Beim ersten Barcamp mit Frauenschwerpunkt am in Wien waren 111 TeilnehmerInnen dabei.

Foto: Karola Riegler

Es gibt nur wenige Regeln - eine ist, dass man etwas einbringen sollte.

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Cornelia Breuss kann mit 2.300 Tweets auf Twitter und noch mehr Aktivitäten auf Facebook getrost eine Intensiv-Userin genannt werden. Sie wollte einmal wissen, wie es um ihre Kolleginnen in sozialen Netzwerken bestellt ist: "Mich hat interessiert,  wie feministisch und politisch wir Frauen im Netz sind oder ob die Mode-Girlie- oder Kochen-Kind-Fraktion in der Mehrheit ist." Susanne Liechtenecker, die sich selbst auf Twitter als "wilde Kreativbraut" bezeichnet, interessierte sich dafür, wie Mentoringprogramme initiiert werden können. Und Sigrid Maurer, angehende Politikerin bei den Grünen und ehemalige ÖH-Vorsitzende, ging es um die Vernetzung von netzaktiven Frauen und um "neue Strategien, wie wir uns gegenseitig in sozialen Netzwerken unterstützen können".

Alle drei nahmen deshalb am "femcamp" teil, Maurer war auch Mitorganisatorin. Insgesamt waren beim ersten Barcamp mit Frauenschwerpunkt am 16. März in Wien 111 TeilnehmerInnen dabei - rund 20 davon männlich. Die Veranstaltung wurde offensichtlich in der Internet-Community wahrgenommen und missfiel anscheinend einigen: Die Homepage des "femcamps" wurde vorübergehend von Trollen gestürmt. Antifeministen sorgten dafür, dass man zu Seiten über Penisneid oder Pornoseiten umgeleitet wurde. Das wiederum zeigt für Sigrid Maurer, "wie dringend es notwendig ist, dass wir Frauen uns im Netz wie auch außerhalb vernetzen".

Barcamps sind Ad-hoc-Nichtkonferenzen

In einem Barcamp gibt es nur einen thematischen Rahmen und die räumliche wie elektronische Infrastruktur dafür. Anders als bei klassischen Konferenzen stehen vorab weder Diskussionsinputs noch die Vortragenden fest. "Das Konzept ist basisdemokratisch angelegt", erklärt Maurer. Selbst das Organisationsteam ist nur ein mehr oder weniger loser Zusammenschluss, der sich oft spontan wegen gemeinsamer Interessen zusammenfindet: "Jede und jeder soll sich aktiv beteiligen und Sessions anbieten können." Es gibt nur wenige Regeln - eine ist, dass man jedenfalls etwas einbringt und nicht nur Inhalte konsumiert: Barcamp-Neulinge "müssen" zum Beispiel etwas präsentieren. Das Muss soll aber nicht als Zwang interpretiert werden: "Okay, du musst nicht, aber bring dich zumindest mit Fragen ein", wird dazu auf der Barcamp-Homepage erklärt.

Die Barcamp-Praxis sieht dann so aus: Schon bei der Vorstellungsrunde werden Angebote für die Sessions gesammelt. Diese werden in die Zeit- und Raum-Slots eingeteilt, und schon kann die Diskussion losgehen, vor Ort und auch im Netz auf Facebook oder Twitter.

Im Wiener Barcamp wurde über Klassisches wie die Gehaltsschere, Frauen in Aufsichtsräten und Frauen in (Piraten-)Parteien diskutiert, aber auch über Netzspezifisches wie Geekgirlism, also weibliche Internet-Nerds, Netzfeminismus und -politik, Bloggerinnen, Online-Solidarität, Sexismus in sozialen Medien und vieles andere mehr. Dazu kam auch praktisch Anwendbares wie eine Einführung ins Programmieren von den Rails Girls Vienna und Tipps für Frauen zum Bloggen von der Digitalks-Gründerin Meral Akin-Hecke.

Wenn sich eine gewählte Session als weniger spannend entpuppt, ist es nicht unhöflich zu gehen. Im Gegenteil: Das Kommen und Gehen ist genauso erwünscht wie der Input von außen übers Internet. Viele der Präsentationen werden danach auch als PDF oder Youtube-Film ins Netz gestellt und bleiben damit auch nach der Unkonferenz, wie Barcamps auch genannt werden, abrufbar. Der Unterschied zu anderen Barcamps war beim "femcamp" neben der hohen Frauenbeteiligung und den frauenspezifischen Netz-Themen auch das Kinderbetreuungsangebot, das laut Sigrid Maurer eigentlich Standard bei Konferenzen wie Unkonferenzen sein sollte.  

Feministische Netz-Power

Bei Susanne Liechteneckers Session zu Digitalista wurde nicht nur über die neue Plattform selbst diskutiert, bei der sich Frauen aus der österreichischen Digitalbranche zusammengeschlossen haben. Es ging auch um den Sinn von reinen Frauennetzwerken im Vergleich zu jenen, bei denen man sich auch Unterstützung von Männern holt - und da gingen die Meinungen in einer lebhaften Diskussion vor Ort, aber auch auf Twitter durchaus auseinander. "femcamp"-Teilnehmerin Cornelia Breuss tweetete zum Beispiel: "Ich habe die Nase voll von 'Lernen wir von den Männern'." Frauen sollten eigene, neue Wege beschreiten und nicht nur die ausgetretenen Pfade der Männer nutzen. Andere meinten hingegen, dass Frauen auf den Erfahrungsschatz von Männern in Macht- und Führungspositionen nicht verzichten sollten.

Es ging folglich auch um politische Macht und Meinungsführerschaft und wie Frauen sich ihrem Anteil an der Bevölkerung entsprechend auch im Netz stärker durchsetzen können. Als eine der Strategien wurde der "Female Follow Friday" diskutiert, also die Empfehlung von interessanten Twitter-Accounts von Frauen am bereits eingeführten "Follow Friday" auf Twitter mit einem #FFF statt dem üblichen #FF. Liechtenecker selbst fand auch den Workshop zur Programmiersprache spannend: "Frauen haben vor Technik oft eine unbegründete Scheu, dabei gelten sie ja sonst auch als  sprachbegabt." Frauen sollten demnach also die Kompetenzen, die ihnen klischeehaft zugeschrieben werden, nutzen und durchaus auch damit das Vorurteil, dass Technik nichts für Frauen sei, aufbrechen.

Ein wenig Macht entfaltete das "femcamp" jedenfalls auch selbst: Die Diskussion im Netz schaffte es in dem Twitter-Ranking "Trending Topics" auf Platz eins in Österreich und auf Platz drei im deutschsprachigen Raum. Breuss beschreibt die TeilnehmerInnen als bunte Mischung, von der "Ökofrau über männliche Feministen bis hin zu Frauen ohne Diskriminierungserfahrungen am Beginn ihrer feministischen Karriere". Sie hat diese Vielfalt an aktiven Frauen im Netz "neu motiviert. Das war Empowerment pur." (Martina Madner, dieStandard.at, 28.3.2013)