Woran es bei der Gleichbehandlung hakt (v. l.): Gudrun Biffl (Donau-Uni Krems), Winfried Göschl (AMS Wien), Heinz Kasparovsky (BMWF), Stephan Baron (AVL List), Vasiliki-Maria Archodoulaki (TU Wien) und Moderatorin Karin Bauer (STANDARD).

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"Der Begriff Diskriminierung wird in Österreich tabuisiert", sagt Gudrun Biffl, Dekanin und Leiterin des Departments Migration und Globalisierung an der Donau-Uni Krems (Duk). In Österreich werde lieber von Gleichbehandlung gesprochen. Doch egal wie es bezeichnet wird, das Bewusstsein darüber lasse in Österreich stark zu wünschen übrig.

Beim FemTech-Netzwerktreffen in Wien zum Thema "Innovative Mischung - Lösungen zur Überwindung von Diskriminierung" zeigte Biffl Ergebnisse einer europaweiten Studie der Duk. Der Umfrage nach sind mehr als 50 Prozent der Befragten in Österreich der Meinung, dass sich die ethnische Herkunft nachteilig im Bewerbungsprozess auswirke, im EU-Schnitt sind es 39 Prozent. In Österreich gibt es aber, verglichen mit den anderen EU-Ländern bei Maßnahmen wie Quotenregelungen oder anonymisierten Bewerbungen die geringste Zustimmung (siehe Grafik).

Für Biffl ist das auch ein Zeichen dafür, dass der Inhalt des Begriffs der Diskriminierung in der Bevölkerung nicht angekommen ist. "Die Gesellschaft in Österreich ist auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht vorbereitet", sagt sie. Die Organisationsstrukturen seien auf männliche Karrieren aufgebaut, Vereinbarkeit werde zwar als Thema ernst genommen, aber weder im Schulsystem noch in den Berufslaufbahnen spiegelt sie sich wider. Sie diagnostiziert auch der Politik Halbherzigkeit, Gleichbehandlung werde nicht gelebt.

Personen mit Migrationshintergrund haben es in einem solchen Umfeld doppel schwer. Zwar wurde mit der Rot-Weiß-Rot-Card eine Möglichkeit für Fachkräfte geschaffen, in Österreich beruflich Fuß zu fassen. Der tatsächliche Zuzug liegt aber weit hinter den Erwartungen. Auch hier werde das Anliegen - nämlich dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken - von der Politik nicht wirklich ernst genommen, meint Winfried Göschl, stv. Landesgeschäftsführer beim AMS Wien. Die Schlüsselkraftzuwanderung sei momentan viel zu kompliziert, sagt Göschl, und es gebe "hier keine Willkommenskultur". Außerdem würden Männer häufig über innerbetriebliche Bewerbungsprozesse nach Österreich kommen, Frauen hingegen wählen den externen Weg, ergänzt Biffl. Und während im ersten Fall die Kosten für die Rot-Weiß-Rot-Card der Arbeitgeber trägt, müssen Frauen die Kosten selbst decken.

Anerkennung von Bildung

Kompliziert sei es aber auch, wenn Fachkräfte ihre ausländischen Bildungsabschlüsse in Österreich anerkennen lassen wollen, sagt Heinz Kasparvosky, Leiter des Informationsbüros für akademische Anerkennung im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung. Unterschiede zwischen den Geschlechtern bei den Einreichungen gebe es nicht, wohl aber beim Zeitpunkt der Einreichung. Frauen würden, so Kasparovsky, erst nach einigen Jahren in Österreich ihren Abschluss anerkennen lassen, Männer häufig sofort.

Eine bunte Vielfalt an Nationen beschäftigt AVL List, sagt Konzernpersonalchef Stephan Baron. Der Entwickler von Antriebssystemen hat einen 96-prozentigen Exportanteil. "Wir verdienen unser Geld auf der ganzen Welt", sagt er. In gemischten Teams zu arbeiten sei selbstverständlich. Damit die Zusammenarbeit funktioniere, müsse gegenseitiges Verständnis da sein. Daher hat er - trotz einiger Ressentiments - interkulturelle Trainings für Mitarbeiter eingeführt. Um die Chancengleichheit zu verbessern sieht auch er die Politik gefordert. Daneben sei aber auch die Unternehmenskultur von großer Bedeutung. Vasiliki-Maria Archodoulaki, Professorin am Institut für Werkstoffwissenschaften, ist mit 17 Jahren von Griechenland nach Österreich gekommen. Diskriminierung sei an der TU kein Thema, sagt sie. Das könne aber auch daran liegen, dass Österreich sehr technikfeindlich sei und es daher nicht weiter auffalle, ob es sich um Vorurteile gegenüber Frauen, Migrantinnen oder Technikerinnen handle. (Gudrun Ostermann, DER STANDARD, 2./3.11.2013)