Beeindruckend, diese rund 40.000 öffentlich Bediensteten auf dem Heldenplatz und vor dem Kanzleramt (fast noch beeindruckender die dutzenden Autobusse, mit denen sie herangekarrt wurden und die elegant ein Stück Ringstraße verparkten).

Hier soll/kann nicht über die Berechtigung der Gehaltsforderungen des öffentlichen Dienstes und/oder der Forderungen der nahezu gleichzeitig demonstrierenden Lehrer bezüglich des neuen Dienstrechts (=Gehaltsforderungen) detailliert debattiert werden. Jede Interessenvertretung hat für ihre Mitglieder bestmöglich zu agieren (wenngleich gerade beim öffentlichen Dienst das Gemeinwohl nicht ganz in den Hintergrund treten sollte). Der Punkt ist aber:

Wer demonstriert für die anderen? Für den unorganisierten Rest?

Wer bringt dieselbe Organisationsmacht und -fähigkeit auf wie die dicht organisierten Vertreter des öffentlichen Dienstes?

Wer kümmert sich zum Beispiel um die Einpersonenunternehmen (EPUs), deren Zahl schon rund 250.000 erreicht hat? Die Wirtschaftskammer hat diese spezielle Gruppe immerhin zur Kenntnis genommen, tut sich aber schwer, gegen den Unwillen von ÖGB, SPÖ und AK und die teilweise Indolenz der ÖVP etwas für deren spezielle Bedürfnisse durchzusetzen. Das jüngste Regierungsübereinkommen z. B. brachte - an einer offenbar schlafenden ÖVP vorbei und auf besonderen Wunsch von AK-Direktor Werner Muhm - eine Verschlechterung der steuerlichen Situation der kleinen Selbstständigen beim sogenannten Gewinnfreibetrag.

EPUs, das waren früher hauptsächlich Handwerker. Heute sind es mehr und mehr Angehörige kreativer Berufe. Es sind etliche "Scheinselbstständige" dabei, Menschen, die wegen der hohen Arbeitskosten nicht angestellt wurden. Aber das ist bei weitem nicht die Mehrheit. Rund drei Viertel aller EPUs nennen als einen der wichtigsten Gründe für die Selbstständigkeit "Selbstverwirklichung". Wohl als Alternative zur Anstellung im Großbetrieb oder im Amt.

Und wer demonstriert für das wachsende Heer der prekär Beschäftigten? "Prekär steht für ungesicherte Arbeitsverhältnisse, die nicht normalen Regelungen und Schutzbestimmungen unterliegen", sagt eine Definition von ÖGB und AK. Beide setzen sich dafür ein, diese Personen den Vollangestellten gleichzusetzen. Das würde aber die Kosten so hochtreiben, dass viele einfach nicht mehr beschäftigt würden. Es gibt in Österreich fast 40.000 24-Stunden-Pflegerinnen (meist aus der Slowakei und Rumänien). Ohne diese als Selbstständige arbeitenden Frauen würde die Altenpflege blitzartig zusammenbrechen. Die "Lösung" des ÖGB war, ihr Dasein als Selbstständige zu verbieten und ihre Auftraggeber zur Anstellung zu verpflichten. Unleistbar.

Der öffentliche Dienst hat sich als mächtige Pressure-Group etabliert. Die Politik fürchtet sich vor ihr (wenngleich in allerjüngster Zeit offenbar weniger). Aber sie sollte auch jene Hunderttausenden zur Kenntnis nehmen, die fast ungeschützt mit dem Dasein raufen und für die niemand demonstriert. (HANS RAUSCHER, DER STANDARD, 21.12.2013)