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"Arbeit macht frei": Für ihren unsensiblen Umgang mit deutscher Geschichte gibt es nun Kritik aus der feministischen Szene.

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Femen-Proteste: Geringe Beteiligung, maximaler medialer Erfolg.

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Bereits im Juni 2012 demonstrierte Femen in Hamburg im Nazi-Outfit gegen Prostitution.

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Femen sind in Deutschland gelandet und das nicht gerade sanft. Zur Eröffnung ihrer Filiale in Hamburg Ende Jänner marschierten die "Sextremistinnen", wie sie sich selber nennen, bewaffnet mit Fackeln durch die Rotlichtmeile Herbertstraße, um der "Sexindustrie in Deutschland" den Kampf anzusagen.

Viele Medien haben wie üblich, wenn die jungen Aktivistinnen ihre Brüste zeigen, über den Event berichtet. Kaum beachtet wurden allerdings die Bebilderung und die Symbolik ihres Protestmarsches: Auf ihren Plakaten waren Slogans zu lesen wie "Sexindustry is Fascism" und an das Eisentor, das ein Ende der Herbertstraße markiert, schrieben die Aktivistinnen den von Vernichtungslagern bekannten Nazi-Spruch: "Arbeit macht frei".

Gleichsetzung von Shoa und Prostitution

Auf feministischen Blogs hat die Aktion große Irritation ausgelöst. Die Gruppe "e*vibes" richtete etwa einen offenen Brief an Femen Germany, in dem sie vor allem die Gleichsetzung von Shoa und Prostitution anprangerte und den Aktivistinnen ziemlich viele Fragen stellte: Können Frauen ohne Brüste Femen sein? Wie definiert ihr Frauen? Was versteht ihr unter Faschismus? Warum nennt ihr euch Soldatinnen?

Diese Fragen haben ihre Berechtigung und manche davon haben Femen auch bereits beantwortet. In all ihren Aktionen spielen nationale Symboliken eine Rolle. Das selbstbewusste Spiel mit NS-Symbolik in Deutschland und der Vergleich von Sexindustrie und Holocaust scheint aber nun endgültig den Rahmen für einhelliges Femen-Wohlwollen unter westeuropäischen Feministinnen zu sprengen.

Im luftleeren Raum

Es ist dies eine Auseinandersetzung, die man schon lange kommen sehen konnte, wenn man das Phänomen Femen genauer beobachtete: In der Ukraine, von der aus Femen bis vor kurzem operierte, waren sie die einzige feministische Stimme, die es nach Westeuropa schaffte. Auch Femen selbst betonte immer wieder, dass es in ihrem Land keine Geschichte der Frauenbewegungen gegeben hätte. 

Die jungen Feministinnen mussten sich in ihrer Heimat offenbar auf keine anderen feministischen Forderungen beziehen und die westlichen Medien waren sowieso mehr auf den Nackte-Körper-Event konzentriert, als dass sie ihre Forderungen auf Kongruenz überprüfen konnten. 

Jetzt, wo Femen auch von Deutschland aus operiert, wird das nicht mehr so einfach gehen. Hier gibt es eine Geschichte der Frauenbewegungen und bis heute viele aktive Gruppierungen, die sich in den verschiedensten Schattierungen auch anti-rassistisch und anti-national engagieren. Nicht zuletzt gibt es auch die Gender Studies, die an den Universitäten zwar prekär aber immerhin verankert sind.

Wie viel Opfer steckt in Sexarbeit?

Was Femen nun in Bezug auf Prostitution vom Stapel lässt, erregt viele Gemüter. Nicht nur der Faschismus-Vergleich eckt an, sondern auch die Opfer-Rhetorik in Bezug auf Sexarbeiterinnen. In Deutschland ist Sexarbeit seit mehr als zehn Jahren legal und viele sehen diesen Schritt auch immer noch als einen Erfolg der Frauenbewegung. Femen stehen allerdings auf dem Standpunkt, dass keine Frau freiwillig Sexualität am Markt verkauft, sondern höchstens an einer Art "Stockholm-Syndrom" leide, wenn sie etwas anderes behauptet.

Die gleiche Haltung zeigen Femen, wenn es um die Frage der Verschleierung geht. Auch hier werden Standpunkte, die nicht ihrer eigenen Wahrnehmung entsprechen, in einer paternalistischen Haltung abserviert. In einer Stellungnahme zu den jüngsten Ereignissen verteidigen sie ihren Ansatz auch kaum mit Argumenten, sondern mit dem Totschlagargument, Feministinnen sollten sich "nicht zerstreiten, sondern lieber gemeinsam kämpfen".

Die Kritik an genauem Hinschauen, Problematisieren und Theoretisieren in Sachen Feminismus wird derzeit ja wieder häufiger angebracht. Was die undifferenzierte Gleichsetzung von Sexarbeit mit Zwangsprostitution und demnach Menschenhandel jedoch mit der "Demokratisierung der feministischen Praxis" zu tun haben soll, bleibt schleierhaft. Auf die Kritik an ihren Forderungen und ihren Methoden sollten sich "Femen Germany" einlassen, andernfalls werden ihre Nacktproteste zwar vielleicht weiterhin von den großen Medien beachtet werden, aber sonst von niemanden mehr. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at 12.2.2013)