Bild nicht mehr verfügbar.

Opfern von Sexualverbrechern geht es in erster Linie darum, dass ihnen geglaubt wird und dass der Täter verurteilt wird. Die Höhe der Strafe ist dabei sekundär, meint Barbara Michalek vom Frauennotruf Wien.

Foto: APA/IT-Innerebner GmbH

Ab Juli müssen überführte Vergewaltiger mit einer Haftstrafe von mindestens einem Jahr rechnen. Justizministerin Beatrix Karl reagiert mit der Anhebung von einem halben auf ein ganzes Jahr Mindeststrafe auf eine Welle der Empörung, die 2012 durch den Urteilsspruch über einen Vergewaltiger in Salzburg losgetreten wurde. Er durfte seine geringe unbedingte Haftstrafe mit einer Fußfessel absitzen.

Mit der Novelle werden nun zwar neue gesetzliche Fakten geschaffen, doch ändern diese tatsächlich etwas an der Lage von Vergewaltigungsopfern, die sich vom österreichischen Justizsystem oft im Stich gelassen fühlen?

Strafandrohung als Maß für gesellschaftliche Anerkennung

Einrichtungen wie der Frauennotruf in Wien arbeiten tagtäglich mit Mädchen und Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren - und die darauf-folgende Strapaz eines Prozesses. Für die Leiterin der Einrichtung, Barbara Michalek, ist die Anhebung der Mindeststrafe ein gesamtgesellschaftlich wichtiges Zeichen. "Das bisherige Mindeststrafmaß von einem halben Jahr war eindeutig zu wenig", so die Expertin. Denn mit der Höhe der Strafdrohung misst der Gesetzgeber – juristisch gesprochen – den Unwertgehalt einer Tat, also wie sehr eine Straftat unser Rechtsempfinden verletzt.

Nur weil die Mindeststrafe auf ein Jahr angehoben wurde, heißt das aber noch lange nicht, dass überführte Vergewaltiger künftig längere Haftstrafen von den RichterInnen bekommen werden. Auch wird es weiterhin möglich sein, dass Verurteilte teilbedingte Haftstrafen bekommen und damit weniger als ein Jahr im Gefängnis bleiben müssen. Zudem zeigt der Blick auf die Statistik des Justizministeriums, dass die meisten Vergewaltiger schon jetzt zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt werden.

Geringe Verurteilungsquote

Die Novelle wird also nichts wesentliches am juristischen Umgang mit Sexualtätern ändern. Um das Problem der schwierigen Strafverfolgung von Sexualverbrechern in den Griff zu bekommen, müsste man viel tiefer ansetzen. Seit langem ist etwa bekannt, dass die allermeisten Verfahren wegen geschlechtlicher Nötigung aber auch wegen Vergewaltigung im Sand verlaufen. Nur 13,3 Prozent aller Anzeigen wegen Vergewaltigung (Stand 2010) münden auch tatsächlich in einen Urteilsspruch. Viele Opfer von schweren sexuellen Übergriffen müssen damit fertig werden, dass ihr erfahrenes Unrecht keine Konsequenzen für den Täter hat.

Auch Michalek gibt zu bedenken, dass das eigentliche Problem beim Sexualstrafrecht nicht bei den angedrohten Strafen liegt. Als Opfer-Vertreterin stört sie das, was vor dem Urteilsspruch passiert. Und das ist allzu oft die frühzeitige Einstellung des Verfahrens, weil die Staatsanwaltschaft das Beweismaterial gegen den Beschuldigten als unzureichend einstuft. "Da müssten wir eigentlich ansetzen", meint Michalek und hat auch gleich Verbesserungsvorschläge parat.

Bei der kontradiktorischen Einvernahme hätte die Staatsanwaltschaft die Gelegenheit, das Opfer persönlich kennenzulernen und sich ihre Geschichte erzählen zu lassen. Eine Möglichkeit, die von der Staatsanwaltschaft zu wenig oft wahrgenommen werde, so Michalek. Das größte Problem für Vergewaltigungsopfer bestehe darin, dass die Tat besonders schwer zu beweisen ist.

