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Nichts darf durchsickern, wenn Rot und Schwarz verhandeln. Eckpunkte der Verhandlungen dringen dennoch durch.

Foto: apa/neubauer

Wirtschaft: Entfesseln gegen Absichern

Nicht vieles verbindet die Koalitionäre auf den ersten Blick in dieser Arbeitsgruppe: Die ÖVP will den Slogan von "Entfesselung" der Wirtschaft mit Leben erfüllen, etwa durch Flexibilisierung der Arbeitszeiten und Senkung der Lohnnebenkosten. Die SPÖ hingegen pocht unter dem Drängen der Gewerkschaft auf Arbeitnehmerbenefits wie einen Mindestlohn von 1500 Euro und eine sechste Urlaubswoche nach 25 Dienstjahren. Bequemste Lösung: Die Streitfragen werden erst einmal den Sozialpartnern zugeschoben, denen beide Chefverhandler nicht fernstehen.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) würde quasi an sich selbst delegieren, Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) an seine Gewerkschaftskollegen. Nach neuem Stil - konkrete Projekte nach konkretem Zeitplan - sähe das aber nicht aus, außerdem drängt die Industrie auf ein liberaleres Arbeitszeitgesetz, das die via Kollektivverträge garantierte Mitsprache der Gewerkschaft eindämmt; die ÖVP gab sich bislang uneindeutig. In weniger spektakulären Fragen hat klassisch sozialpartnerschaftlicher Handel Erfolgsaussichten, etwa: Tausche Bürokratieabbau für Unternehmen gegen Geld für Arbeitsmarktprojekte. Gerade die SPÖ kann sich nicht leisten, die konstant hohe Arbeitslosigkeit im Koalitionsvertrag zu ignorieren.

Soziales: Freundschaft auf Probe

Laut wird es nicht zugehen: Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner lassen sich nie zu öffentlichem Zank hinreißen. Doch nun wird die Freundschaft auf eine Probe gestellt. Die ÖVP spitzt auf die bei Hundstorfer angesiedelten Arbeitsagenden - zum Schrecken roter Gewerkschafter. Die sehen eine strenge Arbeitsinspektion eigenen Händen als Garantie für faire Arbeitsbedingungen.

Herausforderungen abseits der Machtfragen: Der Pflegefonds ist nur bis 2016 dotiert - gesucht wird eine verlässliche Geldquelle, die nicht aus einer klassischen Versicherung besteht. Nehmen SPÖ und ÖVP eigene Versprechen ernst, dann gilt es, in den Ländern ein breiteres und möglichst einheitliches Pflegeangebot durchzusetzen. Vorangetrieben werden müssen die Wohnbauoffensive, deren Finanzierung ab 2015 nicht gesichert ist, sowie die vorerst nur am Papier existente Organisationsreform des Gesundheitssystems. Potenzieller Zankapfel: Die ÖVP möchte die Krankenversicherungsbeiträge für die Unternehmer senken.

In Sachen Pensionen steht wohl eine Atempause von zwei Jahren an, um dann zu prüfen, wie die bereits eingeleiteten Reformen greifen. Die Seniorenvertreter verhandeln allerdings mit: Sie wollen jene Regel aufweichen, laut der es im ersten Pensionsjahr keine Inflationsanpassung gibt.

Bildung: Grabenkämpfe und Geldnot

Originelle Ideen sind in dieser Gruppe besonders gefragt: Auf keinem anderen Politikfeld prallen ideologisch verhärtete Positionen heftiger aufeinander - dementsprechend stabil sind die Blockaden. Ein Projekt aber sollte, ja, muss zustande kommen: Bringt die Koalition nicht bis Ende des Jahres endlich das neue Lehrerdienstrecht zustande, hat sie den Anspruch der "Reformregierung" gleich zu Beginn verwirkt.

Ernst zunehmende Fortschritte sind überdies beim Ausbau ganztägiger Angebote an den Schulen in Reichweite. Maßgebliche Repräsentanten in der ÖVP sind in dieser Frage aufgeschlossener, als die im Wahlkampf verbreitete Propaganda suggeriert. Ein Signal der Erneuerung setzte die Vizekanzlerpartei auch mit der Nominierung Wilfried Haslauers als Chefverhandler. Der Salzburger Landeshauptmann, dem Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek gegenübersitzt, ist für eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen als Regelfall und gesteht dem in seiner Partei lange Zeit heiligen Gymnasium nur noch Ausnahmestatus zu. Dennoch: Jeder Schritt in diese Richtung wäre eine kleine Sensation.

Ewige Themen auch an den Hochschulen: Die Studiengebühren warten auf eine verfassungsrechtlich haltbare Lösung, die Universitäten auf eine Rettung aus der chronischen Geldnot.

