Frauenministerin Heinisch-Hosek schien über die Weltsicht Jeannées erbost zu sein.

Screenshot: orf.at/TVthek

Den Herrenwitz, erklärte Krone-Kolumnist Michael Jeannèe Sonntagabend in "Im Zentrum", erzählt man sich unter Herren, zum Beispiel beim Heurigen. Und ist da eine Frau, fragt man: "Gnädigste, wollen's das? Nein? Nein, dann bitte nicht". Dabei hat Jeannée "große Achtung vor Frauen", aber er hat eben auch ein Alter erreicht wo er nicht mehr weiß, wie oft er Frauen schon einen "Klaps auf den Hintern gegeben" hat. Gestört hat das freilich keine, denn Männer wie er "spüren das doch, haben das im Gefühl", und außerdem "ist das doch ein Kompliment für die Frauen".

Die Sexismus-Debatte ist nun ganz und gar in Österreich angekommen. Wie sich Sonntagabend in der ORF-Diskussion zeigte, wird sie auch durchaus österreichisch erörtert. Schon die Einladungspolitik offenbarte, dass eine Auseinandersetzung über Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern im Öffentlich-Rechtlichen keinen Stellenwert hat. Der Krone-Kolumnist saß als Repräsentant einer machoiden Alltagskultur einer fassungslosen, teilweise versteinerten Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gegenüber. In der Rolle der politischen Kontrahentin: Justizministerin Beatrix Karl. Als Experte fungierte der Jurist für Persönlichkeitsrechte, Gerald Ganzger, und als die "emanzipierte Frau" holte man die Profil-Journalistin Angelika Hager ins Rampenlicht.

"Geschlechtliche Handlungen" im Strafrecht

Während die Frauenministerin von der Debatte politisch profitieren wollte, stolperten die anderen über ihre eigenen, festgefahren sexistischen Verhaltensmuster. Eigentlich hätten sie alle über die eingangs gestellte Frage, ob und wie man "geschlechtliche Handlungen", etwa "Po-Grapscher", im Strafrecht erweitern kann, diskutieren sollen. Doch dazu kam es nicht. Denn genau jenen kurzen Moment, in dem eine Diskussion über Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Strafrechts aufflackerte, quittierte die Moderatorin Ingrid Thurnher mit den Worten: "Sie können das jetzt nicht lösen". 

"Niemals ein Pin-Up im Büro"

Jeannée ließ schließlich wissen: "Es ist auch gar nicht wert, diese Diskussion auf diesem Niveau zu führen". Der Jurist stellte klar: "Die Berührung gegen den Willen einer Frau ist ein No-Go und der Herrenwitz peinlich." Frauen riet er zur Ignoranz und von Tätern wollte er nur in Anführungszeichen sprechen. Aber Herr Jeannée wollte sich ohnehin nicht kriminalisieren lassen, denn der Macho sei in ihm "verankert", er fühle sich "nicht schlecht dabei" und er "macht ja auch nichts Schlechtes". Denn niemals würde er ein "Pin-Up im Büro aufhängen, nur im Schrank". Das erforderte schließlich investigatives Nachfragen von Thurnher: "Ist man eine Zicke, wenn man sagt, ich möchte das Pin-Up nicht im Büro sehen?"

Wohl eher nicht, aber Achtung: "Wir werden als Hascherl in dieser Debatte dargestellt", so Hager. Den Status der Opfer hätten Frauen schon seit 40 bis 50 Jahren, warnte die Profil-Journalistin. Und damit war klar, dass "sich Frauen mit dieser Debatte nur selbst schaden". Denn wer will heute noch gerne Opfer sein?

Die Lösung: Anrufung des Selbst

Dass dieser Status so gar nicht in den Zeitgeist des Empowerment-Diktats passt, löste sich schließlich in der Anrufung an das Selbst. Die Frau von heute müsse eben, flehentlich von Karl vorgetragen, "mutig sein, selbstbewusst auftreten, um in Augenhöhe zu den Männern agieren zu können". Aber das sei doch "alles eine Erziehungsfrage, ich meine, aus welchem Stall komme ich", meinte der Krone-Kolumnist, der "nicht glaubte", dass jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben sexuell belästigt wird.

Denn "einer nachschauen" tut ja "niemanden weh nicht". Bestimmt auch der Frau am Flughafen nicht. Damals, plauderte Jeannée aus dem Nähkästchen, habe er sich "auch gedacht, hübsches Hintergestell" und jener, der ihr "auf den Hintern g'haut hat, hat sich halt nicht beherrschen können". Und so fragte der scheinbar aus einer Höhle Gekrochene: "Was ist mit unserem Freund, dem Franzosen (Anm. Dominique Strauss-Kahn), der kann sich auch nicht beherrschen, der alte Trottel".

Er versteht die Welt nicht mehr

"Es kann nicht sein, dass wir solche Debatten im Fernsehen zulassen", summierte Hager gegen Ende der Diskussion. Gemeint hat sie aber nicht "Im Zentrum", sondern die mediale Darstellung Richard Lugners mit "all seinen Kätzchen und Häschen". Verzweifelt wirkte dann Jeannée. Er hätte so gerne eine Ordnung, in der er sich zurechtfindet: "Wie kann ich noch kategorisieren?"

Er verstand die Welt nicht mehr. Und man kann es ihm nicht verübeln, saß er doch inmitten einer Diskussion über Alltagssexismen, in der sexuelle Gewalt, Herabwürdigungen, Herrenwitze, Objektivierung und Diffamierungen von Frauen in einem Atemzug genannt wurden und sexistische Äußerungen wesentlicher Teil der Debatte waren. So wurde aus der Idee über Alltagssexismen im ORF zu diskutieren, die perfekte Inszenierung eines Herrenwitzes. Gesehen haben die ZuseherInnen aber auch, wie dringlich eine Sexismus-Debatte ist. (Sandra Ernst Kaiser, dieStandard.at, 5.2.2013)