Wien - Die Grünen haben am Mittwoch, nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Stiefkind-Adoption durch Homosexuelle, eine Reform des Familienrechts gefordert. So sollte es etwa bei der Adoption eine völlige Gleichstellung zwischen homosexuellen und heterosexuellen Paaren geben. Gefordert sei auch eine moderne Ehe-Definition, erklärte Justizsprecher Albert Steinhauser.

Österreich in vielen Bereichen "Schlusslicht"

Steinhauser will das EGMR-Urteil zum Anlass für eine generelle Debatte über eine Modernisierung des Familienrechts nehmen: "Wir sind in vielen Punkten in Europa Schlusslicht." Unterscheidungen zwischen hetero- und homosexuellen Paaren bei der Ehe seien "nicht mehr argumentierbar", so der Grünen-Abgeordnete. Derzeit werde lediglich auf die Entscheidungen von Höchstgerichten reagiert, kritisierte Steinhauser: "Dieser Debatte verweigert sich die ÖVP leider."

Wird eine Öffnung der Ehe für Homosexuelle diskutiert, brauche es generell eine neue Ehe-Definition. Im derzeitigen Gesetz habe sich seit 200 Jahren nichts Wesentliches geändert, es wäre aber recht einfach, die Unterscheidung zwischen gleichgeschlechtlichen und nicht gleichgeschlechtlichen Paaren aufzuheben, zeigte sich Steinhauser überzeugt.

"Verschuldungsprinzip" bei Scheidungen abschaffen

"Dringenden" Änderungsbedarf ortet er bei Scheidungen, wo man vom Verschuldungsprinzip abgehen sollte. Im Vordergrund sollte viel eher die "Zerrüttung" einer Ehe stehen: "Das Verschuldungsprinzip führt nur zu ruinösen Scheidungskriegen." Eine weitere grüne Forderung betrifft den Unterhalt, bei dem soziale Kriterien, nicht die Verschuldungsfrage, im Vordergrund stehen soll. Auch was die ehelichen Pflichten im Gesetz betrifft, wünscht sich Steinhauser eine "Entrümpelung".

ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl hat bereits angekündigt, noch im Frühjahr eine Regierungsvorlage für die Stiefkindadoption in homosexuellen Partnerschaften vorzulegen. Eine Öffnung auch für reguläre Adoptionen wird es allerdings ebenso wenig geben wie die Ehe für Homosexuelle, hielt sie fest.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte anlässlich des Urteils auf ihre Forderung nach einer absoluten Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen bei Ehe und Adoption gepocht. Die Freiheitlichen erteilten hingegen "Regenbogenträumen" eine Absage und sprachen sich gegen "Experimente am Rücken des Kinderwohls" aus. "Ein Kind braucht Eltern beides Geschlechts", betonte Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller in einer Aussendung.

Auch die Initiative "Religion ist Privatsache" forderte am Mittwoch eine grundlegende Reform des Familien- und Eherechts, "frei von religiösen Vorgaben". Sachargumente für eine Diskriminierung von Lesben und Schwulen gebe es nämlich keine, hieß es in einer Aussendung.

Der Verein "Familien Andersrum Österreich" drängt auf Rahmenbedingungen, die eine rechtliche Gleichbehandlung gewährleisten und Diskriminierung beseitigen. Karls Ankündigung wertet man positiv, bedauert aber, dass nur jener Punkt umgesetzt werden soll, der vom EGMR als diskriminierend erkannt wurde, nämlich die Stiefkind-Adoption. (APA, 20.2.2013)