Denice Bourbon on tour: "Fag in my mouth, fags all around me, and a fabulous outfit. What more can a girl want?"

Foto: Daniel Gottschling

Denice Bourbon: "Cheers! Stories of a fabulous queer femme in action"
Zaglossus Verlag, 2013
ISBN 978-3-902902-07-8
366 Seiten

Das Buch ist in Englisch verfasst.

Foto: Moira Hille/Zaglossus

Mit politischen Überzeugungen ist es so eine Sache. Sie geben Halt und bestimmen bei vielen vor allem in der Jugend, wer sie sind oder sein wollen. Mit zunehmendem Alter können sie aber auch zur Last werden – sei es, weil man sie im realen Leben schon längst verraten hat oder ganz einfach nicht mehr an sie glaubt. Und dann gibt es noch einen Zwischenweg. Denice Bourbon nennt ihn mit Bezug auf Beth Ditto "Punk Schuld", also das Gefühl, mit seinem aktuellen Lebensstil den einstmals so gierig aufgesogenen Ansprüchen nicht mehr ganz gerecht zu werden.

Hugh Grant statt queere Indie-Produktion

Schonungslos beschreibt die Autorin von "Cheers! Stories of a fabulous queer femme in action" also, wie sich Schuldgefühle über ihren Rücken hochziehen, wenn sie lieber eine Romantikkomödie mit Hugh Grant anschaut, als eine queere Indie Produktion. Wenn sie zu viel Geld für Make-up ausgibt; wenn sie daran denkt, weniger zu essen, statt eine Revolution zu starten. Die Ideale sind immer noch da, aber manchmal müssen sie eben Pause machen.

Denice Bourbon ist inzwischen 37 Jahre alt. Ihr Lebensweg hat sie von der schwedischen Einöde, in der sie als finnische Immigrantin ihre Existenz fristete, Anfang der 00er-Jahre nach Wien geführt. Sie ist heute eine stolze "queer femme" und war es in ihrem Herzen immer schon – doch was heißt das eigentlich? Eine Frau, die hauptsächlich auf Frauen steht und sich dabei in übertriebene feminine Schale hüllt? Für Bourbon wäre selbst das eine Einengung: Das einzige, was sie in Bezug auf ihre sexuelle und menschliche Identität sicher weiß, ist, dass sie mit diesem gut eingeführten, qualvoll einengenden und ziemlich gewalttätigen System namens Heterosexualität nichts zu tun haben will.

Ein Leben aus Musik und Performance

Als biologische Frau, die sich gern mit Kleidern und Make-up aufbrezelt, kann man so freilich schon einmal für Durcheinander sorgen. Genau von diesen Kämpfen und Identitätspolitiken handelt "Cheers!". Es geht aber auch noch um vieles mehr: Bourbons Liebe zu Popmusik, die sie als Sängerin in diversen Bands auslebt, ihre Bourbon-trunkenen Auftritte als Gastgeberin camper Parties, ihre DJ-Sets bei so circa allen queeren Clubs in Wien und Umgebung, ihre an.schläge-Kolumnen und ihren Einstieg als Burlesque-Performerin in der höchst erfolgreichen Show "Club Burlesque Brutal".

Bourbon ist in ihrem Buch genauso offenherzig wie man sie von ihren Performances kennt. Anekdotenhaft schwingt sie sich von ihrer Kindheit in Schweden, in der "Schönheit" ihr einziges Hobby war, zu diversen Punk-Momenten in der Jugend; Sie kratzt die Kurve von vielen, vielen amourösen Abenteuern hin zu Betrachtungen über Klassismus und Rassismus in ihrem eigenen Lebensumfeld.

Dabei ist es fast immer amüsant, Bourbons Assoziationsketten zu folgen, weil sie aus dem Leben schöpfen und niemals predigend daherkommen. Bourbon nimmt sich vor allem selbst nicht allzu ernst, was ihre Erzählungen angenehm leicht machen. So entsteht mit den Anekdoten zugleich das lebhafte Bild einer Szene, die als sexuelle Avantgarde die biologischen und sozialen Geschlechtergrenzen überschreiten. Ihre Mittel dafür sind Kunst, Humor und die transgressive Kraft des Party-Machens.

Sluts und casual sex

Ausgespart bleiben auch nicht die vielen sexuellen Begegnungen Bourbons, die sie nachlesbar des Öfteren in grobe Schwierigkeiten brachten. Doch das ist nun angeblich vorbei: Bourbon bezeichnet sich heute selbstbewusst als "Slut" (als Verweis auf den Polyamorie-Klassiker "The Ethical Slut" von Dossie Easton and Janet Hardy) und preist die Vorzüge offener Beziehungen und von casual sex. Wie genau die Machtverhältnisse in diesen Begegnungen ablaufen, wird allerdings nicht genauer erklärt. Insofern hätte das Buch vielleicht etwas mehr Politik zur Erläuterung des vielen Sex gebraucht, um in diesem Punkt wirklich überzeugend zu sein. Vielleicht gerade aufgrund dieses Mankos beweist die Autorin mit "Cheers!", dass sie ihrem Lebensmotto bis heute treu geblieben ist: niemals zu verstecken, wer sie ist. Und dass sie diese Herausforderung angenommen hat, dazu kann man ihr nur gratulieren. (Ina Freudenschuß, dieStandard.at, 7.11.2013)