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Klare Regelungen, wie viel eine Leihmutter verdient, gibt es in Indien nicht. In der Akanskha Klinik erhalten sie rund 6.500 Dollar für eine Geburt.

Foto: REUTERS/MANSI THAPLIYAL

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In dem Leihmütter-Heim der Akanskha Klinik werden sogar Babyparties für die werdenden Mütter veranstaltet.
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Anand – Die Britin Rekha P. wiegt selig ihre neugeborene Tochter in der Neugeborenen-Station der Akanksha Klinik. Sie und ihr Mann Daniel sind in der Klinik im nordwestlichen Indien im Bundesstaat Gujarat gelandet, weil sie auf natürlichem Weg kein Kind bekommen konnten. Der letzte Ausweg für sie schien eine Leihmutterschaft.

Die Geschichte der 42-Jährigen ist das perfekte Werbebild für Indiens boomende Leihmutterschaftsindustrie, die im letzten Jahrzehnt tausende unfruchtbare Paare meist aus dem Ausland zu einem eigenen Kind verholfen hat. Dank günstiger Technologie, geschulten Ärztinnen und Ärzten, einer kaum vorhandenen Bürokratie und einem großes Pool an potentiellen Leihmüttern hat sich das Land zur bevorzugten Destination für FertilitätstouristInnen gemacht. Diese kommen vorwiegend aus Großbritannien, den USA, Australien und Japan.

Babyfabriken für Reiche

Doch seit längerem regt sich in Indien auch Unmut über die Entwicklung. Vor allem Frauenrechtsgruppen brandmarken die einschlägigen Kliniken als "Babyfabriken" für Reiche. Aufgrund der mangelnden Rechtslage sei es möglich, dass arme und oftmals unwissende Frauen von Agenturen angeheuert werden, ohne alle Details des Vertrags zu verstehen, den sie unterzeichnen.

Eine kürzlich von der Regierung in Auftrag gegebene Studie über die Situation von 100 Leihmüttern in Delhi und Mumbai bestätigt diesen Verdacht. Die Verträge der Frauen beinhalteten keine klaren Lohnregelungen und keine Versicherung für die nachgeburtliche Gesundheitsbetreuung. Die Studie zitierte auch Fälle, in denen Leihmüttern mehrere Embyros eingesetzt wurden, um die Erfolgschancen zu erhöhen.

Für Studienautorin Ranjana Kumari ist klar: "In den meisten dieser Fälle werden die Frauen tatsächlich ausgebeutet". Es sei lange überfällig, in Indien ein Gesetz einzuführen, das Leihmütter, Kinder und Empfängereltern schütze, so die Direktorin des Zentrums für soziale Forschung.

Homosexuelle Paare und Singles bereits ausgeschlossen

Die ersten Maßnahmen, die die Behörden nun gesetzt haben, betreffen allerdings nicht die Frauen, sondern den Zugang zu Leihmutterschaft. Änderungen beim VISA-Recht im Juli dieses Jahres haben dazu geführt, dass die Leihmutterschaft für Einzelpersonen und homosexuelle Paare in Indien praktisch unmöglich wird. Mit dem Gesetz für "assistierte reproduktive Technologien", das voraussichtlich nächstes Jahr im Parlament behandelt wird, soll es weitere Verschärfungen geben.

Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass alle Fruchtbarkeitskliniken des Landes registriert und von einer Aufsichtsbehörde beobachtet werden. Leihmütter sollen künftig ein bestimmtes Alter haben (zwischen 21 und 35 Jahren) und Anspruch auf eine Versicherung sowie einen notariell beglaubigten Vertrag zwischen ihnen und den Empfängereltern.

Hoher Anteil an Lesben und Schwulen

Weil homosexuelle Paare einen hohen Anteil der Kundschaft der Fertilitätskliniken ausmachen, befürchten die MedizinerInnen nun Umsatzeinbußen. Die KlientInnen von Dr. Sudhir Ajja in einer Klinik in Mumbai sind zu 90 Prozent aus dem Ausland und rund 40 Prozent davon sind homosexuell. "Wenn das Gesetz den Zugang wie angekündigt verengt, wird das die Industrie beeinflussen und weniger Klienten aus dem Ausland zu uns bringen," warnt er.

Über die Ausmaße der Babyindustrie in Indien gibt es keine offiziellen Zahlen. Laut einer UN-Studie aus dem Jahr 2012 werden damit jährlich 400 Millionen Dollar  umgesetzt, mit über 3000 Leihmutterschaftskliniken in ganz Indien.

Nayana Patel, Leiterin der bekannten Akanskha Klinik, kann viele Bedenken gerade in Bezug auf die Ausbeutung von armen Frauen nicht verstehen. Sie ist der Ansicht, dass Leihmutterschaft für alle Beteiligten eine "Win-Win-Situation" sei. Die auch in den USA bekannte Reproduktionsmedizinerin bezahlt ihren Leihmüttern, die während der Schwangerschaft in einem Heim zur gesundheitlichen Überwachung in der Nähe der Klinik leben müssen, rund 6.500 Dollar. Von den Eltern, die das Kind in Auftrag geben, bekommt sie zwischen 25.000 und 30.000 Dollar. Das ist für die Klinik ein rentables Geschäft. Und für Paare aus den USA ein Schnäppchen im Vergleich zu dem, was sie zuhause dafür bezahlen müssten.

Das Geld überwiegt

Und was sagen die Leihmütter selbst? Für die 33-jährige Naina, die die kleine Charlotte mittels Kaiserschnitt zur Welt gebracht hat, überwiegt das Geld über die Nachteile einer bestellten Schwangerschaft. Sie selbst hat drei eigene Töchter und ihr Mann ist Auto-Rikscha-Fahrer. Die Frage der freien Entscheidung ist allerdings auch hier nicht leicht zu beantworten: "Ich habe mich gefreut, es tun zu können, aber letztlich hatte ich keine Wahl: wir brauchten das Geld." (Reuters/red, dieStandard.at, 6.10.2013)