Beyoncé in ihrem neuen Video "Drunk for Love" - heteronormativ sexy wie eh und je.

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Auch so kennt sie die Öffentlichkeit: Als elegante und schüchterne Ehefrau an der Seite von Rapper Jay C.

 

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Was passiert, wenn ein Superstar gänzlich auf PR und Interviews zu Bewerbung seines neuen Albums verzichtet, lässt sich derzeit an dem Ereignis "Beyoncé" verfolgen. Überraschend hat der texanische Megastar Mitte Dezember sein neues Album inklusive 18 Videos auf iTunes veröffentlicht. Der überraschten Fanbasis und der in der Regel wenig denkfreudigen Musikpresse blieb deshalb erst einmal nichts anderes übrig als sich strikt über die Inhalte des Albums und vor allem auch der Videos zu verständigen.

Ist Beyoncé eine Feministin?

Diesem Schachzug ist es wohl geschuldet, dass im Zentrum der Berichterstattung zum neuen Album plötzlich die Frage steht, ob Beyoncé eine Feministin sei, und wenn ja, wer überhaupt darüber entscheiden dürfe. Eine wahrlich schwierige Frage, die in den USA inzwischen Genderforscherinnen und feministische Kulturkritikerinnen bei Talkshows die Köpfe rauchen lässt.

Lovers and ...

Dabei sind die Argumente der beiden Seiten eigentlich nicht schwer zu erklären. Jene, die Beyoncé als Feministin feiern, verweisen auf ihre bisherigen Hits wie "Survivor", "Me, myself & I" oder auch "Independent Woman" und sehen ihr neues Album in einer Tradition mit diesen Bekenntnissen zu einer wie auch immer gearteten weiblichen Unabhängigkeit. Vor allem der neue Song "Flawless", in dem Beyoncé die US-nigerianische Feministin und Autorin Chimamanda Ngozi Adichie (die derzeit übrigens die 2013-Top10-Liste der "New York Book Review" anführt) zitiert, überzeugt die Fans und Geschlechterforscherinnen. "We teach girls to shrink themselves, to make themselves smaller / We say to girls – you can have ambition, but not too much / You should aim to be successful but not too successful otherwise you will threaten the man / Because I am female I am expected to aspire to marriage", heißt es in "Flawless".

Als weitere Argumente werden genannt, dass Beyoncé eine höchst erfolgreiche Entertainerin und Musikerin sei, die zwar selbst mit einem sehr einflussreichen Musiker (Jay-Z) verheiratet ist, sich jedoch ihre finanzielle und künstlerische Unabhängigkeit bewahrt habe.

... Haters

Jener Block, der Beyoncé eine feministische Agenda eher abspricht, verweist auf andere Stellen im neuen Album. In der ersten Single "Drunk for Love"  - eine Hymne auf die Ausgelassenheit des ehelichen Geschlechtsverkehrs – vergleicht sich Gast-Rapper und Ehemann Jay-Z mit dem prügelnden Tina Turner-Ex-Mann Ike Turner, während Beyoncé lasziv den Text mitsingt.

Ein großes Fragezeichen für die zuletzt genannte feministische Fraktion ist zudem Beyoncés vielbeschriebene Hyper-Sexualität, also ihre besonders dominante sexuelle Selbstinszenierung auf Bühnen und in ihren Videos. Auch im aktuellen Clip räkelt sich die Sängerin und Neo-Mama halbnackt am Strand und inszeniert ihre körperliche Makellosigkeit. Solche Hochglanz-Images werden im neuen Album zwar textlich gebrochen mit Songs wie "Pretty Hurts", in der die Sängerin feststellt, "Perfection is a disease". Doch auch hier bleibt Beyoncés Verkörperung dieses weiblichen Superstar-Schicksals in einem ästhetisch sehr eng gesteckten Rahmen.

Black feminism

Den Anfang nahm die Debatte übrigens wie so oft in den sozialen Medien. Unter den Hashtags #BottomBitchFem und #RealColoredGirls verlinkten afroamerikanische Feministinnen in den letzten beiden Wochen ihre Blogeinträge zum Thema Beyoncé. Das Urteil dort reicht von "in other words, if Beyoncé is a feminist, she is a white upperclass one"  bis zu "white feminists have no role in this discussion". Die Frage, ob Beyoncé mit ihren unbestritten einfachen Botschaften eine Art feministischen Ausverkauf betreibe, der strikt individualistisch sei und die Strukturen des Musikbusiness und des rassistischen "corporate America" unangetastet lasse, konnte jedoch auch dort nicht eindeutig geklärt werden.

In der von der "Huffington Post" eilig zusammengestellten Live-Debatte zur Twitter-Diskussion über "black feminism" kommen ebenfalls einige sehr spannende Aktivistinnen und Expertinnen zu Wort. Hier stand vor allem die Frage der sexuellen Selbstinszenierung des Superstars zur Debatte und welchen Beitrag er zur Sexualisierung von Frauen in der globalisierten Öffentlichkeit leiste. Dabei äußerten die Aktivistinnen auch ein wenig Selbstkritik.

Die feministische Autorin Joan Morgan gab etwa zu bedenken, dass dem "black feminism" schlicht und einfach die Worte fehlten, um die Befreiung schwarzer Frauen durch Sexualität und Erotik zu beschreiben. Die jahrhundertelange leidvolle Geschichte der Ausbeutung und sexuellen Gewalt gegen schwarze Frauen habe dazu geführt, dass der schwarze Feminismus bis in die Gegenwart keine "Lustpolitik" entwickelt habe. Beyoncés Inszenierungen geben ganz offensichtlich Rätsel auf, die von uns allen erst entschlüsselt werden müssen. (freu, dieStandard.at, 23.12.2013)