Straßburg - Dass der Beschluss der Richtlinie am Mittwoch durchgehen würde, war keine große Überraschung. Schließlich hatten sich die zuständigen Ausschüsse für Justiz und Frauenrechte bereits zuvor für Maßnahmen zur Frauenförderung in Aufsichtsräten ausgesprochen.
Überraschend war vielleicht die Deutlichkeit, mit der der Bericht angenommen wurde. Und die - im Vergleich zur ursprünglich angestrebten 40-Prozent-Quote - deutlich schwächere Formulierung. Denn nicht nur haben 459 der 688 anwesenden EuropaparlamentarierInnen für und 148 dagegen gestimmt (bei 81 Enthaltungen); Gleichzeitig wurde aus der absolut verpflichtenden Frauenquote für börsennotierte Unternehmen ab 250 MitarbeiterInnen bis zum Jahr 2020, eine Verpflichtung zu transparenten Auswahlverfahren.
Über Umwege
Die Frauenquote soll nun dadurch erhöht werden, dass bei identer Qualifikation der Kandidat oder die Kandidatin bevorzugt wird, dessen Geschlecht im Aufsichtsrat in der Minderheit ist. Bei Nichteinhaltung droht Unternehmen etwa der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen, die Sanktionen bestimmen aber die Staaten selbst. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) europäischer Prägung sind von der Richtlinie ausgenommen.
Eine Sperrminorität von neun EU-Staaten im Juli hat eine schärfere Regelung verhindert. Als "einen realistischen Ansatz" bezeichnete SPÖ-EU-Abgeordnete und Vizevorsitzende des Rechtsausschusses Evelyn Regner die nun erzielte Lösung. Man könne nicht auf die Freiwilligkeit der Unternehmen hoffen. "Es sollen nun objektive Kriterien zur Anwendung kommen", sagt Regner und hofft auf eine Verabschiedung der Richtlinie bis zum Ende der Legislaturperiode und damit vor den EU-Wahlen im Mai 2014.
"Movitationsschub"
Sie betonte, dass die Richtlinie auch ein "Motivationsschub" für Deutschland sei, da sie nicht dem Plan der CDU entgegenstünde, den Start einer "echten" Quote auf 2015 festzulegen. Die Richtlinie soll bis 2028 Gültigkeit haben und bereits 2020 daraufhin überprüft werden, ob sie zur Umsetzung der 40-Prozent-Quote taugt, so Regner.
Bei den EU-Staaten, die sich gegen eine strengere EU-Regelung inklusive KMU gesperrt haben, finden sich mit Frankreich und Italien auch Staaten, die bereits selbst Quotenregelungen in ihre nationale Gesetzgebung implementiert hatten. In Österreich hat sich die Bundesregierung im März 2011 verpflichtet, den Frauenanteil in Aufsichtsgremien der Unternehmen, an denen der Bund mit 50 Prozent und mehr beteiligt ist, bis Ende 2013 auf 25 Prozent zu erhöhen.
"Mit lauter und klarer Stimme"
Die Vize-Präsidentin des Parlaments, Viviane Reding, war nach der Beschlussfassung darum bemüht, die Bedeutung der Richtlinie noch einmal hervorzuheben: "Das heutige Votum des Europäischen Parmalents ist ein historischer Moment für die Gleichberechtigung in Europa." Und in Richtung Europäischem Rat, der dem Vorhaben ebenfalls noch zustimmen muss: "Das direkt gewählte Europäische Parlament hat mit lauter und klarer Stimme gesprochen: Europa braucht strenge Regeln um das Ungleichgewicht in Aufsichtsräten zu bewältigen."
"Herausforderung annehmen"
Reding sprach von den "ersten Rissen in der gläsernen Decke", die weibliche Talente immer noch von den Topjobs abhalten würde. Um sich danach direkt an den Rat zu wenden: Der solle jetzt "die Herausforderung annehmen" und dem Gesetzesentwurf zustimmen. (APA/red, dieStandard.at, 20.11.2013)