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Modetorheit und Männerfantasie: Das Korsett schnürt die Taille auf einen Umfang von 40 Zentimentern zusammen.

Der Körper, noch mehr der weibliche, ist jener Ort, wo individuelle, soziale und kulturelle Geschichte(n) zusammenfließen. Er ist nicht frei, schon gar nicht von den verschiedenen Politiken, die ihn ge- und missbrauchen. Hier, in den Körperfrauen und Frauenkörpern, zeigt sich das Herrschaftsverhältnis von Männern über Frauen am deutlichsten.

Eine körperliche Geschlechterpolarisierung begann allerspätestens, dafür umso eindringlicher, mit dem Bürgertum im 18. Jahrhundert. Und damit eine idealisierte Normierung: der Frauenkörper sollte nun eher klein, in seiner Konstitution zart, "zierlich" (das Weib hat eine Zier zu sein), das Becken breit ("gebärfreudig"), die Taille schmal (zerbrechlich), der Busen rund (Still-Assoziation) etc. zu sein, während für das männliche Gegenstück die Ideale groß, breit, robust, athletisch etc. galten und nach wie vor gelten - mit entsprechenden Modenormierungen der jeweiligen Epoche.

"Der Wert der Frau ist ihr Körperwert"

Frauen wurden und werden mit ihren Körpern identifiziert, ein Faktum, das Männern nicht widerfahren ist und auch heute noch nicht im vergleichbaren Ausmaß widerfährt. Denn es sind die Frauen, die sowas wie "Kompaktfrauenbilder" im wahrsten Wortsinn verkörpern, die sich in verschiedenen Rollen- und Fantasiegestalten wie Mutter, Hure, Model ... ausweisen (sollen). Christine Woesler de Panafieu beschreibt das folgendermaßen: "Der Wert der Frau ist ihr Körperwert, der sich in der Prostitution auszahlt. In dem Maße aber, in dem der Körper der Bürgerin Moment männlicher Repräsentation wird, werden Begierde, Sinnlichkeit und Genuss auf ein sittliches Maß gepresst. Denn nur als Objekt entzogener Sinnlichkeit erlangen Körper und ihre Trägerinnen gesellschaftliche Attraktivität. Das Weibliche erscheint in den Hüllen seiner physischen Schönheit, geht aber nicht vollständig darin auf". (Zitat aus: Frauenhandlexikon, München 1983)

Was trotz extremster Objektivierung und Enteignung bleibt, ist eine - für die männlich-andere Welt - Irritation. Quasi das Geheimnisvolle an Frauen, ihre innere Welt, aus der heraus sie auch imstande sind, Kraft zu schöpfen für die Verweigerung ihrer Erniedrigung.

Das Korsett - die Ohnmacht

Problematisch bleibt, dass die Enteignung des Frauenleibs nicht bei den Außenhäuten, der Kleidung, halt macht, sondern im Laufe der Zeit die Verformung der eigentlichen Körperformen einschloss. Zuallererst noch über die Kleidung oder Haut Nummero zwei: Das Korsett, auch Schnürleib (!) genannt, das im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Entfaltung der bürgerlichen Kleinfamilie, aufkam, diente quasi der sichtbaren Produktion des Mütterlich-Weiblichen. Die erzeugte und gesundheitsschädliche "Wespentaille" brachte Busen, Hüfte und Po zur Ausformung. Das extreme Zusammenschnüren der Taille auf ein teilweise unsägliches Maß von 40 Zentimetern deformierte nicht nur den Brustkorb (Rippenquetschung) und reduzierte den Atemraum um ein Drittel (!), so dass Frauen reihenweise in Ohnmacht fielen, sondern zeigt zugleich deren gesellschaftliche Ent-Macht-ung.

Neue Norm: schlanke Prallheit

Die "wilden 20er-Jahre" brachten die Erlösung - Reformkleidung und Befreiung vom Korsett - jedoch gleichzeitig eine neue Form der Normierung. Nun durfte der weibliche Körper zwar in luftig hängenden Charlestonkleidern aufatmen, jedoch hatte sich die Garconne-Fantasie in einem schlanken, flachbusigen und sportlich-straffem Leib darzustellen.

Die FKK-Bewegung, die ebenfalls zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgekommen ist, produzierte ihrerseits ein für die Folgezeit fatales Frauenkörperbild. Nackt, schlank, gebräunt und "schön" sollten sie nun sein - "wie biegsame Birken im Wind". Ein Ideal, welches von der NS-Ideologie der "gesunden, kräftigen, blonden, blauäugigen, deutschen Frau" noch verstärkt worden ist.

Formen mit dem Messer

Diese faschistoide Pseudo-Naturverbundenheit endete in den 50er-Jahren mit direkten Eingriffen in den weiblichen Körper. Deformationen aus "Schönheitsgründen", die in der heutigen Zeit ein wahnwitziges Ausmaß angenommen haben. Die Schönheitschirurgie mit ihren Liftings, Busen-Silikonvergrößerungen, Lid-, Hals-, Bauch- und sonstwas-Straffungen, Fettabsaugungen, Wangen- und Lippenaufspritzungen feiert fröhliche Urständ. Nicht zu sprechen von den strahlend weißen Zahnkronen, dem maßlosen Diätwahn mit diversen Light-Produkten, den sogenannten Wellness- und Fitnesshysterien etc... Die Liste findet kaum ein Ende, vielleicht dann, wenn der Frauenleib das seinige erreicht hat. (dabu)