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Frankreichs Ministerin für Frauenrechte, Najat Vallaud-Belkacek, war bereits kurz vor der Abstimmung der Nationalversammlung zuversichtlich.

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"Sexarbeit ist Arbeit": Proteste gegen das neue Gesetz.

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Nach mehrtägigen Beratungen genehmigte die französische Nationalversammlung den Gesetzesvorschlag der sozialistischen Abgeordneten Maud Oliver mit 268 zu 138 Stimmen. Das vor zehn Jahren eingeführte Verbot des Kundenfangs durch Straßenprostituierte wird damit aufgehoben, die Frauen müssen künftig nicht mehr mit einer Strafe rechnen.

Dafür werden gegen Freier 1500 Euro, im Wiederholungsfall sogar 3750 Euro Bußgeld verhängt. Das Gericht kann sie auch zum Besuch eines "Sensibilisierungskurses" verurteilen. Dabei sollen Dokumentarfilme über Zwangsprostitution und Menschenhandel gezeigt werden. 

In den nächsten Wochen hat noch der – links dominierte – Senat seine Zustimmung zum Gesetz zu geben. Das französische Oberhaus kann den Entscheid allerdings nicht mehr stürzen, falls die Nationalversammlung daran festhält. 

Die Abstimmung von Mittwoch war mit Spannung erwartet worden, da die Debatte seit Monaten andauert und weit über die Parteigrenzen hinausgeht. Der Gesetzentwurf hat in Frankreich in den vergangenen Monaten hohe Wellen geschlagen, auch weil sich Prominente wie die Schauspielerin Catherine Deneuve in die Debatte einmischten.

Grüne geschlossen dagegen

Im Allgemeinen stimmten jüngere und weibliche Abgeordnete eher für das Gesetz. Die an der Regierungskoalition beteiligten Grünen lehnten die Vorlage mit der höchsten Geschlossenheit ab. Sie argumentierten damit, dass die Gewerkschaft der Sexarbeiterinnen (Strass) gegen das Gesetz sei. Hunderte Prostituierte hatten dies vergangene Woche mit Demonstrationen vor der Nationalversammlung kundgetan.

Seitens der Linken gab es tendenziell mehr Jastimmen als bei den Rechten, doch auch in der Sozialistischen Partei (SP) übten etliche Parlamentarier Stimmenthaltung. Catherine Lemorton war als einzige Sozialistin gegen das Vorhaben und sagte: "Man will das Gewissen beruhigen, Prostituierte drohen dadurch nur noch mehr in die Prekarität zu treiben."  

Auch in der bürgerlichen Union für eine Volksbewegung (UMP) enthielten sich die meisten Abgeordneten der Stimme oder stimmten gegen die Vorlage. Sie begründeten ihre Entscheidung damit, dass sich die Prostitution wegen der Bußandrohung für die Freier noch stärker in die Illegalität verlagern könnte.

Der UMP-Abgeordnete Guy Geoffroy, der zu den Mitinitiatoren des Gesetzes gehörte, begrüßt hingegen die sozialen Begleitmaßnahmen der Regierung. Ausstiegswillige Prostituierte – bis zu 90 Prozent Frauen ohne französischen Pass aus Osteuropa, Afrika und Asien – sollen Aufenthaltsbewilligungen erhalten und mit insgesamt 20 Millionen Euro sozial unterstützt werden. 

Vor der Gesetzesdebatte hatte das Parlament rund 200 Experten, Sozialarbeiter, Polizisten und – wenige – Sexarbeiterinnen angehört. Dabei wurden auch kaum bekannte Aspekte wie etwa die in Paris grassierende Prostitution von Nordchinesinnen thematisiert.

Viele Bürger gegen Strafen

In der Öffentlichkeit scheint das Bewusstsein um das Elend der Prostitution weniger verbreitet zu sein. Zumindest halten viele Franzosen das neue Gesetz für untauglich: 68 Prozent lehnen die Bestrafung der Freier ab. Darunter sind 58 Prozent Frauen und 79 Prozent Männer. Linkswähler sind zu 55 Prozent dagegen, bürgerliche Wähler zu 71 Prozent und Grüne zu 81 Prozent. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 5.12.2013)