Wien/Neusiedl am See - Das Ende des Vorjahres beschlossene und im Februar in Kraft getretene Familienrechtspaket ist Themenschwerpunkt der derzeit stattfindenden Richterwoche 2013 in Neusiedl am See. Vonseiten der Betroffenen - VertreterInnen von Vätern, Müttern und der Kinder- und Jugendanwaltschaft - gab es am Dienstag Lob ebenso wie Kritik. Positiv hervorgehoben wurde vor allem die per Juli startende Familiengerichtshilfe und die BesuchsmittlerInnen. Gefordert werden etwa noch Standards für die Elternberatung.

Kolbitsch: Positives Feedback der Eltern über Hilfestellung

Rechtsanwältin Christine Kolbitsch - sie war etwa im Beraterstab von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek - hält die Familiengerichtshilfe für eine "große Errungenschaft". Auch die Rückmeldungen der Eltern seien positiv, diese seien angetan davon, wie viel Zeit man sich bei der Einrichtung für sie nehme. Den Gerichtshilfen würden vom Gesetz her weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, um mit den Eltern zu arbeiten und den Gerichten eine Entscheidungsgrundlage zu geben aus Erkenntnissen, die sie aus einem längeren Beobachtungszeitraum gewonnen haben. Auch die BesuchsmittlerInnen hält sie für eine gute Einrichtung, denn gerade bei der Übergabe der Kinder etwa kommt es oft zu Konflikten zwischen den Eltern. Die BesuchsmittlerInnen könnten hier deeskalierend wirken.

Problemfall Gewalt in der Familie

Kritisch äußerte sich Kolbitsch über eine verordnete gemeinsame Obsorge nach sehr konfliktreichen Trennungen oder in Familien, wo Kinder Gewalt miterlebt haben. In diesen Fällen kann die gemeinsame Obsorge gegen den Willen eines Elternteils nicht funktionieren und wäre auch nicht im Sinne des Kindeswohls. Sie zeigte sich überzeugt, dass die gemeinsame Obsorge Vätern nicht automatisch mehr Kontakt zum Kind verschafft. Ihrer Meinung nach hätte es bessere Überlegungen zur Durchsetzbarkeit von Kontaktrechten bedurft.

Dass die Obsorge beider Eltern kein Allheilmittel ist, insbesondere wenn Gewalt im Spiel war oder es nie Kontakt zum Kind gegeben habe, stehe außer Zweifel, meinte auch die Kinder- und Jugendanwältin Christine Winkler-Kirchberger. Die Abkühlphase (Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung) könne zur Beruhigung der Situation beitragen und dazu, dass es mit Unterstützung wirklich zu Gesprächen kommen kann. Auch könne dadurch verhindert werden, dass es nur darum geht, wer als Sieger oder Verlierer aus dem Fall herausgeht.

Qualitätskriterien für die Elternberatung

Die Familiengerichtshilfe und die Besuchsmittler sieht auch Winkler-Kirchberger sehr positiv: "Ich hoffe, dass sie beitragen können, frühzeitig zu Lösungen zu kommen und die Verfahrensdauer zu verkürzen. Ich habe große Hoffnungen in die Familiengerichtshilfe." Winkler-Kirchberger forderte weiters Standards für die Elternberatung, nämlich Richtlinien zur Gestaltung von Rahmenbedingungen und dem Setting, Kriterien zur Qualifikation der Berater sowie inhaltliche Standards zur Ausrichtung der Beratung.

Modell "Doppelresidenz"

Anton Pototschnig, Sozialarbeiter und Obmann des Vereins "Doppelresidenz", vertrat in der Diskussion die Position von Vätern und forderte unter anderem eine gesetzliche Verankerung der Doppelresidenz. Diese würde beiden Elternteilen gleichermaßen den Kontakt zum Kind ermöglichen. In vielen Ländern, etwa Belgien oder Australien, sei die Doppelresidenz gesetzlich verankert. Das Modell werde in diesen Ländern "nicht dämonisiert", sondern als wichtige Betreuungsform oder sogar das beste Modell angesehen, meinte Pototschnig. Er verwies auf Studien, wonach durch die Doppelresidenz die Folgen der Trennung für die Kinder weniger zu tragen kämen. Dass der permanente Wohnsitzwechsel mitunter auch beschwerlich sein kann, wolle er nicht verschweigen. Dies würde aber aufgrund des "hohen Gewinns" in Kauf genommen, so der Obmann der Plattform.

Wichtigstes Anliegen der Väter sei, in ihrer Liebe zum Kind ebenso ernst genommen zu werden wie die Mütter: "Das ist leider nicht der Fall", meinte Pototschnig. Er kritisierte, dass die Kontaktgestaltung im wesentlichen von den Müttern bestimmt wird. 14-tägige Kontakte für wenige Stunden seien daher für Väter nicht unüblich. Für kleine Kinder seien zwei Wochen aber "immens große Zeiträume", stellte Pototschnig fest. (APA, 25.6.2013)