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Verbrannte Kroatien-Fahne bei einem Protest in Belgrad. Einige serbische Nationalisten verbrannten die Flagge.

Foto: ap/Darko Vojinovic

Wien/Belgrad/Zagreb - Auch mehr als zehn Jahre nach den Kriegen in Ex-Jugoslawien prägen vorhandene und politisch aufgeladene Geschlechterstereotypen die Gesellschaft, zeigten sich ExpertInnen aus Serbien und Kroatien bei einem Hintergrundgespräch in Wien am Donnerstag einig. Dadurch seien das Rollenbild des traditionellen "Macho-Typs" sowie starker Nationalismus wieder neu aufgekommen, sagte Natko Geres, Direktor der Non-Profit-Jugendorganisation "Status M" mit Sitz in Zagreb. Auch in der politischen Diskussion würden sich diese Rollenbilder wiederfinden.

Den Männern würden von der Gesellschaft bestimmte Attribute suggeriert, was einen "echten Mann" ausmache. Alle anderen seien "weniger Mann", so Geres weiter. Dadurch würde mitunter Gewalt ausgeübt, um ein "echter Mann" zu sein. Vom Krieg wüssten Jugendliche zumeist nichts mehr, seien jedoch für "aggressive Botschaften" empfänglich. Die Mehrheit der Jugendlichen besuche auch Konzerte rechtsgerichteter Musiker.

Vorwürfe der katholischen Kirche

Die aktuelle Debatte über die Gesundheitserziehung an kroatischen Schulen, die auch Sexualunterricht einschließt, sei ebenfalls stark mit Stereotypen aufgeladen, ergänzte die Genderforscherin Natasa Bijelic von der NGO "CESI" (Centre for Education, Counselling and Research) in Zagreb. Die Kirche würde hier stark Position ergreifen, und warnen, dass Kinder - durch die Thematisierung dieser Stereotype - zu Lesben und Schwulen erzogen würden. "Man wirft uns vor, eine Feministen- und Schwulenlobby zu sein."

Marina Blagojevic, Genderforscherin und wissenschaftliche Beraterin am Institut für Kriminologie- und Soziologieforschung in Belgrad, spricht von einem "starken Anstieg" an Gewalt unter Schulkindern. In der Gesellschaft herrsche ein Gefühl der Unsicherheit, wirtschaftlicher Krise, Hoffnungslosigkeit und des Extremismus in vielerlei Hinsicht. Auch Gewaltverbrecher würden mitunter als im Recht angesehen. So habe ein gewaltbereiter Hooligan in Belgrad mittlerweile eine Fangemeinde. "Die ganze Unterscheidung zwischen was richtig ist und was falsch ist, ist irgendwie vernebelt."

"Es gibt einen Unterschied zwischen Länder in einem (politischen) Übergangsprozess und westlichen Gesellschaften", erörtert Blagojevic weiter. Der Prozess der Vergangenheitsbearbeitung und Aussöhnung stehe erst am Anfang, fügte Bijelic hinzu. "Es gibt viele Waffen in der Gesellschaft", so Geres. Wenn ein Kind an der Schule Probleme habe, könne es vorkommen, das ein Elternteil mit einer Waffe an die Schule komme.

Prozess der Gleichberechtigung sei nicht aufzuhalten

Trotz der vorherrschenden, gesellschaftlichen Stereotype zeigte sich Blagojevic optimistisch: "Der Prozess der Geschlechter-Gleichberechtigung ist nicht aufzuhalten". Auch wenn dieser noch nicht in der breiten Öffentlichkeit angekommen sei, gebe es auf der Mikroebene bereits Veränderungen.

Die ExpertInnen konferierten am Donnerstagabend in der Hauptbücherei Wien bei der Veranstaltung "Sei ein Mann! Männer als Verbündete im Kampf gegen Gewalt in Ex-Jugoslawien". Organisiert wurde die Veranstaltung von vidc.org, Wiener Institut für internationalen Dialog und Zusammenarbeit, einem Fond der sich mit Entwicklungspolitik, Kulturaustausch, Anti-Rassismus und dem Dialog auf zivilgesellschaftlicher Ebene befasst, gesponsert vor allem durch Gelder der Austrian Development Agency (ADA), die für die Umsetzung der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit zuständig ist, und der EU. (APA, 1.2.2013)