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Überall - vor dem Papst gibt es seit knapp einer Woche kein Entkommen.

Foto: apa/Michael Kappeler

Seit letzte Woche ein neuer Papst gewählt wurde, scheinen wir uns in einer klerikalen Zeitkapsel zu befinden. Und zwar in einer, die uns in die 50 oder 60er-Jahre verfrachtet: Ob beim Thema Sexualmoral, gleichgeschlechtlicher Liebe oder Rechte für Frauen - der neue Papst Jorge Mario Bergoglio alias Franziskus I. gibt sich in diesen Fragen "konservativ", wie es in den zahlreichen Medienberichten immer wieder sehr milde umschrieben wurde. Abtreibung lehnt er ab, egal in welchem Monat. Schwangere würden schließlich weder "Zahnbürste" noch "Tumor" in sich tragen. Verhütung will Bergoglio auch nicht, das gilt selbstverständlich auch für Kondome, der Schutz vor HIV ist für ihn kein Argument. Und als Argentinien die Ehe für Homosexuelle einführte, war das für ihn ein "Schachzug des Teufels".

Gängige Vatikan-Linie

Überraschend sind diese Positionen freilich nicht, das ist sozusagen gängige Vatikan-Linie. Doch die ungefilterte mediale Begeisterung für den Papst und die Bagatellisierung seiner Positionen als "etwas konservativ" sind für viele MedienkonsumentInnen eine Zumutung. Obwohl die Zeiten von 90 Prozent KatholikInnen in Österreich mehrere Jahrzehnte zurückliegen und der neue Papst in Österreich lediglich der Glaubensgemeinschafts-Chef von 63,2 Prozent ist, werden alle MedienkonsumentInnen in einer unerträglichen Frequenz mit Franziskus I. beschallt.

Dabei mutet der Stil der Berichterstattung fast schon liebevoll an: Kardinäle, Priester oder gläubige KatholikInnen schwärmen vor den Kameras mit einem Lächeln auf den Lippen vom "Papst der Armen", der so bescheiden stets mit dem Bus gefahren ist und der "fast schüchtern" am Abend seiner Wahl seine Schäfchen mit "Buona sera!" begrüßt hat. Im ORF wurden in den verschiedensten Nachrichten-Formaten die Bilder gezeigt, wie sich der Papst bei Argentiniens Staatspräsidentin Cristina Kirchner für ein Präsent mit einem Wangenküsschen bedankt, was angesichts des gespannten Verhältnisses zwischen den beiden zwar eine Nachricht wert ist. Die Nachrichtenzeit wurde aber lieber für das tapsige Auspacken von Kirchners Mitbringsel verwendet, anstatt auf die Hintergründe der Anspannungen zwischen den beiden hinzuweisen, die unter anderem in der Gegnerschaft Bergoglios für Rechte von Lesben und Schwulen liegen.

Das Ereignis Papst-Wahl

Mag sein, dass ein Verhütungsverbot, die Dämonisierung von gleichgeschlechtlicher Liebe oder die Kontrolle über den Körper von Frauen für Päpste, Kardinäle, Bischöfe und auch für viele gläubige KatholikInnen normal sind. Für sehr viele BürgerInnen ist es das aber nicht. Das Ereignis Papst-Wahl verleitete viele Medien dazu, zu vergessen, dass nicht nur religiöse Gefühle verletzt werden können, sondern auch atheistische. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 19.3.2013)