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Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), gab auch Karrieretipps.

Foto: AP/Michel Euler

Sheryl Sandberg wollte es wissen. "Wie viele im Saal haben schon die Frage gehört: Solltest du nicht wegen der Kinder zu Hause bleiben?" Drei Männer zeigten auf. Die Facebook-Chefin richtete die gleiche Frage an die anwesenden Frauen: Drei Dutzend Hände regten sich. "Das zeigt das Problem", meint die US-Amerikanerin.

Weniger Veranstaltungen mit Frauenfokus

Dem Thema "Gender-driven Growth" war eine der letzten Diskussionen beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos gewidmet, das am Sonntag zu Ende ging. Diesmal wurde auch nicht in der großen Kongresshalle über sogenannte Frauenthemen diskutiert, sondern in einem sehr viel kleineren Saal. Dies war jedoch die einzige der rund 300 Veranstaltungen, bei der etwa gleich viele Frauen wie Männer im Publikum anwesend waren. Ebenfalls auffällig: Auf dem Podium saßen drei Diskussionsteilnehmerinnen und ein Mann, den Moderatorin Linda Yueh als Vertreter des "gegnerischen Geschlechts" vorstellte. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Französin Christine Lagarde, verbesserte die BBC-Journalistin sogleich: In Anlehnung an Simone de Beauvoir sei die Bezeichnung "das andere Geschlecht" besser. Diese Beschreibung akzeptierte der angesprochene Renault/Nissan-Chef Carlos Ghosn mit einem wohlwollenden Kopfnicken.

Persönliche Einblicke der Stars

Außer der erwartbaren Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen gab es ungewöhnliche persönliche Einblicke. Seit sie ihren Sohn habe, erledige sie Dinge viel effizienter, um mehr Zeit mit ihm verbringen zu können, sagte Sandberg. Die IWF-Chefin schilderte, dass man ihr nach ihrem Jus-Studium bei einem Bewerbungsgespräch unverblümt gesagt habe, arbeiten könne sie in dieser Rechtsanwaltskanzlei, aber als Frau nie Partnerin werden. Sie sei früher auch sehr stark gegen Quoten gewesen, erklärte die frühere französische Finanzministerin, die nunmehr die mächtigste Position in der Finanzwirtschaft innehat. Weil sie gedacht habe, Frauen würden es wegen ihrer Leistung schon schaffen. "Jetzt sage ich: Wir brauchen Ziele, wenn nicht gar Quoten. Das ist ein notwendiger Schritt. Ich habe meine Sichtweise komplett geändert."

Rückgängige Frauenbeteiligung trotz Quote

Mit keinem Wort erwähnt wurde, dass die Organisatoren des Weltwirtschaftsforums vor zwei Jahren eine Frauenquote eingeführt haben. Der Effekt: Heuer waren 15 Prozent der rund 2500 TeilnehmerInnen aus 68 Ländern weiblich, vor einem Jahr waren es noch 17 Prozent. Der Grund: Unternehmen versuchen die Vorgabe zu unterlaufen. Den rund hundert Partnerfirmen wurde vorgeschrieben, dass in ihren aus fünf Mitgliedern bestehenden Delegationen eine Frau sein müsse. Viele reisen nun mit Delegationen nach Davos, die aus vier Mitgliedern bestehen - nur Männer. Außerdem wurden kleinere Unternehmen oder Medien erst gar nicht auf die Erfüllung der Quote verpflichtet.

Als die geringe Frauenrepräsentanz bekannt wurde, begannen sich die Frauen in Davos über soziale Netzwerke, vor allem Twitter, zu organisieren: Unter #davoswomen und unterstützt von der Website womensphere wurde gegen den geringen Frauenanteil, der sich auch auf den Podien zeigte, protestiert. Die zentrale Forderung lautet: Mehr Frauen nach Davos!

Kaufmacht der Frauen nützen

Schon aus wirtschaftlicher Sicht sei es unklug, Frauen nicht zu berücksichtigen, argumentierte der Chef des Renault/Nissan-Konzerns Ghosn. Den Studien seines Unternehmens zufolge werden 45 Prozent der Autokäufe durch Frauen getätigt, bei 85 Prozent der Kaufentscheidungen seien sie entscheidend beteiligt. Frauen achteten weniger auf die Motorstärke, dafür viel mehr auf Sicherheit und Funktionalität, so Ghosn. "Frauen in Führungspositionen, die auf solche Kriterien achten, sind auch eine geschäftliche Angelegenheit und ein Wettbewerbsfaktor."

In seinem Unternehmen gebe es Frauenquoten, die jedes Jahr neu festgelegt werden. "Guter Wille allein reicht nicht." In einem Werk in Japan habe man das Ziel erst erfüllen können, als ein Betriebskindergarten eingerichtet worden sei. Die Quote müsse man sowohl bei Neueinstellungen als auch bei der Besetzung von Führungspositionen, insbesondere Nachrückungen, berücksichtigen, so Ghosns Erfahrung. Vielen Frauen fehle es aber auch an Selbstbewusstsein, Führungspositionen anzustreben, weshalb sie schon vorher an Schulungen teilnehmen sollten.

Konkrete Ratschläge an Frauen, die Karriere machen wollen, gaben auch die Teilnehmerinnen am Podium weiter: "Zähne zusammenbeißen und lächeln", sagte Lagarde. Der Ratschlag der Vorsitzenden der UN-Frauenorganisation, der Südafrikanerin Phumzile Mlambo-Ngcuka: "Wann immer du hinfällst, fall nach vorne und steh wieder auf!"

Facebook-Managerin Sandberg meinte dagegen: "Unser Ziel muss ein, dass wir von der Agenda gestrichen werden und Frauen kein spezielles Thema mehr sind." Die IWF-Chefin warf daraufhin ein, dass man dann noch ein paar Jahre in Davos diskutieren könne. (Alexandra Föderl-Schmid aus Davos, dieStandard.at, 27.1.2014)