Wien - Die Wiener Polizei hat am Freitag einen bulgarischen Menschenhändlerring gesprengt, der Frauen zur Prostitution zwang. "Die Nachfrage nach Sexdienstleistungen ist ungebrochen hoch", sagte Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle Menschenhandel im Bundeskriminalamt (BK), am Freitag. Insgesamt gibt es in Österreich 6.200 offizielle Prostituierte, dazu kommen nach Schätzungen des Experten rund 4.000 Geheimprostituierte.

Österreich ist bezüglich Menschenhandel und Prostitution sowohl Transit- als auch Zielland, sagte Tatzgern. Hierzulande tätige Prostituierte stammen laut dem Experten vorwiegend aus den EU-Staaten Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Slowakei, Tschechien und aus Polen, dahinter folgt bereits Nigeria. Viele Prostituierte werden ausgebeutet.

Frauen als "sehr verletzliche Gruppe"

Opfer von Menschenhändlern werden "immer wieder unter Druck gesetzt, durch psychische und physische Gewalt", so Tatzgern. Die Frauen seien eine "sehr verletzliche Gruppe". "Wenn sich eine Frau ein bisschen 'zieren' sollte, wird ihr gesagt 'Ich habe deine Tochter gesehen, magst du sie sprechen? Ich hoffe nicht, dass ihr etwas passiert. Wenn du brav arbeitest, passiert ihr nichts'", nannte Tatzgern ein Beispiel. Die Gewalt reiche bis zu Vergewaltigungen.

"Trotzdem gehen diese Opfer nicht oder nicht leicht zur Polizei oder einer NGO, das ist ein massives Problem", sagte Tatzgern. Denn entweder nehmen sich die Frauen selbst nicht als Opfer wahr oder sie trauen sich aus Angst vor Repressalien nicht mit Außenstehenden zu sprechen. "Die Ausbeuter kennen sie und ihre Familien, sie kommen oft aus der selben Region."

Hotline

Im Kampf gegen Menschenhandel hat das BK vor drei Jahren eine Hotline eingerichtet, an die sich jede Bürgerin und jeder Bürger wenden kann, wenn sie/er eine Situation beobachtet, hinter der "moderne Sklaverei" vermutet wird. Via 24-Stunden-Telefonhotline oder Mail können Vorfälle auch anonym gemeldet werden. Dem überwiegenden Teil der Kunden von Prostituierten sei es jedoch egal, ob die Frauen Opfer von Menschenhandel sind.

"Sie sagen 'Ich hab damit nichts zu tun, ich möchte nur die Sexdienstleistung in Anspruch nehmen, alles andere interessiert mich nicht'", beklagte Tatzgern. Er rät dazu, ein E-Mail über einen anonymen Account zu schreiben. "Wir gehen dem dann zu 100 Prozent sicher nach und leiten, egal wo das passiert, sofort entsprechende Ermittlungen ein." Auch Vorfälle im Ausland, beispielsweise Bulgarien oder Rumänien, sollen gemeldet werden, empfiehlt der Experte.

Die Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (Verein LEFÖ) betreute im Vorjahr insgesamt 243 Frauen. "Wir haben in Ermittlungsfällen 103 Opfer von Menschenhandel und grenzüberschreitendem Prostitutionshandel identifiziert", so Tatzgern. Dazu wurden 2012 insgesamt 116 Tatverdächtige ausgeforscht. "Wir sind zuversichtlich, dass wir heuer noch mehr Opfer identifizieren können", sagte der Experte. So werde versucht, alle Beteiligten, auch Betreiber von Etablissements, zu sensibilisieren. Denn es könne auch nicht im Interesse eines Laufhausbesitzers sein, Opfer von Menschenhändlern zu beschäftigen, sagte Tatzgern. (APA, 19.7.2013)