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Carrie Mathison (Claire Danes) hat immer ein wachsames Auge.

Foto: ap/Kent Smith

Über aktuelle Entwicklungen in einer Serie konnten wir schon länger nicht mehr streiten. Die einen ziehen sich die Serienware staffelweise an einem Wochenende rein, die anderen bevorzugen zwar einen wöchentlichen Fixtermin für die Serie ihres Vertrauens - allerdings benötigen sie dafür einen Bezahlsender. Wieder nix mit Mitreden.

Bei der am vergangenen Sonntag auf Sat.1 gestarteten Serie "Homeland" macht dieses Auseinanderdriften der TV-Gemeinschaft mal Pause. Endlich wieder einmal Fernsehen für alle zur gleichen Zeit! Zeitgleich überschlug sich die Berichterstattung über "Homeland": "Die beste Serie überhaupt", "Über jeden Zweifel erhaben", "So etwas haben Sie noch nie gesehen" – schlicht: Ein Wahnsinn, dieses "Homeland", hieß es in den Medien.

Keine Teamplayerin

"Homeland" handelt von Themen, die die USA seit dem 11. September 2001 nicht mehr loslassen. Terrorismus, Folter, wer gehört zu den Guten, wer zu den Bösen, und woran ist das verdammt noch mal zu erkennen – kurz, vom "Krieg gegen den Terror". Carrie Mathison (Claire Danes) ist CIA-Agentin, die vor Jahren auch im Irak stationiert war. Als der acht Jahre lang verschollene und tot geglaubte Marine Nicholas Brody von einer Spezialeinheit aus einem Erdloch im Irak befreit wird und als Held in die USA zurückkehrt, wird Mathison einen Gedanken nicht mehr los: Damals, vor etlichen Jahren im Irak, steckte ihr einer ihrer InformantInnen, dass ein US-Soldat übergelaufen sei. Doch die Bosse bei der CIA wollen eine Heldengeschichte und die Lorbeeren für die Befreiungsaktion ernten. Carrie Mathison ist mit ihrer Theorie, Nicholas Brody könnte ein Schläfer sein, weitgehend allein. Das zwingt sie zur Überwachung von Brody auf eigene Faust. Was der sozial inkompetenten Agentin, die zudem an einer bipolaren Störung leidet, die sie vor der CIA verheimlicht, nicht ungelegen kommt. Eine Teamplayerin war sie ohnehin nie.

Preisregen

Dass die Serie in den USA mit Preisen überhäuft wird (von 36 Nominierungen gewann "Homeland" 25 Fernsehpreise) und sich selbst Präsident Barack Obama, wie er gestand, unter dem Vorwand wichtiger Staatsgeschäfte Zeit für die Serie nimmt, ist verständlich. Traumatisierte SoldatInnen, Familien, die die Hoffnung auf eine lebende Rückkehr eines Familienmitglieds aufgegeben haben, und die Angst vor einem nächsten verheerenden Anschlag - all das ist noch immer aktuell für US-AmerikanerInnen. Doch trotz der globalen politischen Relevanz muss man sich schon etwas über die einhellige Begeisterung im deutschsprachigen Raum wundern. Denn so mancher Handlungsstrang ist längst aus anderen Serien bekannt.

Ständig außer Atem

Schon Agent Jack Bauer rannte in der Echtzeit-Serie "24" (die Produzenten von "24", Alex Gansa und Howard Gordon, produzieren auch "Homeland") atemlos von einer Szene zur nächsten, ganz wie jetzt auch Carrie Mathison. Und wie Mathison meinte auch Bauer seinem Arbeitgeber immer einen Schritt voraus zu sein und stürzte sich manisch und ohne Rücksicht auf Verluste in seine Ermittlungen. Die ständig auf hundertachtzig laufende Ermittlerin, die wie Bauer die Grenzen zum Illegalen gern überschreitet, fällt nun wirklich nicht unter die Kategorie "noch nie gesehen". Gut, ausnahmsweise wird das verkrachte, labile und vereinsamte Genie, das nur für seine Arbeit lebt, einmal von einer Frau verkörpert - deren Frisur erstaunlicherweise trotz ständigen Mega-Stresses immer sitzt. Aber das ist generell ein unergründliches Phänomen bei weiblichen Serien- und Filmfiguren.

Und auch die Geschichte mit Brodys Frau ist nicht gerade neu: Jessica Brody hatte ausgerechnet mit dem besten Freund des Totgeglaubten eine Beziehung, die sich nach Nicholas Brodys unerwarteter Rückkehr am besten so schnell wie möglich irgendwie in Luft auflösen sollte. Genau das hatten wir erst kürzlich in "The Walking Dead".

Vielleicht wird was Längerfristiges draus

Wirklich spannend wird es allerdings, wenn Mathison auf ihrer Couch vor den nicht genehmigten Überwachungs-Monitoren sitzt. Wie wir sitzt sie dann eingewickelt in eine Decke da und ist hautnah dabei; wenn Brody mit seinen Kindern redet, für die er praktisch ein Fremder ist, oder wenn er stundenlang in der Ecke eines Zimmers kauert, so wie in seiner Gefangenschaft.

Diese gemeinsamen Momente mit Carrie Mathison, in denen wir mit ihr auf der Couch sitzen und versuchen, Brodys Verhalten zu dechiffrieren, die haben es tatsächlich in sich. Das mit "Homeland" könnte also doch etwas Beständigeres, über die Pilotfolge hinaus, werden. Aber "beste Serie" ("Süddeutsche Zeitung") und "So etwas haben Sie noch nie gesehen!" ("Die Zeit") werden wohl Übertreibungen bleiben. Doch darüber kann künftig ja jeden Montag gestritten werden. Fernsehen sei Dank. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 6.2.2013)