Bild nicht mehr verfügbar.

Jennifer Lawrence als Katniss Everdeen.

Foto: AP /Lionsgate, Murray Close

Bild nicht mehr verfügbar.

Auch im zweiten Teil der Trilogie "Die Tribute von Panem" muss Katniss in die Arena.

Foto: AP /Lionsgate, Murray Close

Die erfolgreichen Science-Fiction- oder Fantasy-Mehrteiler der vergangenen Jahre lassen in puncto Frauenfiguren einiges zu wünschen übrig. Sie sind entweder gar nicht vorhanden oder werden als elfenhafte Spezies wie in "Der Herr der Ringe" präsentiert. Oder sie werden in Nebenrollen verbannt, wie etwa Hermine Granger als beste Freundin von Harry Potter, was gerade in dem Fall jammerschade ist, denn die nerdige Figur an sich ist doch sehr gelungen.

Wenn es Frauen dann doch einmal zur Hauptfigur in einem Fantasy-Spektakel schaffen, dann sind es emanzipatorische Trauerspiele wie die "Twilight"-Saga: Die sich für die Ehe aufsparende und stets zur Aufopferung bereite Bella Swan wäre KinogängerInnen und LeserInnen vor 100 Jahren wohl nicht als Entwurf aus der Zukunft aufgefallen.

Da ist es wenig verwunderlich, dass nach Abwesenheit, Nebenrollen oder konservativen Frauenfiguren im Blockbuster-Kino der letzten Jahre Katniss Everdeen für Schwärmereien sorgt. Sie ist die Hauptfigur in der nach den Büchern von Susanne Collins verfilmten Trilogie "Die Tribute von Panem", einer Dystopie, in der ein autoritärer Staat ein unmenschliches Zweiklassensystem mit brutalen Wettkämpfen - den Hungerspielen - zwischen den unterschiedlichen Distrikten und einer durchgehend kontrollierten und kontrollierenden Medienwelt aufrechterhält.

List und Taktik war einmal

Im ersten Teil der Trilogie meldete sich Katniss für ihre Schwester, die für die tödlichen Hungerspiele ausgelost wurde. Sie kämpfte mit Pfeil und Bogen um das eigene Überleben in der Arena, wo VertreterInnen der verarmten und ausgehungerten Distrikte aufeinander losgehen müssen. In einem Akt der Solidarität, der allerdings vor den Mächtigen getarnt und mediengerecht als tragische Liebesgeschichte dargestellt werden musste, lehnte sich Katniss auf und umging die Spielregeln des mächtigen Kapitols mit einer kalkulierten List.

Doch mit bewusster und geplanter Auflehnung ist es im zweiten Teil, der seit November in den Kinos läuft, vorbei. In "Catching Fire" sehen wir eine durchgängig von Gefühlen und Instinkten geleitete und hin und her gerissene Katniss, die sich ihrer Taten nicht gewahr ist. Und auch nachträgliche Reflexionen offenbaren ihr keinerlei Motive für ihr Handeln. Was im Film ein verwirrter Blick verrät, wird im Buch mehrmals und deutlich ausbuchstabiert: Sie hätte ja gar nicht gewusst, was im Moment des Widerstandes in sie gefahren sei.

Auch entspringen diese nahezu traumwandlerischen Gesten des Protestes keinem politischen Bewusstsein oder einer Wut über Unterdrückung und Gewalt. Katniss scheint einzig in Rage zu geraten, wenn sie Verwandtschaft und geliebte Freunde in Gefahr vermutet. Es geht ihr um den Schutz ihrer Leute, nicht um einen Umsturz.

Unkontrollierbare Zeichen

Im zweiten Teil nun stolpert Katniss von einer Instrumentalisierung in die nächste: Denn nachdem sie im ersten Teil mit einem Trick zumindest einen Menschen aus der Arena retten konnte und so die von den Herrschenden bevorzugte Heldengeschichte umschreibt, wird sie nun auch von der sich formierenden Widerstandsgruppe zum Gesicht der Revolution umfunktioniert. Die ausgetüftelten Pläne für den Umsturz haben in "Catching Fire" Männer geschmiedet, die "Süße", wie Katniss von einem der Köpfe der Revolution genannt wird, spielte darin nur eine Rolle, deren Funktion sie nicht kennen darf. Planung, Taktik und Strategie ist im zweiten Teil der "Tribute von Panem" Männersache, aufopfernder Einsatz für die Familie und Empathie ist Katniss zugeteilt.

Das "Kätzchen" rätselt

Im sogenannten Bechdel-Test, der ein Gradmesser für emanzipatorische Frauenfiguren im Film sein soll, schneidet Katniss Everdeen aus "Catching Fire" gut ab. Dass sich die weiblichen Figuren auch über andere Dinge als über Männer unterhalten, ist ein wesentlicher Indikator für diesen Test. Doch "Catching Fire" beweist, wie ja auch schon kritisiert wurde, dass dies kein ausreichendes Merkmal für einen emanzipatorischen Film ist. Und auch wenn Katniss Everdeen eine der fortschrittlicheren Figuren aus dem Blockbuster-Kino der letzten Jahre ist: Dass sich die unvergleichlich geschickte und gefährliche Bogenschützin aus dem ersten Teil nun laufend als "Kätzchen", wie sie ihre Sandkastenliebe Gale nennt, oder "Süße" verniedlichen lässt und verwirrt ihren eigenen Taten und Worten nachrätselt, ist ein Einbruch.

Doch der erfolgreiche Blockbuster ist noch nicht zu Ende. Vielleicht erholt sich Katniss Everdeen, emanzipiert sich auch bei ihren Mitstreitern und läuft zur alten Form auf, die ihr im ersten Teil der Trilogie um Längen besser stand. Und für die Millionen Mädchen und jungen Frauen, die zuschauen, wäre es einmal eine nötige Abwechslung. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 10.12.2013)