Gut, es muss sich ja nicht jeder gleich so euphorisch zeigen, wie die jungen – sicher nicht zufällig ausgewählten- ProtagonistInnen in dem 16-minütigen Videoclip How kids react to gay marriage. Aber dass die Vorbehalte der ÖsterreicherInnen gegenüber Lesben und Schwulen am Schwinden sind, könnte sich langsam auch in Richtung Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (Stichwort "Trauungssaalverweigerung") und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (Stichwort "Idealbild Familie mit Mutter, Vater, Kindern"), beide natürlich Mitglieder der ÖVP, herumsprechen.

Für Ehe und Adoption

Zu sehr sind die ÖsterreicherInnen im Jahr 2013 in der familienpolitischen Realität angekommen. In einer jüngst für den Standard durchgeführten Umfrage des Linzer Market-Instituts befürworteten 41 Prozent der 603 befragten Personen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare "voll und ganz". Weitere 20 Prozent gaben an, der Aussage "Gleichgeschlechtliche Paare, also zwei Männer oder zwei Frauen, sollen heiraten dürfen", überwiegend zuzustimmen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kam bereits 2006 die letzte Eurobarometer-Umfrage, bei der sich 49 Prozent der Befragten für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen hatten. Kein Einzelphänomen also. Im Gegenteil: Die Zustimmung ist sogar größer geworden.

Wenn es um die Frage geht, ob homosexuelle Paare Kinder adoptieren können sollen, sind 35 Prozent der für den Standard Befragten "voll und ganz" dafür, weitere 21 Prozent sind überwiegend dafür. Zum Vergleich die Eurobarometer-Zahlen für Österreich: Hier begrüßten 44 Prozent der Befragten die Möglichkeit der Adoption für Lesben und Schwule.

Handeln, weil man muss...

Im Juni dieses Jahres haben die heimischen Regierenden immerhin die Stiefkindadoption beschlossen. Freilich nicht, weil plötzlich alle in der ÖVP eine weltanschauliche 180-Grad-Drehung vollführt hätten. Gehandelt wurde aufgrund einer Verurteilung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof.

Jetzt liegt wieder eine solche Verurteilung vor. Und wieder geht es um die Rechte von Lesben und Schwulen. Vier Männer hatten sich an das Höchstgericht gewandt, weil ihre Verurteilungen nach dem -2002 aufgehobenen- "Homosexuellen-Paragrafen" nie aus dem Strafregister gelöscht wurden.

...nicht weil man will

Vielleicht sind ja die laufenden Koalitionsverhandlungen ein willkommener Anlass dafür, nicht in diesem, sondern im angekündigten, neuen Stil weiterzumachen. Also von selbst aktiv werden, gesellschaftliche Realitäten anerkennen. Und fortschrittliche politische Akzente in einem Bereich zu setzen, den die potenziellen Wähler schon längst mit unaufgeregtem Realismus akzeptiert haben.

Zu tun gäbe es noch einiges: Wer sich in Österreich verpartnert, trägt im Fall einer Namensänderung keinen "Familiennamen" sondern einen "Nachnamen", gibt beim formellen Personenstand nicht "verheiratet" an sondern "in eingetragener Partnerschaft lebend", wird folglich im Fall einer Trennung auch nicht "geschieden", sondern "löst" die eingetragene Partnerschaft auf.

Nicht nix

Kleinigkeiten? Es geht auch größer: Das Recht auf Adoption jenseits der neu geschaffenen Möglichkeit zur Stiefkindadoption bleibt gleichgeschlechtlichen Paaren ebenso verwehrt wie der Bezug einer Witwen- oder Witwerpension aus der Pensionskasse.

Hier ließe sich gut anfangen. Man muss als Politiker die Ehe von Lesben und Schwulen nicht "awesome" finden, wie die eingangs erwähnten Jugendlichen. Aber zwischen der Rolle als Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen und der Devise "wir handeln nur, wenns gar nicht mehr anders geht", gibt es doch noch einiges an Handlungsspielraum. Das simple Anerkennen und rechtliche Würdigen von verschiedenen Formen des Zusammenlebens würde zu Beginn schon reichen. (Karin Riss, dieStandard.at, 12.11.2013)