Hellblau steht für den Prozentsatz an männlichen Acts bei Festivals, in Grün ist der weibliche Anteil dargestellt, Gelb steht für gemischte Acts. Mehr Grafiken gibt es hier.

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Die nackten Tatsachen: Der derzeitige Frauenanteil bei Labelveröffentlichungen und Festival-Line-Ups im Bereich der elektronischen Musik.

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1998 gründete Electric Indigo die Datenbank und das Netzwerk female:pressure. Selbst ist sie als DJ und Produzentin erfolgreich. Zuletzt erschien Anfang 2013 der Release "Mongolia EP" auf Houztekk Records.

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Dass Frauen in der elektronischen Musik notorisch unterrepräsentiert sind, ist auch im Jahr 2013 trauriges Faktum. Wie klein der Anteil weiblicher Artists in der als "fortschrittlich" geltenden Club-Kultur und digitalen Kunst tatsächlich ist, zeigt eine aktuelle Untersuchung des Künstlerinnen-Netzwerks female:pressure auf.

"Innovative" Kultur, rückwärtsgewandtes Geschlechterverhältnis

Pünktlich zum Internationalen Frauentag präsentierte female:pressure die nackten Zahlen - analysiert wurden hierbei die Line-Ups von Musik- und Kunstfestivals, Veröffentlichungen von Plattenlabels sowie der Frauenanteil in diversen Chartlisten. "Die Ergebnisse sind erschütternd", wie female:pressure in einer öffentlichen Erklärung verlautbart, "selbst für uns, die wir mitten in der Szene zuhause sind."

Ein Blick auf renommierte heimische wie internationale Festivals liefert den Beweis: So wurden etwa bei der letztjährigen Ars Electronica 95 Künstler, aber nur 32 Künstlerinnen gezählt (sowie drei Projekte mit gemischtgeschlechtlicher Beteiligung). Das ebenfalls jährlich stattfindende Mutek-Festival in Montréal wartete 2012 mit heißen 46 männlichen und vier weiblichen Acts auf (sechs gemischte Acts), die jüngste Ausgabe der hippen Berliner Club Transmediale (CTM) 2013 glänzte mit 18 Auftritten weiblicher Artists versus 153 männlicher Künstler (sieben gemischt).

Ähnlich erbärmlich mutet das Geschlechterverhältnis auch bei zahlreichen anderen Festivals wie Melt!, c/o Pop, Sonar, Unsound oder auch beim Grazer Springfestival an. Bei letzterem treten 2013 voraussichtlich zwei weibliche und zwei gemischte Acts auf.

Inakzeptabler Status Quo

"Die meisten Festivals, ob mit öffentlichen Geldern gefördert oder nicht, legen offensichtlich so gut wie keinen Wert auf einen adäquaten Frauenanteil und Diversität", kritisiert female:pressure daher den Status quo als "inakzeptabel".

Zieht man sämtliche vom Netzwerk untersuchten Festivals zusammen - rund fünfzig an der Zahl -, beträgt der prozentuelle Anteil von weiblichen Artists 8,4 Prozent, während Männer fast 84 Prozent stellen, rund acht Prozent machen gemischte Acts aus. "Ein Frauenanteil von zehn Prozent kann heutzutage bereits als überdurchschnittlich gelten." "Female Festivals" wie etwa e_may oder Les Femmes s'en Mélent, die ausschließlich mit Frauen besetzte Line-Ups präsentieren, sind hier nicht mitgezählt. Mit ihnen erhöht sich die weibliche Gesamtquote geringfügig - auf 10,3 Prozent.

Die herkömmlichen Erklärungsmuster dazu sind bekannt: Entweder wird das alte Klischee bemüht, Frauen würden schlichtweg eine geringere Affinität zu Technik pflegen. Oder die Kritik wird abgeschmettert mit der Argumentation, dass elektronische Musik ohnedies "geschlechtslos" sei - weil "körperlos" und damit befreit von jeglicher Geschlechtsidentität -, womit sich die Genderfrage von vornherein erledigt habe.

"Mehr Raum für Frauen"

Angesichts der vorliegenden Zahlen fordern die Aktivistinnen von female:pressure eine größere Vielfalt im Line-Up von Festivals und bei Plattenlabels im Bereich der elektronischen Musik - letztere liegen, was den Frauenanteil angeht, zahlenmäßig sogar noch unter den Festivals -, nämlich im Hinblick auf Geschlecht, Alter, kulturelle Identität und (Nicht-)Behinderung. "Wir unterstellen nicht, dass Veranstalter und Kuratoren aus purer Misogynie fast ausschileßlich männliche, weiße Künstler buchen, sondern weil es den sozialen Gepflogenheiten entspricht."

Ihr dringender Appell: "Mehr Raum für Frauen in elektronischer Musik und digitaler Kunst! Wir brauchen nich noch mehr männerdominierte Musikveranstaltungen, bei denen oft genug mediokre Darbietungen durch gegenseitiges Schulterklopfen honoriert werden." Die Forderung richtet sich nicht nur an die männlichen Festivalkuratoren, Förderer, Labelmacher und Journalisten - angerufen wird auch die Solidarität unter den Frauen selbst: "Versucht nicht, die besseren Männer zu sein, indem ihr strikt auf die etablierten, männlichen Künstler setzt. Auf eine glänzende Zukunft der Künste!"

female:pressure: You never walk alone.

Seit der Gründung von female:pressure tun sich VertreterInnen von "genderblinden" Positionen um einiges schwerer. female:pressure ist eine internationale Datenbank und ein Netzwerk von Frauen, die im Bereich elektronischer Musik und digitaler Kunst arbeiten - DJs, Musikerinnen und Produzentinnen, Vokalistinnen, bildende Künstlerinnen und Performance-Künstlerinnen gehören hier ebenso dazu wie Bookerinnen und Labelbetreiberinnen, aber auch Journalistinnen und Wissenschaftlerinnen, die sich mit der Materie beschäftigen. Derzeit umfassen Datenbank und Netzwerk rund 1.200 Mitglieder in 56 Ländern, viele der Künstlerinnen sind professionell und international tätig.

Aus der Taufe gehoben wurde die Initiative 1998 von der Wiener Musikproduzentin und Techno-DJ Susanne Kirchmayr aka Electric Indigo, als "technisch systematisierte Antwort auf die gängigen Kommentare, dass es so wenig Frauen in der Szene gäbe", wie es in der Selbstdarstellung heißt. (red, dieStandard.at, 18.3.2013)