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Besser weil "natürlich"? Das ist als Argument im Jahr 2013 nicht mehr ausreichend.

Foto: ap/Thibault Camus

Den konservativen Kräften in Österreich sind Regenbogenfamilien, ein Adoptionsrecht für homosexuelle Paare und Patchworkfamilien suspekt. Sie wollen eigentlich nichts von alledem. Das zeigten erst kürzlich die Reaktionen auf das Straßburger Urteil, wonach die Verweigerung der Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Paare eine Diskriminierung darstellt (EGMR: Oesterreich diskriminiert lesbisches Paar). Jene, die diesem Urteil und nichtklassischen Familienkonstellationen mit Skepsis begegnen, äußern dies gern mit Begriffen wie "ideal" oder "natürlich". Diese erklären allerdings nicht, warum man so vehement das Familienmodell "Vater-Mutter-Kind" als das einzig richtige erachtet.

"Akzeptieren, aber nicht forcieren"

Auch die Wortmeldungen aus der Politik sind nicht erhellend. ÖVP-PolitikerInnen erklären ihre Ablehnung einer umfassenden rechtlichen Gleichstellung für Lesben und Schwule wortkarg und mit streng vereinheitlichtem Wording: Familienminister Reinhold Mitterlehner und Justizministerin Beatrix Karl sprachen mit exakt gleicher Wortwahl davon, andere Familienentwürfe zwar zu "akzeptieren", aber nicht "forcieren" zu wollen. Bei der ÖVP stehe das Modell "Vater-Mutter- Kind" nun einmal im Mittelpunkt, denn dieses sei der "Idealfall". Dies sei einer "festen Überzeugung" geschuldet, so Karl. Nur: Welche Überzeugung ist das eigentlich?

Weniger gecoachte Kirchenvertreter und Kommentatoren geben da schon einen besseren Einblick in diese Überzeugungen. Während Erstere das ÖVP-Lieblingsmodell nun einmal als gottgewollt und daher als das einzig Gute und Richtige erachten, holt die säkulare GegnerInnenschaft der Gleichstellung für Lesben und Schwule die Natürlichkeitskeule hervor.

Kinder hätten einen Anspruch auf "natürliches Aufwachsen mit Vater und Mutter", so der Kinderpsychologe Heinz Zangerle vergangene Woche im STANDARD. Nicht Lesben und Schwule, die Kinder sind die Diskriminierten, sollte man sie um die idealen Strukturen, die "klassische Familie",  bringen.

Natürliche oder soziale Ordnung?

Doch warum dieses Modell "die Nase vorn" hat, wie Zangerle schreibt, warum es die beste Umgebung für Kinder bietet - diese Erklärung bleibt uns auch er schuldig. Der Verweis auf "Natürlichkeit" ist nun wirklich kein Argument.

Denn für ein solches sollte erst einmal geklärt werden, ob man die Bereiche Familie, Liebesbeziehungen, Sexualität und Gesellschaft im Allgemeinen als soziale oder als natürliche Ordnungen betrachtet. Die Annahme, dass es sich um soziale Ordnungen handelt, bedeutet: Diese Strukturen können und sollen gestaltet werden. Geht man jedoch von einer natürlichen Ordnung aus, fällt das mit dem Gestalten weitegehend flach, denn die Natur hat die Dinge so eingerichtet - und fragt uns nicht, ob wir das für richtig oder schön halten.

Die GegnerInnen der familienpolitischen Gleichstellung von homosexuellen Paaren scheinen sich aber über ihre Sicht der Dinge nicht ganz im Klaren zu sein: Obwohl sie uns laufend die genannten Lebensbereiche als natürliche Ordnung erklären, wollen sie sich anscheinend doch nicht so recht auf ihre hoch gelobte Natur verlassen. Sie wollen sehr wohl gestalten und selbst festlegen, welche Beziehung normal, ergo "natürlich" ist, und wollen in der Folge auch bestimmen, wer welche Rechte bekommen soll und wer nicht. Und schließlich erzählen sie uns auch noch, was besser und was schlechter ist.

Doch wie schon dieser Gestaltungswille (oder besser Verbotswille) nicht mit dem ständigen Verweis auf natürliche Konstellationen zusammenpassen will, so sind auch die moralischen Bewertungen mit dem Rückgriff auf "Natur" unlogisch. Denn von "natürlich" auf "gut" zu schließen ist als Irrtum unter dem Titel  "naturalistischer Fehlschluss" schon ein alter Hut. Trotzdem macht sich unter anderem die feministische Kritik immer wieder die Mühe zu erklären, warum normative Appelle mit Rekurs auf die Natur überholt sind und es keine notwendige Verknüpfung zwischen Biologie und Lebensgestaltung gibt. "Natürlich" und deshalb besser? So leicht kann man es sich im Jahr 2013 wirklich nicht mehr machen.

Legitimieren und diskreditieren

Es drängt sich daher die Vermutung auf, dass das Schlagwort "natürlich" letztlich nur die unrühmliche Aufgabe hat, bestimmte Lebensentwürfe zu legitimieren, andere zu diskreditieren.

Denn es ist offenkundig, dass auch die GegnerInnen einer umfassenden Gleichstellung für Lesben und Schwule nicht das letzte Wort der "Natur" oder "Gott" überlassen wollen. Auch sie wollen unsere Gesellschaft gestalten. Und dann müssten wir uns noch darüber einig werden, dass sich diese Gestaltung am Prinzip Gerechtigkeit orientieren muss. Das ist aufgrund mancher "fester Überzeugungen" offenbar nicht selbstverständlich. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 26.2.2013)