Aussage gegen Aussage

Warum dem so ist, ist leicht umrissen: Beim Vorwurf der Vergewaltigung liegen fast immer zwei unterschiedliche Aussagen vor, und es gibt meistens keine ZeugInnen für das Geschehen. Bleiben also noch die Sachbeweise, wie körperliche Verletzungen und DNA-Material des mutmaßlichen Täters auf dem Körper des Opfers.

Doch selbst wenn das Opfer Kratzspuren oder Hämatome von der Tat davongetragen hat und DNA-Spuren gesichert wurden, stellt sich für das Gericht immer noch die Frage, ob die Verletzungen tatsächlich von dieser Tat stammen und ob der Sex vielleicht einfach nur "härter" war. So bleibt oft als Hauptbeweis die Aussage des Opfers.

Fokus auf Gegenwehr des Opfers

Vieles hängt bei Gericht von der Frage ab, ob das Opfer körperliche Gegenwehr geleistet hat und diese auch glaubhaft schildern kann. Wenn die Frau die Tat über sich ergehen lässt, ohne eine körperliche Gegenreaktion zu zeigen, dann ist es laut Gesetz auch keine Vergewaltigung.

Für Michalek ist klar: Der Gesetzestext hinkt hier den wissenschaftlichen Erkenntnissen der psychotraumatologischen Forschung hinterher. Heute wisse man, dass viele Gewaltopfer keine Gegenwehr leisten können. Dennoch sind es bis heute die Frauen, die vor Gericht erklären müssen, wie sie ihr Nicht-Einverständnis kundgetan haben, während die beschuldigten Männer selten die Frage gestellt bekommen, was sie am Einverständnis der Frau so sicher machte.

Der ganze Prozess der Beweisführung und des Verfahrens spiegelt damit auch Vorstellungen von Heterosexualität wieder, die in unserer Gesellschaft tief verankert sind – etwa, dass ein Mann das Nein einer Frau nicht unbedingt ernstnehmen muss, und es mindestens einer körperlichen Gegenwehr bedarf, damit er das Nicht-Einverständnis zum Sex verstehen kann.

Po-Grapschen

Diskutiert wurde außerdem, mit der Novelle auch gleich das "Po-Grapschen" im Sexualstrafrecht zu verankern, doch Frauenministerin Heinisch-Hosek konnte sich mit ihrem Vorschlag bekanntlich nicht durchsetzen. Wenn auch hier die Beweisführung schwierig gewesen wäre, so hätte die Verankerung doch dazu beigetragen, das Unrechtsbewusstsein für unerwünschte Berührungen dieser Art zu stärken. Schon jetzt werden unerwünschte Berührungen an Brust und Genitalien im Strafgesetzbuch als "geschlechtliche Handlung" gewertet und stehen unter Strafe. Für den Po soll das laut Justizministerin Karl aber nicht gelten. Sie verwies stattdessen auf die Möglichkeiten im Zivilrecht: Dort ist es möglich, gegen einen solchen Angriff als Eingriff in die Privatsphäre vorzugehen.

Trotz der Zurückhaltung in dieser Frage scheint es aber auch im Justizministerium die Bereitschaft zu geben, der Selbstbestimmung von Frauen über ihren Körper mehr Gehör zu verschaffen. Karl hat vor kurzem eine Reformkommission ins Leben gerufen, die das gesamte Strafgesetz auf Straf-Unverhältnismäßigkeiten zwischen Delikten gegen Leib und Leben und Vermögensdelikten sowie auf unangemessene oder auch veraltete Begrifflichkeiten untersuchen soll. 2014 werden die Ergebnisse öffentlich präsentiert werden. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 29.5.2013)