Szene aus der neuen Kampagne des Wirtschaftsministeriums "Kinder halten Österreich jung".

Foto: Screenshot_Kinder halten Österreich jung_BMW

Schau an, eine neue Ikea-Werbung - so scheint es zumindest auf den ersten Blick. Doch auf den zweiten stellt sich heraus: Da sollen nicht Möbel, sondern Kinder an das bockige Wahlvolk gebracht werden.

Das Ministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend zeichnet gemeinsam mit den Familienverbänden für die Kampagne verantwortlich, die in ihrem Feelgood-Faktor eher an die Werbeschiene des schwedischen Einrichtungshauseses erinnert als an den offenbar minder erfüllten Reproduktionsauftrag. In dem Spot "Kinder halten Österreich jung" sehen wir Kinder, die sich und ihre Umwelt erproben. Wie es um die Nerven der Eltern steht, wenn der kleine Racker 100-mal das Licht ein- und ausschaltet, die Kurze sich und das ganze Bad mit Klopapier verkleidet oder dem Gesicht des kleinen Bruders mit Filzstift eine Kriegsbemalung verpasst. Die Kleinen tun das alles in einem perfekt eingerichteten Bad in einer schicken, lichtdurchfluteten Wohnung. Hinter dem Teenager, der wutentbrannt die Tür zuschlägt, ist ein riesiges Jugendzimmer zu sehen, und ein Baby wird an einem Tisch gefüttert, auf dem sich unter jedem Teller - standesgemäß - ein Platzteller befindet.

Kluft zwischen Wunsch und Realität

Der Spot will für mehr "Familien- und Kinderfreundlichkeit" werben, heißt es auf der Ministeriums-Website, die die Kampagne vorstellt. Die Kluft zwischen Wunsch und Realität mache Familienminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) Sorgen. So würden sich die ÖsterreicherInnen zwar im Schnitt zwei Kinder wünschen, die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt allerdings nur bei  1,43. Und in der Tat liefert die Website zur Kampagne auch Informationen über finanzielle Unterstützungen und Kinderbetreuung, bei der nun auch die ÖVP für die unter Dreijährigen Ausbaubedarf sieht.

Liegt es an fehlender "Kinderfreundlichkeit"?

Doch die Bilder des Spots, die die ÖsterreicherInnen wohl weit öfter erreichen werden als sämtlich Informationstexte zur Kampagne, erwecken einen höchst unangenehmen Eindruck. Sie vermitteln, dass doch bitte zuallererst an der eigenen Einstellung gearbeitet werden soll, bevor man das Thema Kind aus dem eigenen Lebenskonzept streicht. In Kombination mit den Szenen aus dem offenkundig gut situierten Umfeld muten solche Ansprüche schlichtweg zynisch an: Denn ist es tatsächlich fehlende "Kinderfreundlichkeit", die die Geburtenrate sinken lässt? Oder doch eher ein immer unsicherer werdender Arbeitsmarkt sowie die noch immer fehlende faire Aufteilung der Familienarbeit und der Karenzzeiten, über die viele Frauen und Männer nur auf Basis ökonomischer Überlegungen entscheiden können? Oder vielleicht auch die Tatsache, dass Alleinerziehende am stärksten von Armut gefährdet sind?

Berechtigte Befürchtungen

Es gibt begründete Ängste und Befürchtungen beim Thema Kinderkriegen. Diese liegen auch darin begründet, dass die Versprechen nach mehr und leistbarer Kinderbetreuung mit vernünftigen Öffnungszeiten bisher nicht eingelöst wurden. Und dass die ÖVP bei Vorschlägen wie verpflichtender Karenz für beide Elternteile weiterhin mit "Wahlfreiheit" abwinkt, schürt auch nicht gerade Hoffnungen. Nicht zu vergessen, dass "Familien- und Kinderfreundlichkeit" bei Lesben und Schwulen offenbar weniger gern gesehen ist, was die konsequente Verhinderung einer gänzlichen rechtlichen Gleichstellung zeigt.  

Solange die Politik in diesen Dingen nicht tätig wird, sind fröhliche Videoclips, die "Mut zu Kindern" machen sollen, schlichtweg deplatziert und zeigen, dass die Verantwortlichen die berechtigten Ängste potenzieller Eltern nicht ernst nehmen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 17.6.2013)