Staatsreform: Doppelte Gleise rausreißen

Transparenz in den Verwaltungsdschungel sollen Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Verfassungsrechtler Andreas Khol (ÖVP) bringen. Zwischen Gramatneusiedl und dem Bodensee sollen Doppelgleisigkeiten - etwa bei Subventionen und im Sozialwesen - beseitigt und die Zusammenlegung von Behörden angegangen werden. Ebenfalls auf der Agenda der beiden Verhandler: Auch ohne Mehrheit soll es im Parlament möglich werden, einen Untersuchungsausschuss einzuberufen; denn dies stellen die Grünen als Bedingung, damit sie der künftigen Regierung zu der in Verfassungsfragen nötigen Zweidrittelmehrheit verhelfen. Außerdem zerbrechen sich Niessl, Khol & Co die Köpfe, wie das Persönlichkeitswahlrecht besser gestärkt werden kann, weil die aktuelle Vorzugsstimmenregelung kaum zu Vorreihungen von Kandidaten auf den Wahllisten geführt hat.

Zukunft: Von der Krippe bis zur Öffi-Karte

Ohne Kompromisse zwischen Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) und Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) wird es nicht gehen, denn sie haben recht heikle Felder wie Integration, Familie und Jugend zu beackern. Während Rot einen flächendeckenden Ausbau von Krippen samt Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr anstrebt, verwehrt sich Schwarz gegen "Zwangskindergärten". Während die SPÖ ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr ab dem 4. Lebensjahr möchte, will die ÖVP nur Kinder mit Sprachproblemen dazu vergattern. Und während die Genossen vorhaben, die Familienbeihilfe zu erhöhen, bestehen die Bürgerlichen auf einen Freibetrag von 7000 Euro pro Sprößling und Jahr. Einig ist man sich immerhin schon bei einem Zukunftsthema: Dass es auch für Studenten eine billige Öffi-Netz-Karte geben soll.

Finanzen: Steuern senken, Löcher stopfen

Kein Pakt ohne Steuersenkung: Nach vollmundigen Ankündigungen kommen SPÖ und ÖVP an einer Entlastung der Arbeitseinkommen nicht vorbei. Prinzipiell einig sind sie sich über die Senkung des Eingangssteuersatzes, der von 36,5 auf etwa 25 Prozent fallen könnte. Die ÖVP wünscht sich auch einen Kinderfreibetrag - den könnte sie in einer Lightversion bekommen, wenn dafür ihr Nein zu Vermögenssteuern fällt. Die allgemeine "Millionärssteuer" wird die SPÖ kaum durchbringen, für ein Comeback der Erbschaftssteuer und/oder eine höhere Grundsteuer stehen die Chancen aber gut; was selbst das Wirtschaftsforschungsinstitut fordert, kann die ÖVP schwer als linke Spinnerei abtun.

Geldnot könnte dem Sprung über den eigenen Schatten nachhelfen. Trotz matter Wirtschaftslage soll 2016 das Nulldefizit erreicht werden, doch auf dem Weg liegen Stolpersteine. Die Pleite der Hypo Alpe Adria wird neues Steuergeld verschlingen - was die Erstellung des nächstjährigen Budgets zu erschweren droht. Den Weg ebnen soll die Schlüsselgruppe überdies für den neuen Finanzausgleich, bei dem das Steuergeld zwischen Bund und Ländern verteilt wird. Praktisch, dass mit dem Oberösterreicher Josef Pühringer (ÖVP) ein Landeshauptmann gegenüber von Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ) Platz nimmt.

Sicherheit: Mehr Polizei, weniger Beamte beim Heer

Auf den Straßen soll die Polizei präsenter sein, anstatt sich in den Amtsstuben mit Verwaltungskram zu beschäftigen. In den Kasernen wiederum muss der Beamtenapparat abgeschlankt werden, weil die Personalkosten mittlerweile den größten Brocken im ohnehin bescheidenen Verteidigungsbudget ausmachen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ), schon seit der Wehrdienstreform Verhandlungsduo, werden aber auf weitere Investitionen im Sinne der Sicherheit drängen müssen. Die Hubschrauberflotte des Bundesheeres bräuchte einen Modernisierungsschub, Polizisten wie Soldaten neue Ausrüstung. Außerdem soll das Ausbildungsangebot für sie attraktiviert und verbreitert werden, damit mehr junge Leute anheuern.

Außenpolitik: Auf der Suche nach neuen Missionen

International sollte die Republik wieder mehr Engagement an den Tag legen - vor allem nach dem Abzug aller heimischer Soldaten vom Golan. SPÖ-Klubobmann Josef Cap und ÖVP-Staatssekretär Reinhold Lopatka werden daher ausloten, an welchen Friedensmissionen sich das Land künftig beteiligen könnte. Dazu muss die nächste Regierung eine Linie für einen allfälligen EU-Konvent festlegen, der nach den EU-Wahlen Reformen für die Union ausarbeiten könnte. Bisheriges Anliegen der ÖVP: Der Kommissionspräsident möge durch Direktwahl von den EU-Bürgern bestimmt werden. Außerdem steht im ersten Halbjahr 2019 Österreichs EU-Vorsitz an - und auch der muss gut vorbereitet sein. Bis es so weit kommt, werden Rot und Schwarz aber zunächst vor allem darum ringen, wer den nächsten EU-Kommissar stellen darf. (Gerald John, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 19.10.2013)