"Free Love" (2013)

Foto: Anu Vahtra

"Forum" (2009): Russische Textilarbeiterinnen in der Rolle von Wirtschaftstreibenden bei einer Talkshow.

Foto: Marge Monko

Das Poster "I don't eat flowers" liegt in der Ausstellung auf.

Foto: Marge Monko

Die Künstlerin Marge Monko vor einer ihrer Exponate im Wiener Mumok.

Foto: Mumok/Gregor Titze

Zehn Bräute hängen da aufgereiht an der Wand, eine jede hat einen üppigen Blumenstrauß im Arm. Ihre Blickrichtungen sind ganz verschieden, was der Fotoarbeit von Marge Monko im Wiener Mumok eine zusätzliche Dynamik verleiht. Die portraitierten Frauen sind in etwa gleich jung, nur eine trägt ein weißes Kleid. Sind die anderen also ihre Brautjungfern? Irgendetwas irritiert an dieser Serie. Die Blumen sehen alle gleich aus, die Frauen scheinen also dieselbe Veranstaltung zu besuchen. Aber: Sie sehen nicht glücklich aus. Nur eine lacht, die anderen wirken nachdenklich und erschöpft.

"Free Love“ heißt diese Arbeit der estnischen Künstlerin, die den Henkel Art.Award 2012 und damit eine Einzelausstellung im Mumok gewonnen hat. Erst die Bildbeschreibung klärt das Missverständnis: Es geht hier gar nicht um eine Hochzeit, sondern um eine Schulabschlussfeier. Die Künstlerin kontrastiert die 2013 entstandenen Portraits der jungen Frauen mit einem Artikel in der estnischen Zeitung "Posttimees“ aus dem Jahr 1905, in dem unter dem Titel "Freie Liebe“ gegen Schülerinnen gehetzt wird, die sich angeblich mit sozialistischen russischen Studenten einließen.

"How to wear red"

Diese In-Bezug-Setzung von Geschichte und Gegenwart ist exemplarisch für die Arbeiten der 1976 in Tallinn geborenen Künstlerin. In ihren Fotos und Videos setzt sie sich hauptsächlich mit den gesellschaftlichen Veränderungen in einem postsozialistischen Umfeld auseinander, ihr besonderes Augenmerk gilt dabei den Frauen. "How to wear red", der Titel der Ausstellung, weist also immer schon ironisch vom Privaten ins Gesamtgesellschaftliche. Was sie anziehen sollen, ist in Zeiten des Umbruchs  - und wahrscheinlich immer schon - das geringste Problem dieser Frauen.

Die Realität geschlechtsspezifischer Hierarchie vertieft Monko in ihrer zweiteiligen Videoarbeit "Forum“ (2009) um das Moment des ethnischen Konfliktes. Russische Textilarbeiterinnen sind im heutigen Estland doppelt unterprivilegiert. Diese lässt Marge Monko eine TV-Politdiskussion nachspielen, bei der ursprünglich nur Männer am Podium waren. Sie setzt die Frauen vor die Fotoprojektion der leeren Textilfabrik, in der sie bis vor kurzem gearbeitet haben. Während sie die hohlen Phrasen von den Vorteilen neuer Arbeitsgesetze wiedergeben, entlarven sie sie am eigenen Leib. In einer zweiten Runde sprechen die Frauen dann über ihre Arbeitslosigkeit und die Schwierigkeit, einen neuen Job zu finden.

Im Video "Shaken Not stirred“ stehen drei Charaktere, der Barkeeper, die Geschäftsfrau und die Putzfrau, idealtypisch für die estnische Gesellschaft. Hier wirken die Dialoge manchmal bemüht, oft konstruiert und erreichen nicht die selbstredende Schärfe der Fotos der Künstlerin. Am stärksten sind die Arbeiten dort, wo sie gar keinen Text brauchen. (Tanja Paar, dieStandard.at, 30.10.2013)