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Kristina Schröder zieht sich - vorläufig - aus der Spitzenpolitik zurück.

Foto: REUTERS/THOMAS PETER

Der Jubelrausch um die deutlich bestätigte Angela Merkel war noch nicht einmal abgeebbt, als ihre Parteikollegin Kristina Schröder am Sonntag Abend verkündete, in der neuen Legislaturperiode nicht mehr als Familien- und Frauenministerin zur Verfügung zu stehen.

Jungmutter und Ministerin sein - das geht nicht

Sie wolle sich wieder vermehrt ihrer Familie widmen, namentlich ihrer kleinen Tochter Lotte, gab Schröder in einer persönlichen Stellungnahme bekannt. Beide Funktionen gleichzeitig, Ministerin sein und ihr soeben wieder bestätigtes Bundestagsmandat erfüllen, das sei ihr im Moment einfach zu viel.

So wie Schröder geht es wohl vielen Frauen, die in sogenannten Topjobs weit mehr als 40 Stunden arbeiten müssen und sich keine Auszeit gönnen können, wenn sie ihre Position nicht verlieren wollen. Vor einem Jahr erst hat der gesamte westliche Feuilleton anhand der Geschichte von Anne-Marie Slaughter darüber diskutiert, ob "Frauen immer noch nicht alles haben können".

Schröder hat sich gegen den Job entschieden. Und persönlich ist ihr das auch gar nicht vorzuwerfen. Doch angesichts ihrer politischen Agenda der vergangenen Jahre liegt die Vermutung nahe, dass sie mit ihrer "persönlichen Entscheidung" einfach nur ihre politische Agenda bestätigt.

Wahlfreiheit über alles

Wir erinnern uns: Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition und dem Rat sämtlicher Frauenverbände und internationaler Organisationen führte Schröder 2013 das Betreuungsgeld ein, eine Art Bettel für Mütter, die ihr Kind lieber zuhause als im Kindergarten betreuen. Die Punzierung der Idee als "Herdprämie" nahm Schröder genauso gelassen hin wie die Häme für die "Flexiquote", eine weichgespülte Variante einer griffigen Quotenregelung.

Schröder wollte immer die "Wahlfreiheit" hochhalten, also die Idee, dass Eltern (respektive Mütter) selbst entscheiden sollen, wie sie ihr Leben mit Kindern gestalten wollen. Das ist in der Tat ein schöner Gedanke. Er hält allerdings nur in einer Märchenwelt Stand, in der alle Menschen sozial abgesichert sind und der Arbeitsmarkt vollkommen befreit von Flexibilisierung und Deregulierung darauf wartet, von uns gestaltet zu werden.

Zurecht kommt deshalb nun der Vorwurf, Schröder würde es sich als Teil einer Elite eben richten können: "Können Sie meiner Frau erklären wie das geht? Die möchte auch aus fam. Gründen ihren Job nicht machen. Geld reicht leider nicht" fragt @Tailor_Wolf in Richtung Schröder auf Twitter. Andere werfen ihr (wieder einmal) politisches Versagen in ihrer Funktion als Familienministerin vor: "Schon scheiße, wenn sich Job nicht mit Familie vereinbaren lässt, oder? Sollte man mal ein Ministerium für erfinden!", bringt es @janboehm auf den Punkt.

Schröder selbst, so scheint es, hat bereits mit der Schelte gerechnet. In ihrer Stellungnahme rechtfertigt sie sich damit, dass es eben nicht darum gehe, was sie "politisch darf" sondern was sie wolle.

Entpolitisierung der Politik

So schließt sich wieder der Kreis zur "Wahlfreiheit". Sie ist ein ermächtigender Gedanke für Menschen, die es sich leisten können – weil sie den sozialen und ökonomischen Background haben. Für all jene aber, die die Politik brauchen, um ihre Rechte zu vertreten, ist sie ein politischer Todesstoß, weil sie im Kern die Gestaltung dieser durch die Emanzipation von Frauen aufgetauchte Scharnierstelle zwischen Familie und Erwerbsleben verweigert. Die Journalistin Anne Reimann hat Schröder einmal als "personalisierte Entpolitisierung der Politik" beschrieben. Mit diesem Abgang hat die einstige CDU-Nachwuchshoffnung bewiesen, dass sie mit diesem Etikett wohl sehr gut leben kann. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 24.9.2013)