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Was spricht dagegen, dass sich Männer und Frauen in öffentlichen Toiletten einen Waschraum teilen?

Foto: AP/Franka Bruns

In einem Szene-Lokal in Wien sorgt seit Herbst eine Kunstinstallation in Form eines Venezianischen Spiegels für Aufruhr. Zu Beginn gewährte er aus der Herrentoilette Einblicke in den Waschraum der Damentoilette. Der Geschäftsführer reagierte auf den Spanner-Vorwurf, dass es bei dem Kunstprojekt nur darum ginge, eine Diskussion um Voyeurismus zu führen. Nach Kritik mehrerer Gäste wurden nachträglich Hinweisschilder über den Venezianischen Spiegel angebracht. Und im Jänner gab es auch noch eine weitere Veränderung: Jetzt sind es die Frauen, die über den Spiegel in den Waschbereich der Männer blicken können.

Was sagt uns diese gesellschaftliche Erregung über den Status der Geschlechterbeziehungen? Sehr viel. Und zwar auf den ersten Blick und auch auf den zweiten.

Toilette als Refugium der Frauen

Zum einen: Der Toilettenraum von Frauen wird nach wie vor als ihr Allerheiligstes betrachtet, als der Raum, in dem sie unter sich bleiben und sich für den heterosexuellen Geschlechtertanz vorbereiten: Das Schminken, Parfümieren, Frisieren und kritische Beäugen vor dem Spiegel ist ausschließlich für Frauenaugen bestimmt.

Wie ernst es Frauen mit ihrem "Unter-sich-Sein"-Anspruch meinen, erfahren gerade auch Frauen, die nicht ganz in die heterosexuelle Matrix passen. Burschikos anmutende Exemplare werden nicht selten von wütenden Frauen aus "ihrer" Toilette geworfen, es sei denn, frau kann noch schnell genug den biologischen Nachweis ihres Frauseins bringen. Eine peinliche und auch unwürdige Sache für alle Beteiligten. Zeigt sie doch: In Sachen Toilettenordnung sind wir gar nicht weit weg von einem Geschlechterregime, das wir in Saudi Arabien allzu gerne als mittelalterlich abstrafen.

Die Umkehr macht es wieder gut?

Der zweite Aspekt betrifft die Reaktion des Lokals auf den Sexismus-Vorwurf. Eilig verwies es darauf, dass der Voyeurismus doch im Endeffekt beide treffe, und damit keine Diskriminierung und auch kein Sexismus vorliege. Dem ist nicht so: Nur weil ein Übergriff beide Geschlechter adressiert, ist das Unrecht noch lange nicht nivelliert. Ja, es wäre "Gleichstellung" erreicht, man könnte auch sagen, ein Gleichgewicht des Schreckens, doch eine simple Umkehrung kann die Frage, ob Sexismus vorliegt, nicht beantworten.

Recht auf Privatheit

Bei dieser Aktion fällt die Einschätzung eigentlich relativ leicht: Sexismus ist es keiner, doch es bleibt in höchstem Maße kritikwürdig, Menschen ohne ihr Wissen zu Schauobjekten zu machen und bei privaten Tätigkeiten einseitig auszustellen. Hier geht es schlicht um die Wahrung von Privatsphäre, auf die jeder Mensch ein Recht hat.

Wenn der Kern des Anstoßes nun darin besteht, dass Frauen nicht mehr ungestört von Männern ihren Tätigkeiten im Waschraum nachgehen können (wohlgemerkt außerhalb der eigentlichen WC-Anlage), dann ist im Jahr 2013 eine Gegenfrage angebracht: Wieso sollte es nötig sein, zwei streng voneinander getrennte Waschräume für Männer und Frauen zu haben?

Unisex-Toiletten sind die Lösung

Viele Frauen haben es satt, sich Abend für Abend in die Frauentoilette-Schlange einzureihen, während bei den Männern alles frei ist. Viele Menschen fühlen sich ihrem biologischen Geschlecht gar nicht so zugehörig, wie es ihnen die Gesellschaft die ganze Zeit weismachen will. So gesehen bräuchten wir nicht weitere Venezianische Spiegel, die mit pseudofrivolen Andeutungen Aufmerksamkeit für ein Lokal generieren sollen, sondern mehr Unisex-Toiletten, wo Menschen aller Geschlechter im Waschraum aufeinandertreffen und sich gegenseitig die Haare kämmen können. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 6.2.2013)