In Montpellier gibt sich erstmals ein schwules Paar in Frankreich das Ja-Wort - die Stadt gilt als besonders offen für LGBT-Personen.

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Paris/Montpellier - Trotz des erbitterten Widerstands der konservativen Opposition und der katholischen Kirche hat Frankreich als 14. Land weltweit die Ehe für Homosexuelle eingeführt. Die französische Nationalversammlung votierte am Dienstag in einer abschließenden Abstimmung mit deutlicher Mehrheit für die Homo-Ehe und ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Opposition will das Gesetz nun vor dem Verfassungrat des Landes anfechten.

Für die Einführung der Homo-Ehe stimmten in zweiter und letzter Lesung 331 Abgeordnete, 225 ParlamentarierInnen stimmten dagegen. Nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses applaudierten die Abgeordneten der regierenden Sozialisten und riefen "Gleichheit, Gleichheit". In der Nationalversammlung war es kurz zuvor zu tumultartigen Szenen gekommen, als GegnerInnen der Homo-Ehe auf der Publikumstribüne ein Protestbanner entfalten wollten. Die AktivistInnen wurden aus dem Saal geführt.

Opposition rief Verfassungsrat an

Die Oppositionsparteien UMP und UDI riefen am Dienstag umgehend nach der Abstimmung wie angekündigt den Verfassungsrat an, um das Gesetz anzufechten. Die Senatoren beider Parteien erklärten unter anderem, die gesetzliche Definition der Ehe könne nicht durch ein einfaches Gesetz verändert werden. Die Verfassungshüter haben einen Monat Zeit, den Widerspruch zu prüfen.

Familienministerin Dominique Bertinotti hatte sich am Dienstagmorgen zuversichtlich gezeigt, dass der Verfassungsrat das Gesetz nicht beanstanden werde: Bei der Anfertigung des Textes sei darauf geachtet worden, dass dieser "keine juristische Schwäche" enthalte, sagte sie dem Sender i-Tele.

Hollande kann das Gesetz mit seiner Unterschrift umgehend in Kraft setzen, wenn der Verfassungsrat grünes Licht gibt. Der Verfassungsrat hatte bereits Ende Dezember ein Prestigeprojekt Hollandes gestoppt: Die Richter erklärten die umstrittene Reichensteuer von 75 Prozent auf Einkommen über eine Million Euro für verfassungswidrig.

Vincent und Bruno sagen "Oui"

Ungeachtet der ganzen Unsicherheiten liefen bereits seit Monaten die Vorbereitungen für die erste gleichgeschlechtliche Ehe Frankreichs, die Ende Juni gefeiert werden soll, auf Hochtouren. Und auch das Paar, das sich das Ja-Wort geben wird, steht schon fest: Vincent Autin und Bruno im südfranzösischen Montpellier.

Die Großstadt an der Mittelmeerküste gilt wegen ihrer lebendigen LGBT-Szene (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) auch als "San Francisco" Frankreichs. "Wir werden diese Hochzeit zu einem Ereignis für alle machen. Es wird öffentlich sein, offen für alle AktivistInnen, für die Vorsitzenden von französischen und internationalen Schwulengruppen, für die Presse", kündigt der 40-jährige Vincent Autin an.

Der Chef einer PR-Agentur und Vorsitzende einer Schwulen- und Lesbenvereinigung in Montpellier hatte seinen Lebensgefährten Bruno vor sieben Jahren kennengelernt. Der 29-jährige Beamte, der seinen Familiennamen nicht nennen will, versichert wie sein Freund: "Wir geben uns aus Liebe das Ja-Wort." Eine Familie wollen beide gründen, auch ein Kind adoptieren. "Das Gesetz wird das zulassen, aber wir wissen sehr gut, dass wir nicht schon morgen das Kind haben werden, das wir uns wünschen." Beiden ist klar, dass sich Mentalitäten ändern müssen und dass Adoptionsverfahren immer lange dauern. "Alles kann man nicht über Nacht machen."

Montpellier: "Schwulenfreundlichster Ort Frankreichs"

Dass die erste gleichgeschlechtliche Ehe im Land in der südfranzösischen Metropole gefeiert wird, liegt auch an der Unterstützung durch die sozialistische Bürgermeisterin Helene Mandroux. Sie sieht die Gesellschaftsreform als Segen für ihre Stadt, die kürzlich von einem französischen Queer-Magazin zum schwulenfreundlichsten Ort Frankreichs gekürt wurde. Nicht zuletzt deshalb versprach im vergangenen September Regierungssprecherin Najat Vallaud-Belcacem der Bürgermeisterin, dass die erste gleichgeschlechtliche Ehe in ihrer Stadt abgehalten werde.

Im Rathaus besteht angesichts der Massendemonstrationen in den vergangenen Monaten gegen die Einführung der Ehe für Lesben und Schwule indes die Sorge, dass die Hochzeitsfeier von Vincent und Bruno zu einem neuen Schauplatz für massive Proteste werden könnte. "Natürlich werden die Gegner da sein. Aber vielleicht werden diejenigen, die Nein sagen, und die das Recht haben, Nein zu sagen, verstehen, dass die Republik über die Gewalt siegen wird", hebt Mandroux hervor.

Politisches Signal

Für Vincent und Bruno soll ihre Hochzeit auf jeden Fall auch ein politisches Zeichen setzen - nach Jahren des Einsatzes für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Denn nun wird Frankreich aller Voraussicht nach das 14. Land weltweit, das die gleichgeschlechtliche Ehe einführt. (APA/red, dieStandard.at, 23.4.2013)