Wien - Die einen gehen ganz gerne ins Büro, weil sie nette KollegInnen haben und ausreichend verdienen, die anderen leiden unter körperlichem oder psychischem Stress am Arbeitsplatz und kommen noch dazu mit ihrem Verdienst kaum über die Runden: Die Jobzufriedenheit in Österreich schwankt enorm, wie die Arbeitskammer Oberösterreich erhoben hat. Seit 1997 befragt die Interessensvertretung viermal jährlich österreichische ArbeitnehmerInnen zur Jobzufriedenheit. Die Stichprobe umfasst 4.000 Personen pro Jahr. Während Büroangestellte (ohne Kundenkontakt wohlgemerkt), Geschäftsführer und Bankangestellte gute Noten geben, sind Lkw-FahrerInnen, Reinigungskräfte und Bauarbeiter am unzufriedensten. Besonders schlecht steht es um die LeiharbeiterInnen.

Sozialer Druck bei LeiharbeiterInnen stärker

Dem neuesten AK-Arbeitsklimaindex zufolge kommen LeiharbeiterInnen nur auf einen Zufriedenheitswert von 87 Punkten - das ist im 21 Punkte weniger als der Durchschnitt der anderen Beschäftigten, der für die Jahre 2011 bis 2013 bei 108 Punkten lag. Am größten ist der Unterschied bei den Teilindizes "Gesellschaft" und "Erwartungen". LeiharbeiterInnen, folgerte die Arbeiterkammer am Freitag, "sind klar unzufriedener mit ihren Rechten, mit ihrer sozialen Position, mit ihren Aufstiegschancen und mit ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt." In allen erfragten Bereichen sind die überlassenen Arbeitskräfte entweder unzufriedener, pessimistischer oder stärker belastet.

Überdurchschnittliche Verletzungsgefahr

Einer von drei LeiharbeiterInnen fühlt sich durch den kontinuierlichen Arbeitsdruck und/oder die fehlenden Pausen stark oder ziemlich stark belastet. Vielfach leiden sie unter körperlichem Stress, denn 40 Prozent der LeiharbeiterInnen sind in Industrie oder Gewerbe tätig, zum Beispiel in Fabriken oder am Bau. Mehr als ein Viertel - und damit doppelt so viele wie der Durchschnitt aller Beschäftigten - sieht sich sehr oder ziemlich Unfall- und Verletzungsgefahren ausgesetzt. Unter schlechten gesundheitlichen Bedingungen am Arbeitsplatz leidet jede/r dritte LeiharbeiterIn.

Das wirkt sich auf das gesamte Wohlbefinden aus. Nur 48 Prozent der LeiharbeiterInnen sind mit ihrem Leben zufrieden. Auch der Blick in die Zukunft treibt ihnen die Sorgenfalten auf die Stirn: 62 Prozent halten es für unwahrscheinlich, dass sie ihre momentane Arbeit bis 65 ausführen können (Durchschnitt der anderen Beschäftigten: 45 Prozent). Viele möchten das aber gar nicht unbedingt: 28 Prozent würden gerne die Firma wechseln, 18 Prozent den Beruf. Aber nur 27 Prozent glauben, dass sie sehr leicht oder leicht einen neuen Job finden würden. Bei den anderen Beschäftigten liegt dieser Wert bei 47 Prozent. Nicht einmal jeder zweite Leiharbeiter - 2012 waren dies in Österreich 78.414 Personen, um knapp fünf Prozent mehr als im Jahr davor - hält seinen Job für sicher.

Auch bei den regulär Beschäftigten ist nicht alles eitel Wonne: Die niedrigsten Zufriedenheitswerte wiesen Bauarbeiter (94 Punkte), Reinigungskräfte (96 Punkte) und Berufs-/FernfahrerInnen (97 Punkte) auf. Alle drei Berufsgruppen haben besonderen physischen Stress: Bauarbeiter zum Beispiel kommen hier auf einen Wert von 58 Punkten, die besten Jobs nur auf vier bis acht Punkte. Für die Arbeiterkammer besonders alarmierend ist, dass sich jeder zweite Bauarbeiter durch schlechte Gesundheitsbedingungen oder Unfall- und Verletzungsgefahr ziemlich oder stark belastet fühlt.

Verhältnis zur Chefabteilung

Die meisten Büroleute mögen ihre Chefs (84 Prozent), wohingegen nur 59 Prozent der Bauarbeiter mit dem Führungsstil ihrer Vorgesetzten zufrieden sind. Auch bei den Zukunftsperspektiven und dem Arbeitsklima klafft eine große Lücke: Zwei Drittel der Top-drei-Berufe sind mit ihren Aufstiegschancen zufrieden und können sich sehr gut vorstellen, noch einmal in der gleichen Firma anzufangen (80 Prozent). Dagegen sieht in den untersten drei Kategorien nur etwas mehr als jeder Dritte adäquate Entwicklungsmöglichkeiten. "Selber Betrieb, nein danke" sagen mehr als jeder zweite Bauarbeiter, 48 Prozent der Reinigungskräfte und 37 Prozent der Berufsfahrer.

Einkommen reicht oft zum Leben nicht mehr aus

Ein weiteres Ergebnis: Immer weniger Beschäftigte kommen mit ihrem Einkommen aus. Seit Ausbruch der Krise vor fünf Jahren haben sich die Werte drastisch verschlechtert: 2008 sind 40 Prozent der Befragten "gerade" über die Runden gekommen, heuer 51 Prozent. Für elf Prozent reicht das Einkommen jetzt gar nicht mehr aus (2008: 10 Prozent).

Umgekehrt konnten vor fünf Jahren noch 14 Prozent "sehr gut" von ihrem Verdienst leben, 2013 nur mehr sechs Prozent. Über ein "vollkommen" ausreichendes Einkommen verfügen nunmehr 32 Prozent, 2008 waren es 36 Prozent.

Für die AK ist dies ein Alarmsignal: "Die Einkommensschere geht immer weiter auseinander, der Riss in der Gesellschaft wird immer größer", heißt es im aktuellen Bericht zum Arbeitsklimaindex.

 

Vor allem Frauenbranchen von "working poor" betroffen

 

Betroffen von "working poor", also Armut trotz Arbeit, sind nach wie vor überwiegend Berufssparten, in denen viele Frauen arbeiten. In der Gastronomie, im Einzelhandel, im Friseur- und Kosmetikgewerbe sowie im Kinderbetreuungsbereich reicht für zumindest jede Zehnte das Einkommen nicht aus.

Menschen mit knappem Einkommen sind daher finanziell auf ihre PartnerIn (ein Drittel), Eltern (14 Prozent) oder den Staat (13 Prozent) angewiesen und sind mit ihrer sozialen Position und ihrer sozialen Absicherungen wenig zufrieden.

Am schlechtesten stehen Reinigungskräfte da. Sie sind nicht nur mit ihren Zukunftsperspektiven, dem Betriebsklima und den körperlichen Belastungen vergleichsweise unzufrieden, sondern auch mit ihrem Einkommen. Für fast 22 Prozent reicht das Geld gar nicht, für weitere 55 Prozent geht es sich nur knapp aus.

Als "working poor" gelten Personen im Erwerbsalter (18 bis 64 Jahre), deren Haushaltseinkommen inklusive etwaiger Sozialleistungen trotz Erwerbstätigkeit unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Für einen Ein-Personen-Haushalt sind das momentan 1.066 Euro pro Monat, zwölfmal im Jahr. Rund eine Million Österreicher ist armutsgefährdet, das sind 13 Prozent der Bevölkerung. (APA, 30.8.2013)