen zu verbreiten und Lust auf Revolution zu machen". (Dagmar Buchta, dieStandard.at, 23.12.2012)