Auch in der Jugendstrafanstalt in Gerasdorf gab es 2013 bereits einen schweren Missbrauchsfall.

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Wien/Graz/Linz - Neben der Vergewaltigung eines 14-Jährigen in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien-Josefstadt soll es 2013 zu mindestens drei weiteren sexuellen Übergriffen im Jugendstrafvollzug gekommen sein. Sven Pöllauer, Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP), und der Leiter der Vollzugsdirektion, Peter Prechtl, bestätigten entsprechende Berichte der Wochenzeitung "Falter" und der Tageszeitung "Die Presse".

Ein interner Bericht zu den Vorfällen sei der Justizministerin bereits am Freitag vorgelegt worden. Als ersten Schritt habe Karl die Berichtspflicht geändert: "Zukünftig müssen solche Fälle von den betroffenen Anstalten direkt der Ministerin gemeldet werden", sagte Pöllauer. Eine persönliche Stellungnahme Karls zu der Causa gab es aber auch Mittwochfrüh noch nicht.

Drei neue Fälle bekannt

Laut neuesten Medienberichten ist in der Justizanstalt Gerasdorf bereits Anfang Jänner ein damals 16-Jähriger von einem ein Jahr älteren Mitgefangenen mit einem Besenstiel vergewaltigt worden.

Auch in den Jugendabteilungen der Justizanstalten in Graz und Linz soll es zu Missbrauchsfällen gekommen sein. "Beide wurden angezeigt, es gibt den Verdacht auf sexuelle Handlungen, aber beide Fälle befinden sich noch im Verfahrenszustand", sagte Prechtl.

Anklage in Gerasdorf erhoben

Der Übergriff in Gerasdorf unterscheidet sich deutlich von jenem in der Josefstadt. In Gerasdorf war es nicht in einer Zelle, sondern im an sich überwachten Fitnessraum zum Missbrauch des 16-Jährigen gekommen - an einem "Vormittag am Wochenende, kurz vor der Bewegung im Freien", wie Prechtl sagte. 

Zu diesem Zeitpunkt stünden die Zellen offen, die etwa 30 Insassen könnten sich frei bewegen. "Zwei Beamte haben da in der Regel Dienst, sie können nicht alles zugleich überwachen", sagte Prechtl, dem zufolge der Verdächtige sofort angezeigt wurde. Die Anklageschrift sei bereits fertig, demnächst komme es zur Verhandlung. Wie die "Presse" berichtet, könnte es Beweisprobleme geben, da das Opfer eine umfassende medizinische Untersuchung verweigert hätte.

"Trotz allem Einzelfälle"

Den Opfern wurde vom Ministerium Unterstützung zugesagt, erklärte Pöllauer. Karl habe sich "auch in dem Gerasdorfer Fall brieflich an das Opfer gewandt" und auf die Möglichkeiten von Entschädigungszahlungen hingewiesen.

Die Ministerin sprach bisher stets davon, dass die Vergewaltigung in Josefstadt ein Einzelfall gewesen sei. In der ZIB 2 am Dienstag verwiese Prechtl erneut darauf, dass es sich "trotz allem um Einzelfälle" handelt.

Grüne fordern Rücktritt von Ministerin Karl

In einer Reaktion auf die Berichte sagte der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser: "Justizministerin Karl ist rücktrittsreif. Eine Ministerin, die öffentlich von einem Einzelfall spricht, obwohl ihr bekannt sein müsste, dass es weitere sexuelle Gewaltdelikte im Jugendstrafvollzug gegeben hat, ist nicht mehr vertrauenswürdig."

Besonders schwer wiegt für Steinhauser der Umstand, dass Karl nicht offensiv über die schwierigen Rahmenbedingungen im Jugendstrafvollzug informierte, sondern sich auf die Position zurückzog, dass alles qualitativ gut funktioniere. "Die Justizministerin hat entweder vom weiteren Vergewaltigungsfall bereits gewusst und die Öffentlichkeit falsch informiert, oder sie hat es nicht gewusst, was für eine Ressortverantwortliche untragbar ist", kritisierte Steinhauser.

Team Stronach: Justizskandal

Auch das Team Stronach sprach in dem Fall von einem Justizskandal: "Karl hat einen tragischen Missbrauchsfall in der Justizanstalt Josefstadt als Einzelfall verharmlost und will offenbar weitere Fälle vertuschen. Das ist ein Skandal. Ich erwarte mir von Karl, dass sie endlich Maßnahmen setzt, damit so etwas nie mehr passiert. Andernfalls ist Karl rücktrittsreif", so Jugendsprecher Stefan Markowitz: "Es ist zu befürchten, dass es sich nur um die Spitze des Eisbergs handelt und solche schrecklichen Fälle in österreichischen Haftanstalten regelmäßig passieren."

Insgesamt 124 Jugendliche in Haft

124 Jugendliche (im Alter von 14 bis 18 Jahren) befanden sich am Dienstag in Österreich in Haft. "Es wird viel getan, wir beraten uns intern und extern. Wir sensibilisieren unsere Mitarbeiter. Aber in Gefängnissen kommt es immer wieder zu Konflikten. Es ist ein schwieriges Metier für alle, die dort arbeiten", betonte Prechtl. (APA/red, derStandard.at, 9./10.7.2013)