Bild nicht mehr verfügbar.

Die künftige 10-Pfund-Banknote Großbritanniens wurde im Juli präsentiert. Auf der Geldnote wird ab 2017 die britische Autorin Jane Austen zu sehen sein.

Foto: AP

Maria Rauch-Kallat ist schon einiges gewöhnt. 1983 saß sie für die ÖVP zum ersten Mal im Parlament, wurde in der Folge Umweltministerin, später Jugend- und Familien- und 2002 Gesundheits- und Frauenministerin.  An Beschimpfungen hat sie da so Einiges ertragen müssen. Früher bekam sie Herabwürdigungen und auch Drohungen per Brief zugeschickt. Später wurde via Mail oder anonym in Onlineforen gegen sie gewütet. Die Raserei mancher BürgerInnen kam in Wellen. Besonders arg ging es nach ihrem Antrag auf Änderung der österreichischen Bundeshymne zu. Dass es dort statt "Heimat bist du großer Söhne" nun "Heimat großer Töchter, Söhne" heißt, war manchen ein willkommener Anlass, Rauch-Kallat zum Beispiel als "Vollidiotin" zu beschimpfen.

Grüne: Terezija Stoisits und Madeleine Petrovic in der Schusslinie

Bei den Grünen waren es vor allem Terezija Stoisits und Madeleine Petrovic, die Ziel tiefster Ressentiments, Beschimpfungen und Bedrohungen wurden. Bombenattentäter Franz Fuchs adressierte 1993 Briefbomben an die beiden PolitikerInnen, die aber rechtzeitig entdeckt und entschärft wurden. Petrovic hatte danach lange Zeit Personenschutz.

Heute hagelt es zwar kaum Drohungen, ungezügelte Wutausbrüche via Mail und vor allem in Onlineforen gibt es aber auch bei den Grünen immer wieder. "Immer wenn ein Thema hochkocht, wird der Mob aktiv", beschreibt Pressesprecher Reinhard Pickl-Herk jene gefürchtete Dynamik in Online- und Sozialen Medien. Früher war das eben die Migrationsthematik, heute erhalte man solche Reaktionen vor allem bei Antidiskriminierungs- und Frauenthemen.

Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek leitet manchen Beitrag, der ihr politisches Engagement verunglimpft, mitunter direkt an die Staatspolizei weiter. Besonders drastisch sei Anfang dieses Jahres eine Plakataktion mit anonymem Auftraggeber gewesen, erinnert sich ihre Pressesprecherin Julia Valsky. Unbekannte hatten in Heinisch-Hoseks Heimatgemeinde Guntramsdorf mehrere Plakate mit dem Konterfei der Ministerin affichiert. Die Frauenministerin wurde dabei als KZ-Wächterin vor dem Lager Auschwitz-Birkenau gezeigt, daneben sind die Schatten eines Vaters mit Kind zu sehen mit dem Satz "Väter haben keine Rechte.

Gar nicht "pfundig"

Den Microblogging-Dienst Twitter verwendet keine der (Ex-)PolitikerInnen. Genau dieses Kommunikationswerkzeug nutzten in den vergangenen Wochen jedoch hunderte Anonyme, um die britische Journalistin Caroline Criado-Perez wüst zu beschimpfen, ihr Vergewaltigung und andere Gewaltanwendungen anzudrohen. Auch ihre (nicht korrekte) Adresse wurde via Twitter gepostet. Der Auslöser in diesem Fall: Eine Banknote.

Criado-Perez, die Mitbegründerin von thewomensroom.org.uk und des feministischen Blogs Week Woman, hatte sich in einer Kampagne für den Verbleib von Frauenporträts auf britischen Pfundscheinen stark gemacht. 22.000 Unterschriften sammelte die freie Journalistin laut eigenen Angaben innerhalb einer Woche für dieses Anliegen, nachdem die Bank of England Ende April bekannt gegeben hatte, dass die britische Gefängnisreformerin Elizabeth Fry ihren Platz auf der 5-Pfund-Note für Premier Winston Churchill freimachen müsse. Jetzt, knappe vier Monate später, kann sich Criado-Perez über die Erreichung ihres Kampagnenziels freuen. Die künftige 10 Pfund-Note wird das Konterfei der britischen Autorin Jane Austen zieren (ab 2017), wie die Bank of England nach massivem öffentlichen und politischen Druck bekanntgab. "Ich war überwältigt", schreibt dazu Criado-Perez in einem Leitartikel für den Independent.

Der Reihe nach: Durch den steigenden Druck von außen (inklusive der Unterschriften von 46 Labour-ParlamentarierInnen) wird nun Charles Darwin von der 10-Pfund-Note weichen. Neues Gesicht auf dem 10er ist ab 2017 Autorin Jane Austen. Und die Bank gelobte, sicherstellen zu wollen, dass die britischen Geldscheine auch die Vielfalt der britischen Gesellschaft wiederspiegeln würden. "Ich war überwältigt", schreibt dazu Criado-Perez in einem Leitartikel für den Independent.

Das, was danach passierte, hat die junge Frau ebenfalls überwältigt. Anfeindungen war sie ja bereits vor der Banknoten-Kampagne gewohnt. "Das waren einfach ungute Leute, die keine Feministinnen mögen", sagt die 29-Jährige dem Guardian. Jetzt hatte sie Sache plötzlich einen anderen Unterton. "Hey Schätzchen, sag Bescheid, wenn du bereit dafür bist, dich in deine Schranken weisen zu lassen", stand da etwa in an sie gerichteten Tweets. Dutzende andere drohten mit Vergewaltigung und anderer Gewalt, jede Stunde rund 50 dieser Art.

Mobilisierung nach Anfeindungen

Criado-Perez machte das Erlebte öffentlich. Und bekam auch in dieser Sache große Unterstützung. Über 11.000 Leute hatten innerhalb eines Tages eine Online-Petition unterzeichnet, in der Twitter dazu aufgefordert wird, eine Art Missbrauchs-Melde-Button einzuführen mit dem solche Übergriffe schneller geahndet werden können. Am vergangenen Wochenende hatten sich NutzerInnen zusammengeschlossen und das Netzwerk für 24 Stunden mit Schweigen gestraft.

Zwei Journalistinnen, die öffentlich für Criado-Perez Stellung bezogen hatten, wurden in der Folge selbst Ziel von Drohungen. India Knight und Laurie Penny  erhielten, sowie mehrere andere Frauen, die sich gegen Gewalt in sozialen Netzwerken aussprachen, Bombendrohungen via Twitter. Scotland Yard hat bereits zu ermitteln begonnen, zwei Verdächtige wurden festgenommen. Twitter-Chef Tony Wang bezeichnete solche Tweets als "einfach nicht akzeptabel" , zusätzliches Personal soll sich um gemeldete Tweets kümmern.

Und Initiatorin Criado-Perez? Sie wundert sich in einem TV-Interview darüber, "dass so eine kleine Sache solche immensen Reaktionen hervorrufen kann". Für sie zeigt die Entwicklung der vergangenen Tage, "wie weit wir noch immer gehen müssen" und welch großen kulturellen Wandel es in Sachen Frauenrechte noch brauche. (red, dieStandard.at, 08.08.2013)