Judith Schwentner konfrontiert Robert Stoppacher: Zu wenige Frauen in ORF-Diskussionen.

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Grafik zum Frauenanteil im Fernsehen.

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STANDARD: Der Frauenanteil in ORF-Diskussionen stagniert bei 26 Prozent. Wieso?

Stoppacher: Bei Im Zentrum gibt es eine leichte Steigerung. Damit bin ich noch nicht restlos zufrieden, aber der Trend stimmt. Es gibt ganz viele, sehr kluge und eloquente Frauen, aber wir stoßen immer auf dasselbe Problem: dass sie sich's nicht zutrauen, in unsere Livesendungen zu kommen. Dazu kommt, dass wir die Gesellschaft abbilden, und wenn wir Entscheidungsträgerinnen möchten, stehen wir schnell an.

Schwentner: Ich unterstelle nicht, dass Sie nicht versuchen, Frauen vorkommen zu lassen. Aber vom ORF erwarte ich mir Strategien.

Stoppacher: Wir tun das. Wir haben das Projekt "New Faces" initiiert, weil wir davon ausgehen, es gibt in der Gesellschaft sehr viele Expertinnen. Der Auftrag ist klar: Bitte Frauen suchen! Natürlich wären wir gern bei den 50 Prozent.

Schwentner: Bei 29 Prozent im Vergleich zu 28 Prozent im Vorjahr bei Im Zentrum: Danach wären wir in 21 Jahren so weit ...

Stoppacher: Im Zentrum versteht sich als wochenaktuelle Politsendung. Zuletzt haben wir über die Freiheitlichen diskutiert, da wird's schwierig ...

Schwentner: Gerade bei den Freiheitlichen fände ich die Frage interessant, warum da keine Frauen vorkommen?

Stoppacher: Die Einzige, die dazu etwas zu sagen hätte, hat abgesagt.

STANDARD: "Weiche" Themen weiblich zu besetzen - ganz böse?

Schwentner: Die Vereinbarkeit von Kind und Beruf ist in Wahrheit ein sehr hartes Thema, das sowohl Männer als auch Frauen betreffen. Insofern fehlen mir die Männer speziell in diesen Diskussionen.

Stoppacher: Ich gebe Ihnen grundsätzlich Recht. Bei einem Talk wie dem von Barbara Stöckl ist der Frauenanteil höher.

Schwentner: Je später die Stunde, umso niedriger ist offenbar die Schwelle, Frauen einzuladen.

Stoppacher: Ich verweise noch einmal auf die praktischen Gründe. Ein hochrangiger Parlamentarier sagt bei meinem Anruf sofort: Ja, ich komme. Und dann: Worum geht's? Männer drängen tendenziell stärker in Medien als Frauen.

Schwentner: Das klingt wie ein Vorwurf an die Frauen. Der Ball wird zurückgespielt. Es geht um Ermutigungsprozesse.

STANDARD: Wie könnten die ausschauen?

Schwentner: Es liegt am Zugang. Die Sexismusdebatte in Im Zentrum hat mich besonders geärgert. Ich verstehe nicht, warum der ORF Michael Jeannée einlädt und damit das Thema verhöhnt.

Stoppacher: Jeannée vertritt eine Meinung, die kein geringer Teil der Österreicher vertritt.

Schwentner: Aus den Reaktionen war zu sehen, dass viele Männer mit dieser Haltung gar nicht einverstanden sind.

Stoppacher: Wir wollten polarisieren.

Schwentner: Ja, aber zu welchem Preis? Es geht um sexualisierte Gewalt und darum, was tagtäglich in unserer Gesellschaft passiert.

Stoppacher: Ich halte nichts von Auftrittsverboten.

Schwentner: Ich finde das mehr als enttäuschend.

STANDARD: Fehlt der "Club 2"?

Schwentner: Die gesellschaftspolitischen Diskussionen aufzugeben, ist schade.

Stoppacher: Da sind wir uns einig. (Doris Priesching, DER STANDARD, 8.5.2013)